Welt der Elemente. Ein Fremder von der Erde

Escrito por Lio

Prólogo

Hey! Ich hatte die Idee für diese Geschichte vor einigen Jahren, habe dann aber irgendwann einfach aufgehört weiterzuschreiben. Ich habe sie letztens allerdings wiedergefunden, und auch wenn ich nicht mehr wirklich stolz auf die Idee bin, dachte ich, ich schreibe mal weiter c: Also ja, das war’s, viel Spaß beim Lesen<3

Ankunft

Gelangweilt lehnte sie sich gegen die Scheibe. Es war ein heißer Nachmittag und der Zug fuhr schon seit Stunden. Zum Glück hatte sich bis jetzt noch niemand zu ihr ins Abteil gesetzt, so dass sie wenigstens ungestört war. Ihr Blick schweifte durch ihr Abteil, erst sah sie ihren großen Wanderrucksack mit allem Möglichen, was sie so brauchen könnte, dann sah sie ihre Trinkflasche, die eh schon komplett leer war und als letztes fiel ihr Blick auf das Fenster und die Landschaft dahinter. Obwohl man von der Landschaft nicht allzu viel sehen konnte, da auf den Fenstern eine dicke Staubschicht lag. Es war schon Abend, als der Zug endlich hielt. Sie stand auf, schnappte sich ihren Rucksack, setzte sich ihn auf und nahm sich anschließend noch ihre Wasserflasche. An der Abteiltür wartete sie den Strom der Schüler – oder zukünftigen Schüler – ab. Dann huschte sie als eine der letzten durch den Gang zu einer der Türen und nach draußen. Der Eindruck überwältigte sie. Feuer, Wasser, Erde, Luft alles vereint! Sie hatte schon viel von hier gehört, aber es mit eigenen Augen zu sehen, war etwas ganz anderes. In der Ferne sah sie die Lichter der Anlage. Plötzlich kamen von überall her selbstfahrende Autos, die vor ihnen zum Stehen kamen und ihre Türen öffneten. Die älteren Schüler stiegen gruppenweise in die Autos und die Neulinge machten es ihnen nach. Leise fluchend musste sie feststellen, dass sie kein Auto alleine bekommen konnte und frustriert stieg sie in eins, in dem erst eine Person saß. Sie hatte lange helle Haare und grau silberne Augen. Vermutlich Luft. „Hallo, ich bin Thalea und du bist... ?“ «Für dich erst einmal Lightball, verstanden?“, antwortete sie genervt. Thalea zog den Kopf ein und ließ sie in Ruhe, was Kaylas großes Glück war. Mit so einer Person konnte sie es aushalten. Gespannt blickte sie aus dem Fenster und sah in der Ferne die Lichter der Anlage. Sie musste sich eingestehen, dass auch sie jetzt neugierig war. Sie konnte ihren Blick nicht mehr vom Fenster lösen, so gespannt war sie. Sie hatte so viele Bücher über diesen Ort gelesen, so viele Geschichten gehört, sie konnte es nicht fassen, endlich selbst hier zu sein. Der Weg wurde glatter, scheinbar war er hier asphaltiert, dann passierten sie ein großes Tor und waren endlich da. Als die Türen aufgingen, sprang sie aus dem Auto und sah sich staunend um. Direkt vor ihr war ein riesiges Gebäude, es war aus Stein gebaut und wirkte wie ein mittelalterliches Schloss oder eine Burg, sie wusste es nicht, doch es wurde komplett restauriert. Es gab sehr große Fenster und die kaputten Stellen, an denen der Stein gebrochen war, wurden modern aufgearbeitet. Es war wunderschön. An der rechten Seite des Geländes stand ein Flachbau, was dort war, wusste sie nicht. Die Autos blieben stehen und alle stiegen aus. Von überall ertönte ein ehrfürchtiges „Ohh“ oder „Ahhh“. Den Neulingen stand der Mund offen und Kayla erwischte sich selbst dabei, den Mund staunend aufgeklappt zu haben. Schnell schloss sie ihn wieder. Dann trat ein Mann nach vorne auf eine Art Plattform. Als er anfing zu sprechen, konnte sie jedes Wort klar und deutlich hören, obwohl sie weit hinten stand. „Hallo, meine lieben Schüler, ich bin Mister Xerius und ich heiße euch herzlich willkommen an der Schule der Elemente. Ich hoffe, ihr findet euch alle schnell zurecht. Einige unserer Lehrer werden euch jetzt in den Speisesaal bringen, wo ihr dann euer Abendessen einnehmen könnt.“ Wie angekündigt, traten einige Lehrer aus dem Halbschatten. Die älteren Schüler waren schon vorgelaufen und führten sie durch einige Gänge bis zu einer großen Tür. Die Gänge waren sehr verrückt, denn an manchen Stellen war alles aus altem Stein und an anderen Stellen war der Gang modern. Es gab helle LED-Lichter – und Fackeln. Es gab normale Fenster – und welche mit Gittern davor. Es gab Boden, auf dem Turnschuhe quietschen – und Boden aus massivem Stein. So ging das die ganze Zeit. Sie kamen an eine große Flügeltür, die Tür war rund und aus dunklem Holz. Es gab große Eisenstangen, mit denen man die Tür verriegeln konnte. Einen Moment mussten sie warten, dann schwangen die Türen von innen auf und sie bekamen den Speisesaal zu sehen. Überall standen kleine Tische, sie hatten immer ein Tischbein in der Mitte und waren dann oben rund. Sie schätzte, dass um die vier Personen an einen Tisch passten. In der Mitte stand ein riesiger Tisch, er sah aus wie alle anderen, aber es war ein Büffet. In der Tischplatte waren Vertiefungen und darin waren die leckersten Gerichte, die sie je gesehen hatte. Am anderen Ende des Saales stand ein langer Tisch und in der Mitte saß der Direktor. Die Lehrer, die sie hierhin gebracht hatten, gingen jetzt nach vorne und baten die neuen Schüler ebenfalls nach vorne zu kommen und sich aufzustellen. Eine Frau trat vor und zog eine Liste aus der Tasche. „Hallo, ich bin Miss Hoover, auch von mir nochmal herzlich willkommen. Ich werde jetzt eine Liste vorlesen mit den Namen aller neuen Schüler unserer Schule. Wenn euer Name genannt wurde, kommt ihr bitte nach vorne und holt euch euren Schülerausweis ab. Danach könnt ihr euch setzen. Zu den Trakten der Elemente gibt es Glastüren, an der rechten Seite ist ein Sensor. Wenn ihr euren Ausweis davorhaltet, öffnet sich die Tür. Schüler aus anderen Elementen dürfen nicht mit in die Trakte der anderen, verstanden? Es gibt genug Räume, wo ihr euch mit den anderen austauschen könnt. Falls sich keiner bewegt, gehe ich davon aus, dass diese Person nicht anwesend ist.“ Sie hörte nicht wirklich zu, beobachtete nur träge wie die neuen Schüler langsam aus der Reihe gingen und sich setzten. Plötzlich hörte sie ihren Namen. „Kayla Lightball“, schnell richtete sie sich auf, holte sich ihren Ausweis ab, und ging zu einem Tisch. Als sie sich gesetzt hatte, stellte sie ihren Rucksack unter den Tisch und wartete auf weitere Anweisungen. Auf einmal hörte sie eine leise Stimme. Sie setzte sich auf und sah sich um, direkt vor ihr saß ein Mädchen – Thalea. „Hey“, sagte sie schüchtern, „darf ich dich Kayla nennen?“ „Dich werde ich scheinbar nicht los. Deswegen gut, nenn mich Kayla“ Sie seufzte, das würde anstrengend werden mit Thalea, aber vielleicht war es nicht einmal so schlecht, eine Freundin an dieser riesigen Schule zu haben. „Okay, doch, ich habe eine Bedingung, wir gehen heute Nacht gemeinsam auf Streifzug durch die Schule und auf dem Gelände. Treffpunkt vor der Halle, kapiert?“ Thalea schreckte zurück, aber Kayla wusste, dass sie sehr viel dafür tun würde, um Freunde zu finden, also ging sie davon aus, dass sie zustimmen würde. Als Antwort bekam sie nur ein zittriges Nicken, aber das reichte ihr. Als endlich alle saßen, wurde das Büffet für eröffnet erklärt und die Mädchen stürmten mit ihren Tellern los. Kayla drängelte sich durch die Menge, doch Thalea blieb etwas weiter hinten stehen; erst dann ging sie nach vorne, um sich auch etwas zu Essen zu nehmen. Kayla saß als erste wieder am Tisch – was ja auch klar war, da sie sich einfach durch die Menge gedrängelt hatte. Ein, zwei Minuten später kam auch Thalea mit einem überfüllten Teller an ihren Tisch zurück. „Na, du hast ja lange gebraucht“, zog Kayla sie auf. Thalea sagte nichts und fing schweigend an zu essen. Als das Essen beendet war, erhob der Schulleiter noch einmal seine Stimme: „Eure Hauslehrer werden euch gleich in euren Trakt begleiten, folgt ihnen einfach.“ Kayla zischte zum Abschied leise: „Zwölf Uhr, ich erwarte dich pünktlich“, dann nahm sie ihren Rucksack und folgte dem Lehrer, der sie zu den Schlafsälen des Elements Feuer bringen sollte.

