Speeder
Geschrieben von Toivo Franzki
Eins
„Ich renne! Schritt für Schritt renne ich über das glatte Pflaster der Dächer. Der Lüftungsschacht kommt näher. Mit Links springe ich ab. Der Flug passt perfekt. Die Linke kommt zuerst auf, tapp, dann die rechte Hand, tapp. Das rechte Bein schleudere ich hoch, und ziehe es ruckartig mit dem Linken an. Zusammen hocken sie zwischen den Händen durch. Ich stoße mich mit den Händen ab und überwinde den Schacht. Unter mir hört das Dach auf zu sein. Mit ausgestreckten Armen und Beinen versuche ich meinen Flug zu stabilisieren“-
Er sprang; flog durch die Luft. Flog; flog; immer tiefer und weiter. Unter sich sah er den Gegner rennen. Er zog den Dolch aus der Rückenscheide. „Ein Stich, und allem wäre ein Ende gesetzt. Egal wer; Egal warum.“
Und er stach zu.
Zwei
„Ich renne! Schritt für Schritt renne ich über das glatte Pflaster der Dächer. Der Lüftungsschacht kommt näher. Mit Links springe ich ab. Der Flug passt perfekt. Die Linke kommt zuerst auf, tapp, dann die rechte Hand, tapp. Das rechte Bein schleudere ich hoch, und ziehe es ruckartig mit dem Linken an. Zusammen hocken sie zwischen den Händen durch. Ich stoße mich mit den Händen ab und überwinde den Schacht. Kurze Flugphase; dabei das Rudern mit den Händen. Dann der Aufprall mit den Füßen auf dem Dach; das intuitive Verlagern des Körperschwerpunkts nach vorne; das Einrollen des rechten Armes. Sanft rolle ich über den Rücken, auf dem der Rucksack ist, ab. Darin der flache Brief. Was darin steht? Ich weiß es nicht. Es braucht und darf mich auch nicht interessieren. Für mich ist nur das Geld wichtig. Das wenige Geld, dass man als Bote bekommt. Und das wenige Geld mehr, dass man bekommt, wenn man schnell ist. Und das bin ich; schnell! Das ist kaum mehr ein Wort dafür.
Ich bin in diesem Großstadtdschungel aufgewachsen, bewege mich seit Jahren durch die engen Gassen, über die vollen Straßen, aber am liebsten über die Dächer. Und dort bin ich grad. Vor mir ragt das Hochhaus auf, auf das ich will. Ein Sprung über die Straße. Zum Glück nur eine Seitengasse. Sechs Meter weit. Das bedeutet, dass man ca. 4m runter fällt. Dafür die kleine Seilwinde. Mit starker Spannkraft wird der Wiederhaken in die Hauswand geschossen. Das andere Ende umfasst meine Hand. Dann der Moment. Das Seil spannt sich, der linke Arm wird nach oben fast rausgerissen. Und nur ein Wimpernschlag später der Kontakt mit der Fensterfront. Sanft prallen die Fußballen auf, dann die rechte Hand. Durch das Fenster sehe ich die erschrockenen Bürokräfte panisch nach dem Sicherheitsdienst rufen. Doch unter meiner Kapuze habe ich eine Sonnenbrille über die Augen geschoben. Ich schiebe die Lippen zu einem diabolischen Grinsen auseinander. Selbst hier draußen, durch das dicke Glas, den Wind in 500m Höhe und den aufsteigenden Verkehrslärm höre ich das Gekreische. Manche halten uns wirklich als von der Hölle gesandt; und manche sind das fast. Sie sind Assassinen. Sie genießen die selbe Ausbildung wie wir, doch lernen verstärkt das Töten. Etwas, was wir tunlichst vermeiden. Doch ich muss weiter. Ich spanne die Beinmuskulatur an und hechte nach dem Fensterrahen. Ein Fenster ist 4m hoch. Ich habe gut gezielt. Auf der Hälfte hab ich grad noch gehangen. Von der knappen Kante greife ich nach dem Wiederhaken, der in einer der wenigen Seitenstreben steckt. Ich verstaue ihn wieder in der kleinen Gürteltasche. Und dann heißt es rennen; oder besser gesagt, springen. Noch fünf Fenster sind zwischen mir und dem Flachdach. Und ich sollte vor dem Sicherheitsdienst da sein. Dann ist alles gewonnen.
