
Warum bist du Illustratorin geworden?
Ich habe schon immer gerne gezeichnet. Ich zeichnete in meiner Kindheit und Jugend und entdeckte das Aktzeichnen in meinem letzten Jahr auf der High School. Bis ich 35 war, habe ich in Bereichen studiert und gearbeitet, die so gar nichts mit dem Zeichnen zu tun hatten, aber während dieser Zeit fand ich immer irgendwo einen Aktzeichenkurs, den ich besuchte. Die Zeit zusammen mit Leuten zu verbringen, die das Zeichnen genau so liebten wie ich, war mir sehr kostbar. Mit Mitte 30 ließen mich ein paar Lebenskrisen mit der Frage zurück, was ich denn mit meinem Leben überhaupt anstellte, und mir wurde klar, dass ich einfach nur zeichnen wollte. So begann ich, einfach jeden Tag etwas zu zeichnen. Und schließlich wurde aus mir eine Illustratorin.

"The neighbourhood"
Wie sieht dein Arbeitstag aus?
Es hängt ein wenig davon ab, welche aktuellen Projekte gerade anstehen. Wenn ich tief drin stecke in einem Projekt und es fertig stellen muss, dann stehe ich um 6 Uhr morgens auf, mache mir einen Tee und arbeite schon vor dem Frühstück für ein paar Stunden daran. Es ist für mich sehr wichtig, meinen Kopf mit etwas zu beschäftigen, das mir gerade am allerwichtigsten ist, noch bevor ich meine Emails lese oder irgendetwas anderes tue. Nach dem Frühstück versuche ich, bis 4 Uhr nachmittags zu arbeiten. Aber ich bin flexibel, was das betrifft. Wenn ich nicht so produktiv bin, dann höre ich auf mit dem, was ich tue, und gehe eine Weile nach draußen. Ich laufe gerne, also baue ich im Winter in meinen Tag oft gegen Nachmittag eine Laufrunde ein, bevor es dunkel wird. Danach arbeite ich noch weiter bis in den frühen Abend hinein.

"Eine alte Zeichnung aus Tallinn, aber eine, die ich immer noch sehr liebe."
Was inspiriert dich? Woher kommen die Ideen?
Ich denke, ich werde mehr von Gefühlen und einer bestimmten Atrmosphäre inspiriert. Ich verbringe meine Zeit gerne damit, herumzuspazieren und Kaffee zu trinken in den Straßen des Ortes, an dem ich mich gerade aufhalte. Dabei ziehe ich meist einen Eindruck oder eine Stimmung aus einer Szene, die bei mir wiederum eine Stimmung erzeugt. In solchen Momenten fühle ich mich sehr inspiriert. Oft sehe ich etwas, das scheinbar visuell beschreibt, wie ich mich fühle. Das sind die Momente, die mir den Anstoß für eine neue Zeichnung geben.

"Ida und Indi machen Pläne."
Hast du einen persönlichen Lieblingsillustrator, eine Lieblingsillustratorin?
Einen bestimmten Favoriten zu nennen ist sehr schwer. Aber ich mag die Arbeit von Carson Ellis sehr. Sie ist etwas Besonderes. Ich liebe ihre Farben, und ich habe das Gefühl, dass sie wirklich ganz sie selbst ist beim Arbeiten. Ich weiß nicht, wie sie selbst das sieht, aber aus der Distanz fühlt es sich so an, als sei ihre Arbeit nie zu sehr von den Vorgaben eines Auftrags beeinflusst. Sie scheint immer einen Weg zu finden, ihre wirklich herausstechende Sichtweise einfließen zu lassen in ihre Bilder. Ellis sagt von sich selbst, sie sei keine geborene Geschichtenerzählerin, doch sie hat einen Weg gefunden, wundervolle Geschichten zu erzählen. Das inspiriert mich, denn ich möchte auch gerne meine eigenen Geschichten erzählen, fühle aber ähnlich wie sie. Ich denke, ich muss meinen eigenen Weg dorthin finden.

"Franki und Friedrich warten am Fenster."
Hörst du beim Illustrieren Musik oder Hörbücher oder soll es lieber still sein?
Ich hasse die Stille. Wenn ich mit Worten oder konzeptionell arbeite, höre ich immer Musik. Ich bin nicht sicher, ob ich Dinge in kompletter Stille begreifen kann. Wenn ich zeichne oder etwas bearbeite, über das ich bereits nachgedacht habe, dann höre ich Podcasts. Ich glaube, ein Hörbuch würde nicht funktionieren, weil sich mein Gehirn zu sehr ein- und wieder ausschaltet, während ich der Geschichte, die ich illustriere, folge. Manchmal spiele ich einen Podcast von vorne, wenn ich denke, ich hätte die Hälfte verpasst während ich mich in der Arbeit verloren habe.