Nächtliche Exkursion

Der Gang war dunkel, Kayla konnte kaum etwas sehen. Sie blickte auf ihre Uhr, Thalea war schon eine Viertelstunde zu spät. Auf einmal blendete sie ein grelles Licht von der anderen Seite des Flurs. Durch die Helligkeit konnte sie kaum etwas erkennen, doch als sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, merkte sie, dass es Thalea war. Sie rannte auf Thalea zu, machte die Taschenlampe aus und zog ihr ihren schwarzen Mantel über. „Verdammt, Thalea, was denkst du dir dabei, mit diesem Licht und so hell gekleidet durch die Gänge zu gehen?! Wir wollen unbemerkt bleiben, schon vergessen?“, flüsterte Kayla. „T..t...tut mir Leid“, sagte Thalea. „Nicht so laut, oder bist du lebensmüde?!“ Kayla lief los, Thalea wollte noch etwas sagen, aber sie besann sich eines Besseren. Auf Dauer hatte Thalea Mühe, Kayla zu folgen, aber sie sagte nichts. Sie liefen eine Weile, also Kayla lief, Thalea stolperte eher. Irgendwann fragte sie: „W..w..wo gehen wir eigentlich hin, Kayla?“
„Mal schauen“, war die knappe Antwort. Nach einer Weile gelangten sie in den hinteren Teil der Schule. Aus den Fenstern am Flur konnte man den Flachbau sehen und ... so etwas wie Trainingsplätze. Thalea stellte sich an Fenster und Kayla stellte sich neben sie. „Das sieht doch interessant aus. Weißt du, wie man dahin kommt?“ „N..nein. T...tut mir Leid.“ „Na schön, dann lass uns erstmal nach unten gehen, bestimmt gibt es da irgendwo eine Tür.“ Kayla wandte sich ab und lief los.
Unten angekommen, zeigte Thalea auf eine Tür, die nach draußen führte. Abgeschlossen, natürlich. Ratlos schauten sie sich um. Da merkte Thalea, wie ihre Fingerspitzen sich auflösten und ein kleiner Windhauch entfuhr ihnen. Mist, doch nicht vor Kayla. Doch auf einmal hörten sie ein Klacken. Beide drehten sich ruckartig um. Die Tür schwang auf! „Wow …“ entfuhr es Kayla. „Los, geht's!“ Sie rannten zusammen auf die Tür zu.
Als sie draußen waren, schob Kayla noch einen Stein zwischen die Tür und den Rahmen, damit sie nicht zufiele. Als die beiden Mädchen sich umsahen, standen sie in einem kleinen Innenhof. Er war viereckig und an jeder Seite stand eine Bank, naja, bis auf die Seite, auf der sie reingekommen waren. Um den Innenhof herum gab es einen Rundgang, dieser war überdacht. Aus dem Rundgang gab es einen Ausgang, an der Seite gegenüber der Schule, und von da aus kam man aufs Trainingsgelände!
Kayla konnte es nicht mehr abwarten, dahin zu kommen und hatte ihre Verwunderung über das Türschloss schon fast vergessen, Thalea allerdings nicht. Grübelnd stand sie noch eine Weile herum, ehe sie Kayla mit sicherem Abstand folgte.
Als sie aus dem Rundgang hinaustrat, sah sie Kayla, die aufgeregt über den Platz lief und alles genauestens unter die Lupe nahm. Als diese Thalea entdeckte, winkte sie sie zu sich. „Wo hast du denn gesteckt?“, schnauzte Kayla sie an. An solche Begrüßungen würde Thalea sich gewöhnen müssen. „Ich h..habe nur nochmal über d..die Sache mit dem T..T..Türschloss nachgedacht.“ Kurz sah Kayla verunsichert aus, aber dann meinte sie: „Wird schon nichts Besonderes sein. Vielleicht war die Tür gar nicht richtig zu und wir haben nicht vernünftig nachgeguckt. Schau mal, was das für ein Platz ist, da drüben sind Trainingspuppen und dahinter ist eine Kampfarena. Und daneben ist so ein Schuppen, ich glaube darin sind die Waffen gelagert, ich bin mir aber nicht sicher; die Scheiben sind sehr dreckig.“
„M..meinst du nicht, wir sollten zurückgehen?“, fragte Thalea, während sie Kayla unsicher ansah. Widerwillig stimmte sie zu. Sie gingen den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren. An der Tür nahmen sie den Stein aus dem Spalt und schlichen ins Gebäude. So leise wie möglich schlossen sie die Tür und huschten durchs Schloss zu ihrem Treffpunkt.
Hier trennten sie sich und jede ging in ihren Schlafsaal. Kayla lief in die entgegengesetzte Richtung von Thalea. Sie musste in die dritte Etage. Zum Glück konnte sie die Treppe nehmen, die an der Innenmauer des Gebäudes verlief, so musste sie nicht erst in die Mitte der Schule und da zum Treppenhaus laufen.
Angekommen hielt sie ihren Schülerausweis vor und ging so leise wie möglich in ihr Zimmer. Sie musste es sich mit drei anderen Mädchen teilen, deswegen gab es Stockbetten. Sie hatte glücklicherweise eins der oberen erwischt. Wie erwartet, schliefen die anderen schon, sodass sie dem Bad nur noch einen kurzen Besuch abstattete und sich dann mit Klamotten schlafen legte.
Am nächsten Morgen wachte sie nicht auf — sie hatte gestern Nacht vergessen ihren Wecker zu stellen. Irgendwann rüttelte sie eine aus ihrem Zimmer wach, den Namen kannte sie nicht. „Hey, aufstehen! Wir haben in einer halben Stunde Unterricht, Frühstück bekommst du jetzt keins mehr.“
„Fuck“, entfuhr es Kayla. Sie sprang aus dem Bett und rannte ins Bad. Im Spiegel sah sie ihre braunroten, leider langen, Haare, wegen denen sie schon oft gehänselt wurde, da sie nicht so feuerrot waren wie die der anderen aus ihrem Reich. Ihre grünen Augen starrten sie verschlafen an und unter dem Auge hatte sie fette Ringe. Sie schob sich ein Band in die Haare, nahm sich ein neues T-Shirt, blieb aber in ihrer Jeans und zog sich ihren Mantel über. An der Tür schlüpfte sie noch schnell in ihre Stiefel und schnappte sich ihre Tasche.
Als sie vor dem Klassenraum auf den Lehrer warteten – Kayla hatte Thalea gesehen und sich zu ihr gestellt – wurden sie plötzlich von einem älteren Schüler angesprochen: „Ihr solltet mal Danke sagen, immerhin sitzt ihr wegen mir gerade nicht im Büro des Schulleiters.“ Als beide Mädchen ihn fragend ansahen sprach er weiter: „Naja … euer kleiner Ausflug gestern hätte ihm bestimmt nicht sonderlich gut gefallen, was meint ihr?“ Thalea schlug sich die Hand vor den Mund und unterdrückte einen Aufschrei. Kayla zeigte keine Emotionen und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er weiterreden solle. „Es gibt natürlich Überwachungskameras, habt ihr gedacht die bewachen die Schule nicht?“ Kayla schlug sich die Hand vor die Stirn. „Ich war im Schulleiter Büro, weil … Äh, ja, auf jeden Fall hab ich da mal auf die Kameras geschaut und euch da achtlos langlaufen sehen. Ich habe die Videos davon gelöscht.“ „Ahhh, ich hätte wissen müssen, dass es irgendein Überwachungssystem gibt. Verdammt!“, fluchte Kayla, während Thalea ein leises „Danke“ hauchte.
Den Kopf schüttelnd entfernte sich der Junge. „Das darf uns echt nicht nochmal passieren, wie peinlich, dass der uns retten musste. Aber mal ein anderes Thema, was haben wir jetzt eigentlich?“, fragte Kayla. „Ähm, ich glaube Meditation zur Kontrolle der Kräfte.“ Kayla seufzte, Meditation konnte sie noch nie, stillsitzen und innerlich ganz leer werden. Das hatten sie schon als ganz kleine Kinder in der Schule in ihrem Reich als Fach gehabt. Sie war immer die schlechteste von der ganzen Klasse. „Was ist?“, wollte Thalea wissen, die merkte, dass etwas nicht stimmte. „Ach, nicht so wichtig.“
Da wurden sie auch schon unterbrochen und ein kleiner, dicklicher und sehr freundlich aussehender Mann kam und öffnete die Tür zum Klassenzimmer.
In diesem Klassenzimmer standen keine Tische und der gesamte Boden war mit einem Teppich ausgelegt. Außerdem war der Raum rund und hatte eine Fensterseite, soweit man Seite bei einem Raum sagen kann. Die Plätze waren durch Kissen gekennzeichnet und in einem Kreis angeordnet.
Der Lehrer hatte sich zuerst gesetzt und alle gebeten, sich ebenfalls einen Platz zu suchen. Als endlich alle saßen, stellte er sich vor: „Hallo, ich bin Mister Boon und lehre euch Meditation zur Kontrolle der Kräfte. Ich bringe euch, bei innerlich ganz leer zu werden. Ich zeige euch verschiedene Möglichkeiten. Das Fach ist eine Grundlage und Voraussetzung für alles, was mit euren Kräften zu tun hat. In der ersten Stunde werden wir nur meditieren, damit ich euch kennenlernen kann.“
Mit diesen Worten begab er sich in Meditationshaltung und schwieg. Es wurde noch geflüstert, aber langsam wurde es ruhiger.
Kayla blickte sich um und sah die anderen ganz konzentriert. Bis auf ein Mädchen, das, wenn sie sich richtig erinnerte, sie am Morgen geweckt hatte. Sie nickte ihr zu und musste kurz grinsen, als sie sah, dass sie Augenringe hatte, die den ihren fast Konkurrenz machten und dass sie halb schlief. Scheinbar hatte sie heute Morgen auch verschlafen, aber immerhin war sie vor Kayla aus dem Bett gekommen und hatte sie noch wecken können. Sonst würde Kayla bestimmt jetzt noch schlafen.
Das Nichtstun machte sie schläfrig und nach kurzer Zeit nickte sie ein. Das Klingeln der Schulglocke weckte sie und Kayla schreckte auf.
Das würde ein langer Tag werden.