Ich ziehe mich über die letzte Kante. Auf der Straße blitzt das Blaulicht der Staatspolizei auf. Falls sie mal jemanden von uns fangen sollten. Doch davor sterben wir lieber.
Mein Ziel ist die Glaspyramide, die auf dem Dach anfängt. Die Schräge läuft sich dann wieder richtig angenehm, nach dem Hochspringen an der Fensterfront. Hinter mir höre ich die aufgeregten Schreie der Sicherheitsleute. Die orientieren sich nämlich nach den Micro- schips, die uns allen eingepflanzt sind; oder waren. Meiner wurde für ein Schweinegeld entfernt. Oben auf der Spitze ist eine der vielen Seilbahnen befestigt, die wir überall in der Stadt unterhalten. Ich springe in die Luft und fasse mit der Linken an das dünne Seil. Ohne die Verstärkung des Handschuhs hätte man nach 10m schon keine Finger mehr. Der Draht würde sie einem Abschneiden. So aber fliege ich in 500m Höhe über den Boden. Vor mir der Canyon, der die Stadtteile abtrennt. Jetzt ist der Auftrag geschafft. Dort das Dach, auf dem der Empfänger wartet. Als ich näher komme, löst sich sein Schatten aus der Wand. Er hat mich schon erwartet, und er wusste, dass ich diesen Weg wählen würde. Es ist aber auch der schnellste. Und sicherste.
„Hey Kleiner, komm' einmal rüber!“ Hä? Was ist das denn? Eigentlich wird bei der Übergabe nur das Losungswort gewechselt. Und jetzt Das, mit einer solchen Ansprache. Was will er von mir? „Du brauchst keine Angst zu haben- Ich weiß, das klingt leer. Aber es ist so. Noch will ich dir nichts Böses. Ich bringe Dir im Tausch zu dem Brief eine Botschaft von meinem Auftragsgeber. Und sie betrifft Dich! Sie ist nur für deine Ohren bestimmt!...
Wir beobachten Dich! Du bist einer der talentiertesten Free- Style- Runner! Vielleicht bist du besonders „talentiert“. Ja, du verstehst mich richtig: es gibt sie wirklich, die „Speeder“. Sie sind nicht nur Erzählungen. Und ich weiß, wie du sie findest. Mein Auftraggeber bildet jene aus, die als „talentiert“ gelten. Oder eben jene, die dem System entwischen. Er nimmt sie zu sich auf. Gibt ihnen Essen, ein Dach über dem Kopf. Und das Training, dass sie brauchen, um ihr „Talent“ zu entwickeln. Als Dank will er nur ihren Willen zur Ausbildung und danach ihre Treue zur Wahrheit! Und das willst du doch auch: ein Speeder sein und für die Wahrheit kämpfen!“ – Und ich habe „Ja“ gesagt. Habe eingewilligt in das Training. Und deswegen bin ich gerade da, wo ich bin.
Drei
„Ich renne! Schritt für Schritt renne ich über das glatte Pflaster der Dächer. Der Lüftungsschacht kommt näher. Mit Links springe ich ab. Der Flug passt perfekt. Die Linke kommt zuerst auf, tapp, dann die rechte Hand, tapp. Das rechte Bein schleudere ich hoch, und ziehe es ruckartig mit dem Linken an. Zusammen hocken sie zwischen den Händen durch. Ich stoße mich mit den Händen ab und überwinde den Schacht. Ich streck mich auseinander und tauche in das Wasser des Flusses ein. Zwei Züge unter Wasser; dann auftauchen. Und kraulen. Zwei Km am Stück. Hinter mir höre ich, wie die anderen Schüler eintauchen. Zumteil sind es laienhafte Bauchklatscher, aber wir haben auch sehr gute Schwimmer. Die tauchen dann schon mal fünfzig Meter am Stück durch die Brühe. Ich hoffe, mein Vorsprung ist groß genug, um gegen diese Bestand zu haben.
