Warum bist du Illustratorin geworden?
Vielleicht, weil Illustration mir die Möglichkeit gibt, die Realität aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und zu zeigen. Es ist keine Flucht davor. Ich brauche die Realität. Aber die Sprache der Bilder erlaubt es mir, Fragen zu stellen, das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Wie sieht so ein Arbeitstag bei dir aus?
Alles beginnt mit einer Tasse starkem Kaffee. Um 'anzukommen' brauche ich dann ein bis zwei Stunden. Wenn ich es mir leisten kann, versuche ich in dieser Zeit so gut wie nichts zu tun oder so wenig wie möglich von dem, was nicht so wichtig ist, aber trotzdem getan werden muss. Dann setze ich mich an meinen Arbeitstisch und arbeite so lange, wie es meine Kondition erlaubt. Nach einem Spaziergang gehe ich wieder an die Arbeit. Bis spät in die Nacht oder bis in die frühen Morgenstunden. In der Stille der Nacht kann ich mich einfach besser konzentrieren und die Ideen finden. Ich nenne diesen Prozess Schattenjagd. Denn die Ideen sind irgendwo in mir. Nur sind es meistens eher Schatten, denen ich Schicht für Schicht, Stunde für Stunde näher komme und die ich immer klarer erkenne.
Gibt es Illustrator*innen, die dich beeinflusst haben/beeinflussen?
Ich bin ein Quereinsteiger, und als ich anfing, waren es die Bücher von Wolf Erlbruch und Carll Cneut, die mich faszinierten und die mir gezeigt haben, was Illustration sein kann. Deren Arbeiten liebe und bewundere ich immer noch sehr. Im Laufe der Zeit hat sich aber vieles in mir und in meinem Umfeld verändert, was zur Folge hatte, dass sich auch meine Bildsprache veränderte und ihre eigenen Wege ging.
Was war deine allererste Illustration?
Soweit ich mich erinnern kann, saß da eine alte Frau mit einem blühenden Hut auf dem Kopf auf einem riesigen Ei und wartete und wartete. Und wartete ... Es war das erste Bild, das ich gemalt habe nach vielen Jahren, in denen ich weder gezeichnet noch gemalt und fast alles vergessen hatte. Dieses Bild war es, das mich auf die Idee brachte, dass ich Illustration machen möchte.
Was inspiriert dich? Woher kommen die Ideen?
Für mich ist der Text die wichtigste Quelle für die Bilder. Wenn der Text wirklich gut zu mir passt, dann ist das magisch. Der Rest ist eine Mischung aus meinen eigenen Beobachtungen, Erlebnissen und Erfahrungen und den daraus resultierenden Veränderungen in mir. Tag für Tag aufs Neue. Je nach Projekt und Thema können es auch kleine reale Geschichten, Dinge, Personen oder Orte sein, die mich inspirieren und die ich dann in meine Bilder einwebe. So wie der kleine Bär, der im Buch "Die Menschenscheuche" von Michael Stavarič zu sehen ist. Das Buch ist 2019 bei "Kunstanstifter" erschienen. Den kleinen Bären namens Arosall gibt es tatsächlich. Seine Geschichte hat mich zutiefst berührt. Und auch wenn ich etwas abweiche ... es gibt einige Fragen, die mich während des gesamten Prozesses begleiten. Nicht inspirieren, aber helfen: Wie viel Poesie, Skurrilität oder Surrealität braucht oder verträgt der Text? Und wo genau setze ich sie ein? Es gibt aber auch Fälle, in denen ich das Gefühl habe, dass ich mehr ins Konkrete, Reale und Alltägliche gehen muss, damit es funktioniert. Diese Balance ist mir sehr wichtig. Denn nur so wird das Ganze am Ende glaubwürdig. Zumindest für mich. Und dann hofft man, dass man es geschafft hat.
Hast du einen persönlichen Lieblingsillustrator, eine Lieblingsillustratorin?