Seltsame Ereignisse

Zeitsprung: zwei Monate später
Kayla und Thalea hatten sich eingelebt und insbesondere Kayla kannte die Schule besser als jeder andere. Sie wusste, wo man unentdeckt langgehen konnte, was die beiden Jason zu verdanken hatten. Ach so, Jason ist der Junge, der die Videos gelöscht hat, sie haben sich noch öfter mit ihm getroffen.
Was den Unterricht anbelangt … Thalea ist Klassenbeste, aber Kayla interessiert der Unterricht nicht, hätte sie Thalea nicht, wäre sie echt abgerutscht.
Mittlerweile verstehen die zwei sich echt gut, aber Streitereien gibt es immer und Kayla ist immer noch – Kayla halt.
Thalea und Kayla setzten sich am Morgen zu Jason an den Tisch und schauten verwundert nach vorne, da der Direktor mit ernstem Gesicht dort stand und wartete bis alle ruhig waren. „Wisst ihr, warum der so ernst guckt? Ich meine, der guckt immer ernst, aber so?“ „Nein keine Ahnung“, antwortete Jason auf Kaylas Frage. „Du Thalea?“ „Nein, ich weiß es auch nicht.“
Ach ja, und in den letzten Wochen ist Thalea deutlich selbstbewusster geworden, also soweit man das selbstbewusst nennen kann. Sie stottert immerhin nicht mehr so sehr wie am Anfang.
Schulter zuckend drehte Kayla sich wieder nach vorne, wo der Direktor schon zu sprechen begonnen hatte. „… möchte euch etwas Wichtiges mitteilen. In den Reichen Erde und Feuer gab es…“, er machte eine kurze Pause, „sagen wir, Angriffe.“
In der Halle wurde es augenblicklich laut, alle redeten miteinander. Auch die drei begannen zu reden.
„W..w..was für A..A...Angriffe?“, fragte Thalea ängstlich zeitgleich mit Jason, der meinte: „Wer würde so etwas tun?“ Kayla antwortete ihm: „Es ist entweder jemand, der von dem Geheimnis unserer Welt weiß, oder wir haben einen Verräter.“
Thalea nickte zum Direktor, da dieser weitersprechen wollte. „In der Schule seid ihr erstmal sicher, die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter die Schule angreift, ist sehr gering. Doch trotzdem bekommt jetzt auch die erste Klasse Unterricht in Verteidigung, zur Sicherheit.“
Von irgendwo rief ein Junge rein: „Was denn für Angriffe, Mister Xerius?“ Der Schulleiter sah nach unten, man sah ihm an, dass er das lieber nicht gesagt hätte. Aber er wusste, dass es den Schülern mehr Angst machte, wenn er es jetzt verschwieg. „Also, ähm, die Betroffenen Personen haben ihre Kräfte verloren. Das einzige, was sie noch haben, ist die Immunität gegen das eigene Element. Sie können sich an nichts erinnern, was sie an diesem Tag gemacht haben. Aber wir kümmern uns da drum, ihr müsst euch auf die Schule konzentrieren.“
„Ernsthaft?! Auf die Schule konzentrieren?“ Kayla lachte auf. Das ist ja schon fast lustig.
Die drei redeten noch eine Weile, der Appetit war ihnen aber vergangen. „Die Kräfte verlieren? Von so etwas habe ich noch nie gehört, es ist nirgendwo verzeichnet, dass es so etwas schon einmal gab. Ich fasse es nicht, der Angreifer muss echt mächtig sein“, sagte Jason. „J..j..ja das m..m..muss er.“
Kayla stand auf. „Ich gehe in die Bibliothek Nachforschungen anstellen. Man sieht sich.“ Und mit diesen Worten ging sie aus der Halle. Auch Jason war gegangen und Thalea blieb alleine noch eine Weile sitzen um nachzudenken.