Zwei Schwimmzüge nach dem besten Schwimmer komme ich am Ziel an. Wir müssen an einer rauen Felswand uns hocharbeiten. Wer unfair ist, greift nach dem Fußgelenk und reißt einen in die Tiefe. Bei mir versuchen es manche, aber das Klettern ist für mich am einfachsten. Mit meinen langen Armen und Beinen komme ich an so ziemlich jeden Halt. Hier werde ich dann auch den Rückstand aufholen, sodass sich alles im Rennen entscheidet. Wie üblich gibt es zwei Routen. Eine lange, dafür aber auf ebener Erde, oder aber zwischen den Hochhäusern durch. Zweitere ist um einiges anstrengender, deswegen wähl ich sie.
Vier
Mein Meister wurde von nun an immer wortkarger. Er war weniger heiter, lachte weniger.
Die allmorgendlichen Läufe wurden weniger abwechslungsreich, und manchmal kam es vor, dass uns ein Lauf schon bekannt war. Dann fingen wir an, uns Sorgen zu machen, doch wir fanden keine Anhaltspunkte. So verstrich die Zeit. Das erste Neue seit langem war der Überfall auf einen Speeder. Eine absolute Neuheit. Und das Blickfeld der Polizei fiel auch irgendwann auf uns; die „Gesegneten“. Wer sonst sollte nur annähernd die Möglichkeiten dazu haben. Wir gingen also auf Tauchstation. Das Training fand nur noch unterirdisch statt und die Sonne sahen wir nur sehr selten. Doch die Übergriffe blieben. Immer öfters und in immer kürzeren Zeitabständen fiel ein Speeder zu Opfer; wem, das war die große Frage. Doch keiner wusste eine Antwort. Eine Spur kam erst durch Zufall auf: ich stand mit zwei anderen auf dem Dach und planten den jährlichen Meisterlauf. Unwissend, wo denn dieser lang gehen soll, starrten wir in die Nacht. Uns allen viel es gleichzeitig auf: ein Schatten, eher ein Schemen, bewegte sich von unserem Dach weg. Interessiert, setzten wir ihm nach. Doch es hängte uns ab, bevor wir überhaupt wussten, ob wir wirklich jemanden nachgejagt waren. Wir kehrten zur Zuflucht zurück und legten uns schlafen. Nur mir fiel es jetzt schwer. Der Zwischenfall beunruhigte mich. Ich hatte die Ahnung, dass uns eine wichtige Info englitten war.
–Wie wichtig, wird noch klar. –
Die Gedanken über diese Beobachtung ließen mich lange wach. So hörte ich, wie vereinzelt Leute aufs Dach gingen, und von dort wieder zurückkamen.
–Die Unregelmäßigkeit konnte ich erst entdecken, als alles zu Ende war. –
Von der Müdigkeit endgültig übermannt, schlief ich endlich ein. Der nächste Morgen brachte nichts Neues. Auf unserem Lauf durch die Stadt, sahen wir einen neuen Überfallsort auf einen Speeder, der großräumig abgesperrt worden war.
Es ist Nacht. Ich steige aufs Dach hinauf. Die Letzten waren sehr unruhig. Es liefen immer welche aufs Dach und wieder zurück. Am nächsten Morgen war dann wieder ein Speeder tot. Gemunkel über „Selbstschutz vor der Polizei“ wurde laut. Doch ich traute dem nicht. Deswegen gehe ich heut' Nacht auch raus. Ich vermute nämlich, dass der Angreifer aus den eigenen Reihen kommt.