Shaun Tan, Carll Cneut, Lorenzo Mattotti und viele, viele andere. Es gibt so viele faszinierende Illustratorinnen und Illustratoren auf der Welt!
Hörst du beim Illustrieren Musik oder Hörbücher oder soll es lieber still sein?
Ich liebe und brauche die Stille. Aber manchmal, je nach Projekt und meiner eigenen Verfassung, höre ich auch gerne Musik oder Hörbücher. Letzteres vor allem dann, wenn ich eine rein technische Arbeit zu erledigen habe, bei der ich nicht so viel zu denken habe.
Hast du einen Lieblingsplatz zum Illustrieren?
Mein Arbeitszimmer.
Gibt es eine Wunschgeschichte, die du gerne mal illustrieren würdest?
Keine einfache Frage angesichts dessen, dass es viele sind. Viele davon sind aber bereits so oft und auch so wunderschön illustriert. Andere dagegen verlangen nicht unbedingt nach Bildern. Ich liebe Mythen, Legenden und Märchen. Ebenfalls "Alice im Wunderland" von Lewis Carroll, "Momo" von Michael Ende, "Der Meister und Margarita" von Bulgakow. So gut wie alles von Italo Calvino, Gabriel García Márquez und vieles mehr ...
Gibt es eine Illustration, auf die du besonders stolz bist?
Stolz ist in meinem Fall nicht wirklich das passende Wort. Bilder wie das mit den Stühlen, die Katzen oder der Wal aus "Was macht die Nacht" von Dirk Gieselmann mag ich gern. Sie wecken die Hoffnung in mir, dass da noch mehr möglich ist.
Wenn du gerade nicht illustrierst, was tust du dann gerne?
Spazieren, lesen oder Hörbücher hören, Freunde treffen.
Was macht für dich den Beruf des Illustrators/der Illustratorin aus?
Das Erzählen. Vom Unsichtbaren, von dem, was sich zwischen den Zeilen, aber auch in einem selbst verbirgt. Mal laut, mal leise. Und schweigen, dort, wo es nötig ist.
Was macht deiner Meinung nach eine gute Illustration aus?
Ich mag es, wenn Bilder berühren, überraschen, mir ihre eigene Geschichte erzählen. Ich glaube, das hat bei mir viel mit Poesie, Eigensinn und Ehrlichkeit zu tun. Eine gute Prise Humor wärmt das Herz.
Hast du manchmal auch einfach keine Lust zu zeichnen/zu malen? Musst du dich dann motivieren? Und wenn ja, wie machst du das? Gibt es so etwas wie eine Schreibblockade auch bei Illustrator*innen? Also so eine Kreativblockade?
Ich kann tagelang in aller Stille das, was um mich herum ist, vor allem die Natur, beobachten. In aller Stille sein und staunen, das reicht mir. Wenn aber ein Text zu mir kommt, beginnt ein Dialog. Nach und nach tauchen dann die Schatten auf und es gibt keine Ruhe mehr. Was auch sehr schön ist. Wenn nach einer Weile doch keine brauchbare Idee auftaucht, wird es ziemlich dunkel in mir. In solchen Zeiten kenne ich alle denkbaren Zustände ... oh, ja! Was mir hilft, ist das Akzeptieren, dass solche Zeiten dazu gehören und an sich nichts Schlimmes sind. Es kann sogar reinigend sein. Das andere ist das Vertrauen, dass die Ideen dann irgendwann kommen werden. Selbst, wenn alles anders wird als ursprünglich gedacht oder erhofft. Man kann nur das und so viel von sich geben, was man in diesem einen Moment oder in dieser Zeit imstande ist zu geben. Nicht mehr. Also lasse ich los und tue das, wonach es mir in diesem einen Moment ist. Das könnte ein Spaziergang oder ein anderes Bild sein. Eins, was für niemanden sonst außer für mich eine Bedeutung hat. So ist die Serie "Selfies" entstanden. Man kann sie auf meiner Webseite sehen. Ich habe ganz gegensätzliche Meinungen darüber gehört. Das ist gut so. Und spannend ist es auch.