Regnerisches Wetter und ein gefährlicher Ausflug

Es regnete – nein, es goss, in Strömen. Jason hing mit ein paar Kumpels in einem der Aufenthaltsräume ab, sie zockten Videospiele. Thalea hatte sich hinter einem Regal mit Brettspielen und Comics verschanzt, um sie gaaaanz eventuell zu beobachten.
Kayla lief grinsend durch die Flure, was sehr untypisch für sie war. Mann, wo hat sich Thalea jetzt schon wieder verkrochen?! Da will man ihr einmal etwas sagen…
Nach einer halben Stunde suchen fand Kayla Thalea endlich. Schnell ging sie auf das Mädchen zu, das beschämt errötete. „Was machst du hier?“, wollte Kayla wissen, doch die Antwort ergab sich, als sie Thaleas Blick folgte. „Naja, egal, ich wollte dir nur sagen, dass ich mich vom Schulgelände schleiche und in die Stadt gehe, auch wenn ich große Menschenmengen eigentlich nicht ausstehen kann, aber ich brauche mal Abwechslung. Du musst mir ein Alibi geben, keine Ahnung, sag, wenn man nach mir fragt, dass es mir nicht gut geht oder so. Dir fällt schon etwas ein. Sei kreativ.“ „A..aber Kayla, es regnet.“ „Genau, das ist gut so, dann gehen sie erst recht nicht davon aus, dass Schüler sich draußen rumtreiben. Du hast ja was zu tun“, grinste sie und nickte zu Jason. Wie auf Knopfdruck errötete Thalea, was Kayla bewusst war, obwohl sie sie nicht mehr ansah, da sie sich schon zum Gehen gewandt hatte.
Kayla kam in einem düsteren Viertel aus dem Tunnelsystem heraus, durch das sie sich aus der Schule geschlichen hatte.
Die Straßen waren dreckig und voller Müll und die Fassaden der Häuser braungrau, total heruntergekommen. Sie begegnete niemandem, was bei genauerem Überlegen ihr Glück war, so konnte keiner wissen, wo sie herkam und wieso sie sich hier herumtrieb. Im Zentrum der Stadt würde sie nur noch eine unter vielen sein, nicht der Rede wert.
Schnell klopfte Kayla sich den Staub von Jeans und Jacke und ging los.
Zur selben Zeit kamen von der anderen Seite der Stadt drei verhüllte Gestalten. Sie waren auf der Suche nach jemandem ... einem Mädchen ... sie war schon ganz nah, hatte sich hinausgewagt aus dem Schutz und sich den Gefahren der Welt ausgesetzt.
Das sollte ihr zum Verhängnis werden.
Schon nach wenigen Minuten war die Ausreißerin durchnässt und sie fror wie noch nie in ihrem Leben. Ihr kleines Feuer spendete ihr ein wenig Wärme und Licht, aber längst nicht genug. Doch zurückzugehen kam für sie auch nicht infrage.
Irgendwann wurden die Straßen größer, hier und da konnte sie Leute sehen. Die Fassaden wurden bunter, die Bürgersteige sauberer und man hörte noch andere Geräusche außer dem Gluckern der Kanalisation. Eine Gruppe von Straßenmusikern hatte sich eine Art Bühne aufgebaut und eine beträchtliche Menge schaute ihnen zu. Auch Kayla blieb kurz stehen, um den Klängen zu lauschen. Eine Frau spielte Marimba, mit ziemlich vielen Schlägern, die durch die Luft schwebten und perfekt auf einander abgestimmt waren. Ein Mann saß auf einem Cajón und trommelte den Rhythmus. Der Bass machte die Instrumente komplett. Eine Sängerin mit einer wunderbaren, warmen Stimme sang auf einer Sprache, die Kayla nicht verstand. Die Frau war schwarz, deshalb vermutete Kayla, dass sie aus dem Reich Erde stammte, dort hatten viele farbige Haut, ein paar wenige aus Feuer auch, doch zum Beispiel bei Luft hatten alle ganz helle Haut. Naja, auf jeden Fall kannte Kayla die Sprache nicht, deswegen ging sie von der ursprünglichen Sprache des Reiches Erde aus.
Das Zentrum der Stadt hatte sie sich deutlich … voller vorgestellt. Bunter, lauter und voller.
Klar waren hier einige Menschen, deutlich mehr als in den Randbezirken, aber trotzdem war es nicht so voll, wie sie es sich ausgemalt hatte. Das schob sie aufs Wetter, war ja klar, dass bei diesem Regen alle drinnen blieben … Allerdings regnete es fast nie das sich das Wetter hier der Stimmung der Bevölkerung anpasste. 
Warum regnete es also?
Ein unbehaglicher Gedanke schob sich in ihren Kopf, sie dachte an die Ansage des Schulleiters, an die Angriffe. Entschlossen schüttelte sie den Kopf und ging weiter.
Die Gestalten zogen sich die Kapuzen tiefer ins Gesicht, lauernd warteten sie hinter einer Ecke, warteten geduldig, sie hatten ihr Opfer gefunden, aber jetzt mussten sie auf den richtigen Moment warten um anzugreifen. Nichts durfte schiefgehen.
Im Laden bezahlte Kayla ihren Einkauf bei einer sehr unhöflichen Verkäuferin; sie wurde die ganze Zeit von ihr angemotzt. Angepisst ging sie schnellen Schrittes aus dem Laden und zog die Tür heftiger zu als nötig, sodass sie heftig krachte.
Gerade wollte Kayla in ihr Brötchen beißen, als eine Hand sie nach hinten zog!
Sie stolperte, ließ die Tüte mit den anderen Leckereien los, fiel, schlug auf und es wurde ihr schwarz vor Augen!
Als sie die Augen wieder öffnete, war sie an einem anderen Ort, sie wurde über den Boden gezogen. Es war eine noch kleinere Gasse, als die, in der sie angekommen war.
Auf einmal blieben sie stehen, naja, Kayla blieb liegen. Sie nahm sich die Zeit, die Gestalten zu beobachten, von denen sie hierher verfrachtet wurde. Es waren drei Männer, wie alt konnte sie nicht sagen, da sie Kapuzenmäntel anhatten. Ihre Kapuzen hatten sie tief ins Gesicht gezogen. Sie waren stark, das merkte sie allein an dem Griff, mit dem sie sie festhielten.
Anscheinend waren sie angekommen. Kayla fragte sich ernsthaft, was hier schon sein konnte. Und warum hatten sie sie gefasst? Weil sie sich aus der Schule geschlichen hatte? Den Gedanken verwarf sie sofort wieder, denn erstens würden sie ihr nichts antun und sie blutete schließlich und lag verrenkt auf dem Boden und zweitens: So ein Aufwand nur, weil man die Welt sehen wollte? Unwahrscheinlich.
Sie drehte sich ein Stück, um ihren Arm zu befreien, der zwischen Boden und Körper eingeklemmt war, doch sofort verstärkte sich der Griff um ihren Fuß. „Du bleibst brav da, wo du bist, keine Bewegung, verstanden?“ Erst wollte sie antworten, aber sie ließ es sein. Zum Glück.
Sie wollte sehen, wo sie lag, aber ihr Arm hinderte sie daran.
Doch dann bewegte sich der Mann, der sie festhielt und gab den Blick frei. Sie standen am Ende einer Sackgasse. Also, das war ja noch seltsamer. Aber … da bewegte sich etwas! Sie rekelte sich etwas, glücklicherweise bemerkte es niemand.

Der Boden tat sich auf! Ja, wirklich, die Pflastersteine gaben nach und bildeten eine Treppe, auf deren oberster Stufe sie standen. In der Mitte war eine Säule, um die sich die Stufen drehten. Ein Geländer gab es nicht, klar, wo sollte man das auch hernehmen.

Obwohl Kayla noch keinen Gedanken an Schreien verwendet hatte – wenn niemand es bemerkt, dass man auf einer riesigen Straße brutal weggezehrt wird, wird einem wohl auch niemand zu Hilfe kommen, wenn man schreit, aus Angst vermutlich – war ihr jetzt danach zumute.