"Gorran Haven Swimming Summer"
Hast du einen Lieblingsplatz zum Illustrieren?
Was ich besonders liebe an meinem Beruf ist der Moment, in dem ich mich nach draußen begebe zum Zeichnen. Einfach draußen zu sitzen und zu zeichnen, was ich gerade sehe, bringt mir so viel Inspiration und Freude. Daher denke ich, das ist mein Lieblingsplatz — ein großer Stein oder ein Stück Rasen oder eben ein Platz irgendwo da draußen in der Welt.

Reiseskizze - New York City
Gibt es eine Wunschgeschichte, die du gerne mal illustrieren würdest?
Ich liebe die KäIte. Ich liebe es, wenn die Welt einfriert und sich in Eis und Schnee verwandelt. Deshalb würde ich gerne ein Buch darüber illustrieren, obwohl ich denke, das müsste dann wohl ich selbst sein, die es schreibt.
Wenn du nicht illustrierst, was tust du dann gerne?
Ich trinke sehr gerne Tee zusammen mit meinen Freunden. Ich gehe gerne laufen in den Bergen und an der Küste, deshalb verschwinde ich gerne, wenn es die Zeit erlaubt, in Richtung Berge oder Meer.

"Eine gerade entstandene Skizze aus Bergen in Norwegen"
Was macht für dich den Beruf des Illustrators aus?
Mir gefällt die Problemlösung als Teil der Illustration. Die Grenzen, die einem durch einen Auftrag auferlegt werden, sind für mich sehr befreiend, weil sie mir dabei helfen, einen Anfang zu finden und sie mir Orientierung geben. Wenn das Team bei einem großen Bilderbuchprojekt stimmt, dann ist es außerdem wunderbar, mit anderen zusammenzuarbeiten. Das Gefühl, die Unterstützung und Energie der anderen zu erfahren, die alle ein tolles Produkt kreieren möchten, kann sehr inspirierend sein. Ich lerne sehr viel durch solche Kollaborationen und genieße die Gesellschaft und das Teamgefühl.

"Whale Song", 25x25
Was macht deiner Meinung nach eine gute Illustration aus?
Wir haben alle eine sehr persönliche Sicht auf diese Welt. Wir alle finden verschiedene Orte interessant, bemerken unterschiedliche Dinge, werden von unterschiedlichsten Dingen inspiriert. Herauszufinden, wie man diese einzigartige Sicht in Bildern zum Ausdruck bringen kann, ist eine wunderbare Herausforderung. Und die Illustrator*innen, die ich am meisten bewundere, scheinen fähig zu sein, ihre ganz einzigartigen Persönlichkeiten und Sichtweisen in all ihre Arbeiten mit einzubringen.

Reiseskizze - San Francisco
Hast du manchmal auch einfach keine Lust zu zeichnen? Musst du dich dann motivieren? Und wenn ja, wie machst du das? Gibt es so etwas wie eine Schreibblockade auch bei Illustratoren? Also so eine Kreativblockade?
Ich würde nicht sagen, dass ich unter Kreativblockaden leide, aber manchmal bin ich unglücklich mit einer aktuellen Arbeit. Oder ich habe ein schlechtes Gefühl, weil etwas nicht so gut läuft, wie ich möchte. Die Dinge, die mir helfen, wenn ich so fühle, sind auf seltsame Weise widersprüchlich. Manchmal brauche ich eine Auszeit, aber oft brauche ich auch einfach mehr Zeit, um Dinge für mich zu tun. Wenn ich mich sorge, dass ein Projekt nicht gut läuft, ist das beste, das ich normalerweise tun kann, rauszugehen oder eine Illustration ganz für mich allein zu zeichnen. Wann immer ich mich dann wieder an die Arbeit mache, merke ich, wie sehr mir doch das Tun selbst gefällt. Und das Ergebnis, finde ich, ist nur ein ganz kleiner Teil dessen, was das Illustrieren ausmacht. Der Prozess und die Freude am Zeichnen sind für mich die Hauptsache und mich daran zu erinnern, ist immer wieder belebend.