Ich trete in den Schatten des Ausgangs. Die Liebe der Gefahr entwickelt sich. An jeder Ecke steht ein Liebespärchen. Ach, wie ich es hasse: für zwei Monate ist man „der Schatz“; „das Beste“; was einem passiert ist. Und dann ändert man sich, und schon ist man „das Schlimmste“ auf der Welt. Anschauen ist verboten, berühren wird mit dem Tod geahndet. Und ½ Jahr später fängt alles von Vorne an. Diese, meine Sicht auf die Dinge ist wohl der Grund, warum ich noch keine Freundin hatte. Aber ich weiche ab. Eigentlich wollte ich einen Platz suchen, von dem ich aus die Dachluke gut einsehen kann. Ich will wissen, worin die Gefahr besteht.
Lange Zeit ist alles ruhig. Keine Auffälligkeiten. Dann bekomm' ich aber von Notabas das Signal, dass auf seiner Seite etwas passiert. Ich springe auf und laufe los: Vielleicht ist es jetzt endlich so weit. Vielleicht entschleiert sich endlich dieses Rätsel.
- Verdammt; egal, wer es war, er war schneller als wir. Er hat uns abgehengt. Doch er ist nicht da, und es sind auch keine Aufträge für heute eingetragen. Deswergen werden alle in der Zuflucht rum lungern. Und Der, der fehlt, ist es. Doch alle sind da. Wir haben mehrfach nachgezählt. Also kann es nur einer sein, egal wie abwegig das klingen mag: sein Zimmer ist leer, als wir reingehen. Alles ist ordentlich an seinem Platz; das Bett gemacht, der Tisch ist ordentlich und nichts fehlt. Doch was ist das? Der Tisch steht nicht da, wo er seit Jahren stand. Die Abdrücke im Boden sind stark sichtbar. Hat er den Tisch absichtlich verschoben? Oder kommt das nur vom langen dran Sitzen? Wir stellen uns an die Ecken und heben ihn auf Drei weg. Direkt fallen uns die Fugen zwischen den Brettern auf, die breiter sind, als gewöhnlich. Beim Anheben weht uns ein feiner Aschehauch entgegen. Darunter kommt eine Vertiefung zum Vorschein, in der die Reste eines Papierfeuers schwelen. Ob noch irgendwas davon lesbar ist? Wir müssen es versuchen. Es ist die einzige Möglichkeit, die Ursachen für sein Handeln zu ergründen.
Dem wir so lange gefolgt sind. Was hat er gesucht? Die Antwort ist so einfach wie erschütternd: er glaubte, man würde einen Teil der Fähigkeiten in sich aufnehmen, wenn man das Blut eines solchen trinken würde. Und nun war er den Besten von ihnen hinter her. Doch von den Gedanken an Vollendung geblendet, wandten sich meine Freunde gegen mich. Ich musste es also selber zu Ende bringen.
Wuterfüllt ob der Täuschung rannte ich aus des Meisters Kammer.
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Zu dieser Geschichte gibt es 3 Kommentare
Einen Kommentar hinterlassenNun, danke, dass Du mein Werk so verfolgt hast. Ein kleiner Fehler ist Dir aber unterlaufen: das war das letzte Kapitel. Die Kurzgeschichte ist vorbei; deswegen auch nicht so vertieft, da es eine Kurzgeschichte war. Evtl kommen noch mehr Geschichten dieser Art, aber momentan bin ich an etwas ganz andrem dran. Toivo
also, ich finde das neue kapitel auch richtig gut!!! kp, warum ich hier die einzige bin, die was schreibt... naja, jedenfalls ist es echt gut, dass man erst im letzten satz erfährt, wer "er" ist. und auch wie du die spannung aufbaust. gefällt mir ich finde nur, dass du die ganzen kapitel vlt etwas vertiefen solltest, mehr beschrieben und so noch mehr spannung aufbauen, denn gerade so das ende kommt etwas zu schnell und überraschend, da sehe ich noch ein bischen mehr potenzial. aber wie gesagt, gefällt mir auch so schon sehr gut — und ich freue mich natürlich auf das nächste kapitel ^^
hey, das ist echt super! sehr gut geschrieben, spannend und auch technisch toll — mit dem gleichen anfang für jedes kapitel und so... gefällt mir wirklich sehr gut! ich freue mich auf mehr!!!