„Unser Meister hat uns befohlen, dich zu suchen und zu ihm zu bringen, obwohl er jedes andere Kind aus dem Reich Feuer haben könnte. Er erwartet dich. Du bist anders. Er hat gesagt, wir sollen dich nicht einfach fertig machen und wieder verschwinden. Es gibt Regeln, die du befolgen solltest wenn du ihm gegenübertrittst. Wenn du sie missachtest, wird das nur zu deinem Schaden sein. Du bist machtlos. Regel eins: keine Fragen stellen oder ungebeten reden. Regel zwei: wenn er dich etwas fragt, antworte! Regel drei: schau ihm nicht in die Augen und halte den Kopf vor ihm gesenkt und untergeben, außer er fordert dich dazu auf, deinen Kopf zu heben.“

Diese ganze Sache wurde immer mysteriöser. Jetzt war es keine Frage mehr, dass diese Typen etwas mit den Angriffen zu tun hatten, von denen Mister Xerius erzählt hatte. Aber irgendwann würden sie sie ja auch suchen kommen. Die Frage war nur, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man sie an einem Ort findet, an den man durch eine Treppe gelangt, die aus dem Nichts erscheint und höchstwahrscheinlich auch genauso spurlos verschwinden kann. Immerhin schienen ihre Entführer nicht sonderlich überrascht zu sein, denn sie wollten ja mit ihr da lang gehen.

Die anderen Männer nahmen ihre Hände und hoben sie hoch. So trugen sie sie auf die Treppe und begannen den Abstieg. Schon nach zwei Umdrehungen war Kayla schwindelig, dabei war sie eigentlich gerade froh, getragen zu werden und nicht laufen zu müssen. Wie die Männer das nur aushielten? Einmal wagte sie den Blick nach unten, aber sie sah nur eine gähnende Leere, was sie beängstigender fand, als wenn sie zum Beispiel eine harte Platte gesehen hätte, bei der sie, wenn sie darauf fiele augenblicklich tot wäre. Wie lange konnte man eigentlich fallen, ohne zu sterben? Also im Fallen zu sterben. Sie nahm sich vor, das auf jeden Fall herauszufinden, wenn sie wieder in die Schule käme.

Falls sie wieder dorthin käme.

Nach einer gefühlten – oder auch nicht nur gefühlten – Ewigkeit sah sie etwas anderes als die schier unendliche Treppe. Boden. Noch sehr weit entfernt, aber es war schon einmal etwas. Er war rund, wie eine Scheibe und blau grün. Komische Farben für einen Boden. Wieso schwebte er überhaupt so mitten in der Luft? Und er war ja so klein, dass sie fast gelacht hätte. Wäre sie unter anderen Umständen mit anderen Menschen hier.

Je näher sie dem Boden kam, desto größer wurde er! Klar, das ergab Sinn, alles wird größer, wenn man näher herankommt, aber er wurde auch auf eine andere Art größer, die sie nicht verstand. Er wurde …voluminöser. Voller. Ein echtes Spektakel, eine großartige Täuschung!

Was sie nicht wusste:
Vor ihr lag die Erde, jener andere Ort von dem immer erzählt wurde. Wer sie einmal gesehen hat, soll sich wirklich glücklich schätzen sagten sie, und dass dies der Ort sei, für den sie existierten. Wegen dem sie ausgebildet wurden. Dem sie Leben schenkten.

Der Meister

Thalea saß vor der Glastür, die zu dem Trakt der Feuer-Mädchen führte. Ihr fielen immer wieder die Augen zu; die ganze Nacht hatte sie auf Kayla gewartet. Doch sie war nicht gekommen. Gegen sechs Uhr abends hatte sie angefangen , sich doch Sorgen zu machen. Als Kayla dann beim Abendessen nicht anwesend war, ist sie halb durchgedreht. Doch wie Kayla es vorausgesagt hatte, hatte es niemand bemerkt. Aber wir lange könnte sie noch abwesend sein, ohne dass es jemandem auffallen würde?

So saß sie also da und wartete. Auf wen, konnte sie selbst nicht so genau sagen, aber mit ihrer Freundin rechnete sie nicht. Sie hoffte nur, dass dies ein Albtraum war und sie gleich aufwachen würde.

Die Sonne zeigte sich langsam und ihre Strahlen blendeten das Mädchen.

Dann, irgendwann, tat sich etwas im Flur. Jemand kam aus dem Zimmer, in dem auch Kayla untergebracht war. Sie hatte knallrote Haare, wie es eben üblich ist für Feuer. Die eine Seite war abrasiert und sie hatte die anderen Haare alle auf eine Seite gekämmt.  Schnell stand sie auf und klopfte ans Glas. Das Mädchen zog eine Augenbraue hoch, kam jedoch zu Thalea.

„Was lungerst du hier rum?“, fragte sie. „Ähm t..tut mir leid, aber ich suche eine Freundin von mir u..und sie ist in deinem Zimmer untergebracht.“ „Aha und jetzt? Dann warte doch bis zum Unterricht, da kannst mit ihr reden.“ „Nein, sie ist seit gestern weg. Ich wollte fragen, ob sie vielleicht nachts gekommen ist oder so.“ „Applaus, und das hättest du nicht gleich sagen können?“ Thalea wollte wieder ansetzen, doch das Mädchen stoppte sie: „Spar dir deine Entscheidungen, das war eine rhetorische  Frage. Über wen reden wir überhaupt?“ „Ohhh, ähh, über Kayla“, Thalea kamen bei ihrem Namen schon die Tränen.

Erstaunlich einfühlsam kam das Mädchen auf sie zu und umarmte sie. Das war das Letzte, was Thalea erwartet hatte; sie dachte eher, dass alle so wie Kayla waren. Doch sie war dankbar für die Umarmung.

Sie trat ein Schritt von Thalea zurück. „Ich bin Nate, nur zur Info.“ „Oh, ja, ich bin Thalea“, antwortete sie schüchtern. „Kayla ist heute Nacht nicht zu uns gekommen. Sie war die ganze Nacht abwesend, aber wir haben uns nichts dabei gedacht, als wir schlafen gegangen sind, sie kommt oft später. Erst heute Morgen, als sie nicht in ihrem Bett lag und es auch nicht benutzt aussah, haben wir uns gefragt, wo sie ist, aber es hätte ja sein können, dass sie zum Beispiel irgendwo auf ner Couch eingeschlafen ist oder so.“ Thalea senkte den Kopf. Das war nicht das, was sie sich erhofft hatte, aber es war ehrlich.

„Hey, jetzt gehen wir erstmal zum Unterricht, ja?“ Niedergeschlagen nickte Thalea. Was blieb ihr auch anderes übrig?
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Sie blinzelte, sah nichts. Blinzelte nochmal, sah immer noch nichts. Scheinbar war es stockdunkel. Mühsam richtete sie sich auf, soweit es mit den Handschellen ging. Jetzt hielt sie keiner mehr fest, sie war angekettet. Alles tat ihr weh, von den Stellen, an denen die Handschellen lagen ganz zu schweigen. Begleitet von einem Schmerzenslaut, sank sie in ihre anfängliche Position zurück, die da noch am angenehmsten war.

Ein Wächter, der ihre Laute offenbar gehört hatte, eilte schnellen Schrittes weg und kam kurz darauf mit Verstärkung wieder. Man hielt sie an den Armen fest, erst dann lösten sie die Handschellen. In eine Zelle hatten sie sie nicht gesperrt, das war aber auch nicht nötig bei der Anzahl an Wachen und diesen Ketten. Außerdem kannte sie sich hier nicht aus, ja wusste nicht einmal, wo sie war. Kayla wurde auf die Füße gezerrt und in der Mitte der Gruppe durch scheinbar endlose Gänge gezogen. Schon nach kurzer Zeit hatte Kayla ihren Orientierungssinn völlig verloren. In den Gängen war es dunkel, nicht ganz so finster wie an dem Ort, an dem sie angekettet war aber immer noch dunkel. Es gab keine Fackeln und keine Fenster. Wie man hier wissen konnte, wo es lang ging, war Kayla ein Rätsel.

