Die letzten Wochen meines Großvaters

Geschrieben von Fabienne

Vorwort

Diese Geschichte basiert auf einer (leider) wahren Begebenheit...

Hey. Ich heiße Lynn und bin 14 Jahre alt. Ich gehe in die 7b eines Gymnasiums, aber das ist gar nicht so wichtig, denn die Geschichte, die ich euch jetzt erzähle, handelt überhaupt nicht von mir. Es geht um meinen Großvater. Ich liebe meinen Großvater! Er ist immer für mich da und versucht, mir in jeder Lebenslage zu helfen. Ich besuche ihn so häufig es ging. Doch eines Tages, als ich gerade von der Schule nach Hause kam, überbrachte meine Mutter mir die schockierende Nachricht. Mein Großvater sei die Treppe hinunter gefallen. „Zuerst schien alles normal, doch nach einer knappen Stunde fing er an, nach einer schwarzen Schachtel zu suchen. Was es für eine Schachtel ist, konnte er nicht sagen“, sagte meine Mutter mit zittriger Stimme, „Dann wurde es deiner Großmutter zu bunt und sie fuhr mit ihm in die Notaufnahme. Die zögerten nicht lange und machten ein Röntgenbild von seinem Kopf.“ Ihr kamen die Tränen, als sie das folgende sagte: „Die aus der Notaufnahme fanden dann heraus, dass…“, sie fing an zu schluchzten, so dass man sie fast nicht mehr verstand, „dass… dass… dass er einen Schädelbruch und eine Hirnblutung hat.“ Meine Mutter brach in Tränen aus und ich glaubte nicht, was ich da gerade gehört hatte. Dann realisierte ich, was da meine Mutter gerade gesagt hatte und fing auch an zu weinen. „Wo ist er jetzt?“, fragte ich mit zittriger Stimme. „Im großen Krankenhaus, 10 Kilometer von hier. Die Ärzte sagten, entweder er wird sofort dorthin verlegt  oder er wird die Nacht nicht überleben.“ Sie brach wieder in Tränen aus.

Ich rannte hinaus zur Bushaltestelle und fuhr mit dem nächsten Bus direkt ins Krankenhaus. Dort angekommen fragte ich völlig aufgelöst am Eingang eine nette Frau nach meinem Großvater. Sie antwortete mir ruhig, dass mein Großvater gerade eine Operation hinter sich hatte und jetzt auf der Intensivstation lag. Ich rannte durch die Gänge. Hoch in den 3. Stock. Dann fand ich schließlich das Zimmer. Eine Krankenschwester kam gerade aus dem Zimmer: „Hallo. Er ist gerade ansprechbar. Aber Achtung. Er fantasiert ständig.“, sagte sie.

Ich ging leise hinein. Er lag in seinem Bett, auf den Seiten links und rechts ein Gitter, wie man es bei den kleinen Kindern ans Bett ran macht, dass sie nicht hinausfallen können. Er brabbelte irgendwas vor sich hin, bis ich mich bemerkbar machte. Dann sah er mich an. Ich fragte ihn leise, ob er wisse, wie ich heiße. Er zögerte einen Moment, dann sagte er aber: „R... L… Le… Li… Lynn“ Ich lächelte. Er hatte mich erkannt. Dann schaute er wieder geradeaus auf die leere, weiße Wand. Er redete etwas, das ich dieses Mal verstehen konnte. Er sagte: „Ist das ein Stau, der Typ da mit dem LKW braucht ja die ganze Straße. Schau mal. Da kommt man ja gar nicht  mehr durch!“ Ich runzelte die Stirn. Was redet er da für einen Blödsinn von einem Stau? Dann erinnerte ich mich wieder daran, dass die Krankenschwester gesagt hatte, dass er fantasiert. Mein Großvater brabbelte inzwischen wieder etwas Unverständliches. Plötzlich hielt er die Hände zu einer Faust geballt vor sich. Ich kapierte erst gar nicht, was er da tut, bis er sagte: „Schau mal! Wie klar das Wasser hier ist! Ich glaub, ich hab einen! Was für ein Prachtexemplar! So einen großen Fisch hab ich noch nie gesehen!“ Jetzt kapierte ich! Er angelte also! Ich musste schmunzeln. Dann brabbelte er wieder etwas und verstummte schließlich.

