Die Wilden Hühner

Die Wilden Hühner

Eine richtige Bande. So wie die von den blöden Jungs - den Pygmäen. Sprotte, Frieda, Melanie und Trude sind ab sofort 'Die Wilden Hühner'. Mit Bandenquartier und Banden-Erkennungszeichen. Doch die Pygmäen bekommen schnell Wind von der Sache und der 'Bandenkrieg' kann beginnen.

„Abenteuer kann man doch nicht planen wie Ballett oder so was. Die warten um die Ecke und zack!, plötzlich sind sie da!“, erklärt Sprotte ihren Freundinnen. Stimmt! Denn kaum haben die Mädchen ihre Bande gegründet, können sie sich vor Abenteuern kaum noch retten. Bis heute sind die Wilden Hühner die beliebteste Mädchenbande Deutschlands, mit Erkennungsmerkmal, Bandenschwur und natürlich: der feindlichen Jungsbande, den „Pygmäen“.

Es war ein wunderbarer Tag. Warm und weich wie Hühnerfedern. Aber leider ein Montag. Und die riesige Uhr über dem Schuleingang zeigte schon Viertel nach acht, als Sprotte auf den Schulhof gerast kam. „Mist!“", sagte sie, bugsierte ihr Rad in den verrosteten Fahrradständer und zerrte die Schultasche vom Gepäckträger. Dann stürmte sie die Treppe rauf und rannte durch die menschenleere Pausenhalle. Auf der Treppe raste sie fast in Herrn Mausmann, den Hausmeister, hinein. "Hoppla!", sagte er und verschluckte sich an seinem Käsebrot. "'tschuldigung!", murmelte Sprotte — und stürmte weiter. Noch zwei Flure entlang, dann stand sie japsend vor ihrer Klassentür.

Mucksmäuschenstill war's da drin. Wie immer bei Frau Rose. Sprotte schnappte nach Luft, klopfte und öffnete die Tür.

"... tschuldigung, Frau Rose", sagte sie, "ich musste noch die Hühner füttern." Der dicke Steve sah sie erstaunt an. Die schöne Melanie hob die Augenbrauen und Fred, der blöde Kerl, schlug mit den Armen und krähte. Sehr witzig. "Na, das ist ja mal eine originelle Ausrede", sagte Frau Rose, spitzte ihren rot bemalten Mund und machte ein Kreuz in ihr kleines Buch. Mit düsterer Miene ging Sprotte zu ihrem Platz, streckte Fred die Zunge raus und setzte sich. Neben Frieda, ihre allerbeste Freundin.

"Du hast Stroh in den Haaren", raunte Frieda. "Wieso musstest du die Hühner füttern? Ist Oma Slättberg krank?" Sprotte schüttelte den Kopf und gähnte. "Zu ihrer Schwester gefahren. Und ich muss fürs Füttern 'ne Stunde früher aufstehen. Eine Stunde! Kannst du dir das vorstellen?"

"Schluss mit dem Getuschel dahinten", rief Frau Rose und fing an rätselhafte Zahlen an die Tafel zu schreiben. Frieda und Sprotte senkten die Köpfe, bis sie sich fast die Nasen an ihren Büchern stießen.

"Aber das hat mich auf 'ne Idee gebracht!", flüsterte Sprotte. "Ah, ja?" Besorgt sah Frieda von ihrem Buch auf. Sprottes Ideen waren schlimmer als Windpocken. Und sie brütete ständig neue aus. "Schick Melanie und Trude eine Nachricht", flüsterte sie Frieda zu. "Geheimtreffen in der nächsten Pause auf dem Klo." Trude und die schöne Melanie saßen nebeneinander, drei Tische weiter vorn, und betrachteten gerade sehr angestrengt die Tafel.

"Oh nein!", stöhnte Frieda. "Du willst doch wohl nicht wieder mit diesem Bandenkram anfangen?" "Schreib!", zischte Sprotte.

"Wie bist du auf die Wilden Hühner gekommen?" Ich weiß nicht, wie oft ich die Frage schon beantwortet habe. Die Hühner wurden an dem Tag geboren, an dem ich mit meiner damaligen Lektorin (das ist die, die im Verlag nach den Fehlern in den Manuskripten sucht) im Garten saß und diese mich fragte, ob ich nicht einmal nur ein Buch schreiben könnte, in dem weder Feen, Gespenster, Piraten oder sonst was vorkämen. "Um Himmels Willen", sagte ich, "was soll denn da passieren? Das kann ja nur furchtbar langweilig werden." Dann setzte ich mich hin — und erfand die Wilden Hühner.

Mit echten Hühnern kannte ich mich aus, denn wir haben selbst lange welche gehabt. Mit Hühnerstall und Hühnerauslauf, damals in unserem ersten gemeinsamen Zuhause in Hamburg. Und dann gab es da auch noch all die Geschichten über stachelig strenge Großmütter, die mein Mann und meine Mutter manchmal erzählten. Ein Mädchen wie die schöne Melanie habe ich mal gekannt, auch Jungen, die ein bisschen wie Steve und Torte waren. Den Bandennamen "Die Pygmäen" habe ich einer (fiesen) Bande gestohlen, die meinem Mann zugesetzt hatte, als er ein Junge war — der Rest ist (bis auf ein paar Kleinigkeiten) Erfindung.

Denn NEIN! Es gibt sie nicht, die Wilden Hühner. Es gibt inzwischen nur Hunderte von Banden in Deutschland, die sich so nennen, Mädchen, die sich die Haare rot färben, um wie Sprotte auszusehen, Väter, die Hühnerställe in den Garten bauen oder irgendwo einen alten Wohnwagen als Bandenversteck herzaubern müssen.

Viel Spaß mit Sprotte und ihren Mädels!

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