Als sie glaubte keinen Schritt mehr gehen zu können, kamen sie vor einer Tür an. Sie war klein, aber aus massivem Metall und mit dicken Hebeln verriegelt. „Wir sind da.“ Ob Kayla sich jetzt darüber freute oder nicht wusste sie selbst nicht. Einerseits ja – sie musste nicht mehr laufen. Andererseits … sie hatte Angst, was sie nun erwarten würde. Was kam jetzt? Sie erinnerte sich an die Worte des Mannes, an die Regeln. Würde sie nun denjenigen treffen, den alle als »den Meister« betitelten? Sie wusste es nicht und sie wollte sich lieber keine Szenarien ausmalen.

Zwei gingen vor und legten alle Riegel beiseite, schlossen die Schlösser auf. Danach drückten sie zusammen gegen die Tür, um sie auf zu bekommen und beide hatten eine ordentliche Masse an Muskeln. Kayla starrte auf den Boden, hatte zu viel Angst um aufzuschauen. Die zwei kamen zurück, reihten sich ein und murmelten ihr noch eine Warnung zu: „Halte dich an die Regeln, oder du erleidest die Schmerzen deines Lebens.“

Danach traten sie ein.
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Nate und Thalea kamen noch gerade rechtzeitig zum Unterricht. Geometrie. Das war eines der langweiligsten Fächer für Thalea, da sie eh schon alles darüber wusste. Oft hatte sie als kleines Kind auf den Wolken unterwegs gewesen und hatte auf die Welt hinabgeblickt. Sie war so hoch gewesen, dass sie manchmal über ihr ganzes Reich hatte gucken können. Außerdem wurden Leute aus Luft oft für Erkundungsaufträge ausgewählt, da sie diese Arbeit am besten erledigen konnten: Von oben sah man alles und wurde nicht gesehen. So hatte sie von den Älteren eine Menge darüber gelernt. Oft hatte sie auch den Berichten gelauscht, die von denen kamen, die von einem Auftrag heimkehrten. Sie hätte an Kaylas Stelle, als diese auf die Erde hinabgeblickt hatte, gewusst das es sich dabei um die Erde handelte …

Die Lehrerin stand schon hinter dem Lehrerpult und scheuchte sie rein. „Lass uns nach hinten gehen. Die Zimtzicke kann mich, glaube ich, jetzt schon nicht ausstehen wegen meinen Brüdern“, zischte Nate Thalea zu und diese ging dankbar nach ganz hinten. Sie wollten sich gerade hinsetzen, als beiden eine Hand auf die Schulter gelegt wurde. Thalea schrie erschreckt auf, Nate seufzte. „Mitkommen. Beide. Sie werden sich vor meinem Pult bestimmt köstlich amüsieren.“ „Sicherlich“, erwiderte Nate zuckersüß. „Es freut mich, dass Sie derselben Ansicht sind Natalie Fray.“ Unsanft drückte die Lehrerin sie auf die Stühle und drehte sich um, wobei sie die Fersen aneinander schlug, sodass ein lautes Klocken zu hören war.
„Natalie? Ich dachte du heißt Nate?“ „Merk dir eins: Nenn. Mich. Niemals. Natalie.“ „J..ja ist gut.“ „Na, wenn wir das geklärt haben, eine Info. Tu was sie sagt oder du bist, und ich benutze den Fachbegriff, am Arsch.“

Miss Stoney ging zur Tür und schmiss sie zu, sodass es knallte.
„Geoemetrie ist eines der wichtigsten Fächer. Wie ihr ja bereits wisst, ist unser erstes Thema unsere Welt mit ihren vier beziehungsweise fünf Reichen. Wie sie aufgebaut ist, was wo liegt. Außerdem setzen wir uns mit unserer heiligen Mitte auseinander, dem Reich auf dem wir uns gerade befinden. Es ist etwas sehr Faszinierendes, wie alle Elemente hier ineinander fließen. Unser letztes Thema ist die Erde …“ Thaleas Gedanken schweiften ab, sie brauchte keine Wiederholung von allem, was sie schon wusste. Sie dachte an Kayla. Wo war sie? Ging es ihr gut? Bei wem war sie? Wo hatte sie geschlafen? Warum merken die Lehrer es auch nicht, ich meine, es kann keine Schülerin spurlos verschwinden, ohne dass es jemanden kümmert. Oder passiert so etwas öfter... Panik machte sich in ihr breit. Sie starrte auf den Tisch, was sehr untypisch für die sonst so aufmerksame Schülerin war. Ein Papierkügelchen riss sie unsanft auf ihren Gedanken. Darauf hatte jemand sie skizziert und darunter „Was ist mit der Streberin passiert?“ geschrieben. Frustriert blickte sie sich um, konnte aber niemanden entdecken der den Zettel geworfen haben könnte. Auf einmal stand Miss Stoney vor ihr und hielt erwartungsvoll die Hand hin. Widerwillig gab Thalea ihr den Zettel. „Was ist mit der Streberin passiert“, las sie laut vor. Thalea wollte am liebsten im Boden versinken. Danach zeigte sie noch der ganzen Klasse das Bild. „Thalea wird einen fünfseitigen Aufsatz darüber schreiben, was wir in dieser Unterrichtsstunde alles gelernt haben. Das sollte euch eine Lehre sein, in meinem Unterricht werden keine Zettel geschrieben.“ Danach war es in der Klasse still.

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Das plötzliche Licht blendete Kayla und sie kniff die Augen zu. Mit gesenktem Kopf und zugekniffenen Augen ging sie weiter. Der Raum selbst schien genauso klein, wie man es nach so einer kleinen Tür erwartete, denn sie blieben nach zwei Schritten stehen. Ihre Begleiter traten an die Wand und ließen sie alleine in der Mitte des Raumes. „Kayla Lightball.“ Seine Stimme klang jung, als wäre er nicht älter als sie selbst, er sagte ihren Namen genüsslich als würde es ihm eine echte Freude machen, sie so wehrlos zu sehen. Naja vermutlich klang seine Stimme nicht nur so, sondern er genoss es wirklich so sehr. „Schau mich an.“ Jetzt hatte seine Stimme einen sehr bestimmenden Ton angenommen.

Gehorsam hob sie den Kopf – und wusste nicht, was sie zuerst denken sollte. Als erstes bestätigte sich der Eindruck, dass er noch recht jung war, ja, in ihrem Alter. Er hatte auch kaum Muskeln, sodass Kayla sich ernsthaft fragte, warum die Männer ihm nicht einfach eine reinschlugen und abhauten. Auf jeden Fall schöpfte sie neuen Mut. Doch …warum hatten alle solche Angst vor ihm? War das alles nur Fake? Eine Maske? Oder hatte er etwas, womit er seine Diener bestoch? Als sie damit fertig war, daran zu denken und ihn genauer musterte erschrak sie. Er hatte die fast die gleiche Haarfarbe wie sie, ein bisschen brauner, aber trotzdem. Wenn es nur das wäre: schön, lustig. Aber auch seine Gesichtszüge glichen den ihren. Er hatte die gleichen braunen Augen. Seine Größe konnte Kayla schwer einschätzen, da er saß, aber sie glich der ihren. Das war schon echt verrückt.