Ich ging hinaus und bevor ich die Tür hinter mir zu zog sagte ich noch „Tschüß. Bis bald.“ Doch er antwortete mir nicht, sondern schaute wie hypnotisiert geradeaus. Als ich die Tür gerade schloss, kam mir die Krankenschwester von eben entgegen. „Na? Was hat er wieder fantasiert?“ ­ „Erst hatte er etwas Unverständliches gebrabbelt, dann schwafelte er etwas von einem Stau und einem LKW der die Straße blockiert. Nachher brabbelte er wieder etwas Unverständliches und danach angelte er, wie es aussah. Als ich dann vorher hinausging und ihm tschüß sagte, starrte er schweigend geradeaus.“„Jaja. So geht das schon den ganzen Tag. Manchmal fantasiert er, manchmal redet er die ganze Zeit über frühere Erlebnisse und manchmal starrt er einfach geradeaus.“

Ich verabschiedete mich und fuhr mit dem nächsten Bus nach Hause. Zuhause erzählte ich meiner Mutter von meinem Besuch und sie konnte nur den Kopf schütteln. Ich ging jeden Tag zu ihm ins Krankenhaus. Meistens erkannte er mich. Doch an einigen Tagen konnte er sich nicht an mich erinnern. Oder er ordnete mir einen falschen Namen zu. Zum Beispiel hieß ich einmal Michelle, der Name meiner Tante. Meistens fantasierte er. Einmal fuhr er Auto (mit seinem Bett) oder er war ein Höhlenforscher (er hatte seine Bettdecke über dem Kopf und sagte immer wieder „Wow! Siehst du die Stalagniten da! Wunderschön“. Doch dann stellte sich die Frage: Soll man eine weitere Operation machen oder lohnt sich das nicht mehr? Wir entschieden uns dafür. Dann, nach einer 8stündigen OP, wurde er wieder in sein Zimmer gebracht. Stunden vergingen. Doch er wachte nicht auf. Er wurde als klinisch tot erklärt. Nach weiteren drei Wochen beschloss die Verwandtschaft, die am Leben erhaltenden Maschinen auszuschalten. So verlor ich meinen Großvater. Doch in dieser Zeit, als er im Krankenhaus war, gab es durchaus einige witzige Momente. Einmal war er anscheinend aus dem Bett über die Gitter geklettert, denn als ich kam, saß er am Boden und tat so, als ob er eine Autonummer abschreiben würde. Dazu sagte er: „Der ist mir voll hinten in mein Auto gefahren“. Da musste ich kichern. Obwohl es alles sehr traurig war, sollte man auch in schlechten Zeiten alles ein wenig humorvoll sehen.

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  • Zu dieser Geschichte gibt es 9 Kommentare

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    Annili – 21. August 2021

    Das tut mir furchtbar leid. Aber schön, dass du ganz viele schöne Erinnerungen hast

    Brianna – 30. Januar 2021

    Das tut mir so leid! Meinen Opa habe ich auch vor ein paar Wochen verloren.

    Ninya – 16. Oktober 2018

    Das tut mir leid, meinen einen Opa habe ich nicht mal kennen gelernt.

    Arya – 3. Oktober 2018

    Das tut mir leid, mit deinem Opa. Mein Opa ist im Dezember an Krebs gestorben, es war furchtbar.

    Der Träumer – 30. Juli 2018

    Das tud mir leid. Mein Großvater ist Mitte Juli gestorben. Das war hart aber ich glaube es geht ihm jetzt besser.

    Teresa Fünkchen – 17. April 2018

    Das tut mir sehr leid für dich

    Waldelfe – 10. Januar 2017

    Die Geschichte ist echt krass. Wenn die Menschen dann von einem Tag auf den anderen zu fantasieren anfangen... Ich stelle mir das echt schlimm vor!

    Natalie – 17. April 2015

    Du tust mir leid. Mein Opa ist an Krebs gestorben, und ich hab ihn nur einmal im Krankenhaus besucht. Mein Opa wollte immer Söhne haben, und deshalb mochte er mich und meine Schwester nicht so. Aber ich bin mir sicher dass er mich auch geliebt hat.

    Recklessfan – 17. April 2015

    Ohhh! Das ist dir passiert. Das tut mir so leid