„Hallo Kayla“, er stand auf und stellte sich vor sie, „ich denke, wir sollten ein bisschen reden, was denkst du?“ „J...ja.“ Nein bitte nicht. Ich fange jetzt nicht auch noch mit dem Stottern an wie Thalea... wie viel würde ich dafür gebensSie jetzt hier zu haben, auch wenn sie immer so ein Theater macht. Sie wäre bestimmt nicht bis Abend in der Stadt geblieben und wenn schon, dann hätte sie Hilfe geholt, wenn sie nur mich entführt hätten. Ich Dussel, dass ich sie nicht mitgenommen habe. „Komm doch mit, wir gehen in mein Büro, da ist es gemütlicher.“ Mit deutlich festerer Stimme antwortete Kayla; der Gedanke an ihre Freundin, die sich gerade bestimmt Sorgen machte, hatte sie gestärkt. „Gerne, ich bin sehr gespannt, was du mir zu erzählen hast.“ Alle im Raum schnappten nach Luft, da diese Göre den Meister geduzt hatte, doch er erlangte schnell seine Fassung wieder und ging voraus. Kayla folgte ihm.

Kräfte außer Kontrolle

Sie folgte ihm, gerne wäre sie weggerannt, aber das hatte dort keinen Zweck. Spätestens an der Tür wäre sie gescheitert, doch vermutlich hätten die Wachen des Meisters sie schon vorher geschnappt. Außerdem wäre danach alles nur noch schlimmer geworden. Deswegen, und wirklich allein deswegen, gehorchte sie. Je näher sie dem Fremden kam, desto mehr hatte sie das Gefühl ihre Kräfte nicht kontrollieren zu können. Kayla war sich bewusst, dass ihre Kräfte für ihr Alter nicht sonderlich gut ausgebildet waren. Aus diesem Grund fiel es ihr vergleichsweise leicht, ihr Feuer zu kontrollieren. Schon seit Jahren war es nicht mehr ungewünscht „ausgebrochen“. Aber auf einmal kostete es sie unglaubliche Kraft sich zu beherrschen. Es schmerzte förmlich. Immer noch lief sie mit erhobenen Haupt, jetzt durfte sie, weniger denn je, keine Schwäche zeigen. Doch Kayla konnte es nicht verhindern, etwas langsamer zu laufen.

„Alles gut bei dir?“ Wetten jetzt kann der auch noch Gedankenlesen?! Oder sieht man mir so an, dass es mir nicht gut geht? „Nein, alles bestens was sollte denn sein?“ „Nichts. Wenn alles gut ist, dann kannst du ja auch mal ein bisschen schneller machen, oder?“ „Natürlich.“ Aufrecht hetzte sie auf ihn zu, die Schmerzen wurden stärker, aber sie blieb aufrecht. Er hielt eine Tür auf, als sie an ihm vorbeilief, wurde sie fast ohnmächtig, doch sie zwang sich an ihm vorbei. Mit jedem Schritt, den sie sich entfernte, ging es ihr besser. Außer Atem schnappte sie nach Luft.

Wenden wir uns einmal ihm zu. Er hat sich in ihrer direkten Nähe auch unwohl gefühlt. Sein Magen hat sich zusammengezogen und ihm wurde ganz heiß. Er entspannte sich mit jedem Schritt, den sie sich entfernte wieder mehr. Er selbst war auch verwundert, noch nie hatte jemand allein mit seiner bloßen Anwesenheit ihn so geschwächt. Aus seiner Hosentasche kramte er einen Bund Schlüssel hervor und schloss mit einem von den vielen Schlüsseln eine Tür auf — sein Büro. Schnell ging er vor Kayla hinein und bat sie, ihm zu folgen. Mit sichtlichem Widerwillen tat sie wie verlangt.

Als die Tür zu war, setzte sich der Fremde auf seinen Stuhl hinter einem Schreibtisch, der vor Akten förmlich überquoll. Das Angebot auf dem Stuhl gegenüber Platz zu nehmen, lehnte Kayla ab. „Komm, setzt dich doch, dann können wir uns auf Augenhöhe un—“ „Was willst du von mir?“, fiel Kayla ihm ins Wort. Entweder, der rastet jetzt komplett aus, ich meine ich habe unaufgefordert geredet und ihn ja sogar unterbrochen oder der ignoriert mich. Ahhh, scheiße, was habe ich mir dabei gedacht. „Okay, lassen wir das Gerede, dann kann ich mir auch meine Höflichkeitsfloskeln sparen. Zu meinen Hobbys — wenn man das so bezeichnen kann — gehört es unter anderem, die Geschehnisse der Elementenwelt zu beobachten.“ Ein wehmütiger Ausdruck stahl sich in seine Augen. Ich dachte, wir reden nicht um den heißen Brei herum, was soll das?! „Dazu gehört eben auch die Einschulung auf eurer Schule. Dieses Jahr war es besonders … für mich. Aber egal, auf jeden Fall habe ich dich entdeckt. Ich weiß nicht, was es war, dass mich dazu gebracht hat, dich zu beobachten, aber es hat sich gelohnt. Deine Kräfte sind nicht so ausgebildet, wie die der anderen, aber trotzdem bist du stärker. Du verstehst es nicht, zugegebenermaßen ich auch nicht, doch es ist so. Dieser Punkt fasziniert mich sehr, musst du wissen. Okay, ich muss auch sagen, dass du mich sehr an mich selbst erinnerst. Naja, das ist ein anderer Punkt.“

Oooookay, ich habe echt alles erwartet, aber das?! Ich entführe dich total aufwändig, anstatt einfach kurzen Prozess mit dir zu machen wie mit allen anderen, und sage dir dann auch noch ins Gesicht, dass du schwächer bist und ich mit dir eigentlich noch schneller hätte fertig werden können. Ist klar, sicherlich.

 „Nochmal: was willst du von mir?“ „Ich möchte, dass du für mich arbeitest. Dich kann ich echt gebrauchen, jemand wie du hat mir gefehlt. Du könntest meine rechte Hand werden, hättest alle Möglichkeiten und würdest respektiert. Alle meine Leute würden dir gehorchen.“ „Nur, weil ich nicht so nett bin, denkst du gleich, dass ich dir dabei helfe, andere ihrer Kräfte zu berauben? Ernsthaft?“ Kayla war klar, dass es kein Zurück mehr gab nach diesen Worten, aber sie konnte nicht anders. Langsam ging sie auf ihn zu, er lächelte übertriebenerweise auch noch. Der Schmerz durchzuckte sie, aber das beachtete sie nicht. Ganz bedacht setzte sie sich vor ihm auf den Holzstuhl und lehnte sich vor. „Ach, ich bitte dich, mit einem Schnipsen sind meine Leute hier und bringen dich in den Kerker zurück.“ „Stimmt“, Kayla guckte betroffen, als wäre ihr gerade das Ausmaß der Situation bewusst geworden. „Du hast ja Recht, ich sollte …“, es knallte und Kaylas flache Hand landete auf der Wange ihres Gegenübers. „… dir genau zeigen, dass du mich niemals auf deine Seite bekommen wirst.“

Ihr Körper wusste vor ihr, was passierte, der Schmerz war etwas, das man zulassen musste, damit es wegging. Sobald diese Erkenntnis zu Kaylas Gehirn durchgesickert war, ließ sie sich darauf ein. Es half tatsächlich. Es war, als würde ihr ganzer Körper etwas loswerden, was nicht da sein sollte. Der ganze Schmerz trat aus ihr heraus, verließ ihren Körper. Also, wortwörtlich. Als erstes glühte ihre Haut nur, es tat aber nicht weh. Es war eher, als wäre genau das die ganze Zeit unter der Haut passiert. Dann wurde sie heller und heller bis sie komplett in Flammen stand. Mit einem Kraftschub verbreitete sich das Feuer wie eine Welle nach außen und verpuffte dort. Es hatte ihn deutlich erwischt, doch er lebte noch, hatte sich in Sicherheit bringen können.

Kaylas Gehirn lief auf Hochtouren. 1. Wie habe ich das gemacht? 2. Wie komme ich hier raus? 3. Kann ich das, wenn nötig, noch einmal? 4. Wie viel Zeit habe ich, bis er sich aufgerappelt hat und der Überraschungseffekt verpufft ist? 1: Keine Ahnung, ich sollte froh sein, dass es passiert ist, muss ich mich später drum kümmern. 2: Fenster gibt es nicht, ich muss zur Tür. Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, setzte sich ihr Körper, auf den Fluchtreflex vertrauend, in Bewegung. 3: Werde ich ja sehen, hoffen wir, dass es nicht nötig ist. 4: Nicht genug, wenn ich nichts tue. Sie rannte los, in die Richtung, aus der sie glaubte, nicht gekommen zu sein, zurück konnte sie ja auf gar keinen Fall. Da waren die ganzen Wachen. Vermutlich kamen sie schon auf sie zu. Blindlings bog sie mal nach rechts und mal nach links ab, es ging einfach nur darum, den Wachen auszuweichen. Völlig erschöpft verfiel sie in einen langsameren Schritt.

Nach Stunden des Fußmarsches, Kalya hatte sich nicht getraut anzuhalten aus Angst, dass man sie bekommen würde, wurden die Gänge kleiner. Es fiel Kayla eigentlich nicht auf, sie war schon so müde und ausgelaugt, dass sie das Gefühl hatte, keinen Schritt mehr gehen zu können. Erst als Kaylas Füße nass wurden und es bei jedem Schritt so ein ekeliges Geräusch machte, wie wenn man durch Schlamm läuft … Durch Schlamm läuft! Jetzt achtete Kayla auch auf die kleineren Gänge, die eine rundliche Form angenommen hatten, die nasseren Wände, an denen sie sich abstützte und auch die Tropfen, die mit einem Platsch in dem Abwasser landeten. Sie war in einer Kanalisation gelandet! Von einem auf den anderen Augenblick war Kayla hellwach. Sie legte den Kopf angestrengt in den Nacken und blickte nach oben, in der Hoffnung beim Laufen einen Gully zu entdecken. Vergebens.

Nach zehn weiteren Minuten hörte sie plötzlich Schritte. Panisch sah sie sich um, doch es gab keine Möglichkeit sich zu verstecken. Sie trat mit dem Fuß gegen die Wand, was es auch nicht besser machte. Dann stellte sie sich ganz leise hin, um das Geräusch wenigstens orten zu können. Es schien aus der Richtung zu kommen, aus der sie auch kam. So leise wie möglich ging sie weiter und war zum ersten Mal wirklich glücklich darüber, dass dort jeder Gang dem anderen glich und alles sehr verzweigt war. Man konnte sich nie sicher sein, ob man hier nicht doch schon einmal gewesen war. Eigentlich verfluchte Kaylas das, da sie das Gefühl hatte, nicht voran zu kommen. Doch vermutlich rette ihr genau das nun das Leben. So leise wie möglich setzte sie sich wieder in Bewegung. Rechts, links, rechts und wieder links. Die Schritte wurden trotzdem lauter und lauter. Ja, eine Kreuzung! Ganz, ganz leise bog sie rechts ab, da sie dort direkt noch eine weitere Abzweigung gesehen hatte. Schnell lief sie dorthin und bog links ab. Dem Gang folgte sie recht lange. Als sie hörte, wie die Schritte stoppten, atmete sie erleichtert auf. Vermutlich hatte ihr Verfolger die Kreuzung erreicht und nicht gesehen, wohin sie gegangen war. Ab da verlief ihr Weg verfolgerlos.

Am nächsten Morgen, sie hatte gar nicht gemerkt, wie sie eingeschlafen war, dachte sie als erstes an Essen. Wie lange war es her, dass sie etwas gegessen hatte? Alles tat ihr weh, ihr ganzer Körper war dreckig, ihre Haare trieften, Kayla wollte nicht daran denken, was das alles war, das da in ihren Haaren klebte/festhing. Ihre Hände waren wund von  all dem Abstützen an den rauen Wänden einer Kanalisation. An den Knien hatte sie Schrammen. Doch auch liegenzubleiben war keine Option, denn das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war noch einmal dahin gebracht zu werden, von wo sie geflohen war. Also richtete sich das Mädchen, sichtlich unter Schmerzen, auf und hinkte los.

Nach gut einer Stunde stieß ihr Fuß gegen etwas Hartes. Erst wollte sie drum herum gehen, bis ihr auffiel, dass es an der ganzen Wand entlang führte. Nach oben! Verwundert hob Kayla den Kopf und musste zweimal schauen, um zu erkennen, wo es hinführte. Zu einem Gully! Und das vor ihr war eine Leiter! Sofort begann sie den Aufstieg in der Hoffnung, der Gully wäre auf. „Ahh“, Kaylas Stimme klang kratzig und sie musste einige Male husten. „Verdammt!“ Verzweifelt ließ sie sich wieder auf den Boden sinken. Bis ihr eine Idee kam. Kayla stand auf und sammelte all ihre Kraft. Dann versuchte sie, ein Feuer zu erzeugen. Die ersten Versuche blieben erfolglos, bei dem vierten aber gelang es. Es wurde heller und heißer. Als es stark genug war schickte Kayla es nach oben, um das Eisen zu schmelzen, welches den Deckel befestigte. Erst passierte nichts, doch nach einer Weile tat sich etwas. Das Eisen schmolz tatsächlich. Kayla musste sich setzen, so erschöpft war sie. Aber trotzdem hielt sie das Feuer aufrecht, egal wie viel Kraft es sie kostete.

Es krachte, als der Gullydeckel neben ihr auf den Boden schlug. Kayla zog sich nach oben, ins Freie. Zum Glück was es Nacht, sodass keine Menschenseele dieses seltsame Geschehen beobachteten konnte. Kayla zog sich nach oben, schleifte sich über den Boden zu einer Bank, die sie entdeckt hatte, legte sich hin und schlief ein.

Eine neue Welt

Die ersten Strahlen der Sonne, kitzelten Kayla schon am frühen Morgen an der Nase. Sie stand auf. Naja... sie versuchte es. Ihre Muskeln schmerzten und sie hatte sich mehrere Rippen geprellt. Langsam kam sie in eine aufrechte Position, und ließ ihren Blick über die ihr so fremde Umgebung schweifen. Die ersten Strahlen der Sonne wurden immer mehr, ihr Licht zeigte Kayla Dinge, die das dunkle Kleid der Nacht ihr verborgen hatte.
Unter den Geruch des Taus auf dem Gras und dem alles überlagernden Gestank, der aus Blut, Schweiß und dem Dreck des Abwasserkanals, mischte sich jetzt auch der liebreizende Duft von frischem Gebäck. Als sie sich umdrehte entdeckte Kayla auch dessen Ursprung – eine Bäckerei am Ende der Straße. Der Bäcker öffnete gerade die Tür und stellte ein Schild herraus. Kayla lief das Wasser schon bei dem Gedanken an warmes Essen im Mund zusammen und sie versuchte aufzustehen. Was kläglich scheiterte. Ihre Waden beschwerten sich und ihre Rippen machten sich nicht weniger bemerklich. Frustriert nahm sie ihren Rucksack, welchen sie als Kopfkissen genutzt hatte, und suchte nach allem, was sich zum verbinden nutzen ließ.  Alles was sie fand war ein altes T-shirt vom Sportunterricht welches seit Wochen in ihrem Rucksack lag und eine Flasche Wasser. Kayla nahm das Shirt und riss es in mehrere Streifen, um diese als Verband zu nutzen. Auf das obere teil gab sie ein wenig Wasser und fing an ihre Wunden damit vorsichtig zu säubern, sodass sich nichts entzünden konnte. Dann verband sie ihre Wunden so gut es ging und mit dem Wissen das tatsächlich aus dem Unterricht für erste Hilfe hängengeblieben ist.
Sie stand auf und ging humpelnd die Straße dieser seltsamen neuen Welt entlang.

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