Polina Zubenko Künstlerin aus der Ukraine

Polina ist in Charkiw in der Ukraine geboren und aufgewachsen, einer Stadt, wo eine einzigartige Kunst-, Musik-, Theater- und Literaturszene auf ein paar Dutzend Unis, riesige Fabriken und hunderte von IT-Startups trifft. Mit 14 Jahren zog sie nach Deutschland, um eine Schule im Schwarzwald zu besuchen. Zur Zeit lebt Polina in München und steht kurz vor dem Ende ihres Jurastudiums mit Schwerpunkt auf dem Recht des geistigen Eigentums.

Während ihres Studiums arbeitete sie in einer Wohltätigkeitsstiftung, als Dolmetscherin, in den Rechtsabteilungen eines Raumfahrtunternehmens und eines Fernsehsenders. Jede freie Sekunde widmet sie der Musik und dem Schreiben. Beim Songwriting experimentiert sie viel mit ihrer Stimme und Gitarre, mit unterschiedlichen Stilrichtungen, und ist gerade dabei, sich selbst Musikproduktion beizubringen. Sie schreibt Gedichte und Kurzgeschichten, probiert sich aber auch gerne an längeren Erzählungen und anderen Kunstformen.

Polina hofft, in der Zukunft ihre Leidenschaft für Musik, Literatur und Kunst mit ihren Kenntnissen und praktischer Erfahrung aus dem juristischen Bereich in ihrer Arbeit auf eine kreative, innovative und nützliche Art verbinden zu können.

Das Interview mit Polina haben wir 2022 geführt.

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Was hat dich zur Kunst gebracht?

Ich glaube, das war schon immer ein Teil von mir, ein Nebeneffekt meiner Wissbegierde und leicht wilden Fantasie, meine Art, die Welt zu verarbeiten. So natürlich und selbstverständlich, dass es mir schwerfällt, meine „Bemühungen“ als "Kunst" zu bezeichnen. Nicht unbedingt, weil ich sie in irgendeiner Weise abwerte oder abtue, sondern eher, weil ich nur selten den Stift zu Papier bringe mit dem Ziel etwas zu schaffen. Es ist kein Ritual mit einer bestimmten Zeit oder einem bestimmten Ort (obwohl das sehr hilfreich ist), sondern eher eine Konstante in meinem Leben, auf Spaziergängen, in Zügen, in Museen, bei Konzerten und natürlich bei wichtigen Meetings. Meistens versuche ich mir nur etwas genauer anzusehen, von dem ich gerade einen Blickt erhascht habe.

Alles, was ich jemals gemacht habe, ist eine nähere Betrachtung und die totale Hingabe an ein Wort, eine Form, eine Melodie oder etwas, das ich gerade erlebt habe. Für mich verbirgt alles eine Geschichte, sogar Matheaufgaben, aber vor allem die Pirouetten fallender Blätter oder der ersten Schneeflocken und die anschwellenden Crescendos von Symphonien. Es gibt nichts Schöneres, als sich kopfüber in eine Geschichte zu stürzen.

Kurz gesagt, es ist für mich viel schwieriger, gar nichts zu machen, als einfach etwas zu machen.

Wie hat sich für dich die Möglichkeit ergeben, an Cornelias "Artists-in-Residence-Programm" teilzunehmen?

Eines Tages im Frühjahr 2022 winkte ich energisch meinen Freunden zu, die auf der gegenüberliegenden Seite des Odeonsplatzes in München standen, als wir bei der wöchentlichen Demonstration für den Frieden in der Ukraine waren. Als sie mich schließlich bemerkten, gingen sie auf mich zu und luden mich freundlich ein, an einem Literaturprojekt für kriegstraumatisierte Kinder in der Ukraine und auf der ganzen Welt teilzunehmen. Meine Freude und Aufregung kannte keine Grenzen, als ich erfuhr, dass eine meiner absoluten Lieblingsautorinnen und die entscheidende Inspiration für meinen Umzug nach Deutschland — Cornelia — sich bereit erklärt hatte, uns bei der Entwicklung eines soliden Konzepts für das Projekt zu helfen. Ich hatte das Glück, Teil der Gruppe zu sein, die zu einem Brainstorming nach Fraggina eingeladen wurde, und Cornelia lud mich großzügig ein, wiederzukommen und dort nach meiner eigenen Geschichte zu suchen.

Wie hat dir die Zeit auf Cornelias Hof in Volterra gefallen? Hast du dort Inspiration gefunden?

Es fühlt sich an, als hätte ich diese heißen, schönen Tage in Fraggina aus dem Leben eines glücklichen Fremden gestohlen. Mein Jahr bis dahin war ein buchstäblicher Albtraum der schlimmsten Art. Ich sah zu, wie meine tiefsten Ängste wahr wurden. Wie alle anderen um mich herum, war ich auf die praktischen Dinge fixiert, um das Wohlergehen meiner Familie zu sichern und so viel Hilfe wie möglich nach Hause zu schicken. Zeit oder Energie auf etwas zu „verschwenden“, das nicht unmittelbar einem dieser Zwecke diente, kam mir kriminell vor. Und ehrlich gesagt war ich davon überzeugt, dass der Funke meiner Kreativität für immer erloschen war.

Meine Woche in Fraggina war ein Traum, den ich nie zu träumen gewagt hätte. Ich war von der reinsten, unverfälschten Magie umgeben. Die atemberaubende Natur, die riesige Büchersammlung, die uralten und geheimnisvollen Straßen von Volterra, die faszinierende Kunst, die wunderbaren Menschen, die ich kennenlernte, die faszinierenden Gespräche und die unschätzbaren Ratschläge waren wie Balsam für meine leicht angeschlagene Seele und entfachten ein ganz neues Feuer in ihr. Plötzlich sang alles und in allem lebte für mich wieder eine Geschichte. Also ja, haufenweise Inspiration, die mir noch lange erhalten bleiben wird!

Was hast du von dort mit nach Hause genommen?

Ein paar Geschichten, die ich liebe, vor allem eine, der ich mich voll und ganz verschrieben habe und die mir den Schlaf raubt. Der berauschende Duft des Hochsommers, begleitet von dem fast ohrenbetäubenden Chor der Zikaden. So viele Farben und Lichtreflexe, die auch jetzt noch in meine Träume einsickern und mich oft besuchen, wenn ich meiner Fantasie freien Lauf lasse. Eine freudige Aufregung für alles, was als Nächstes kommt, und eine Liebe zu den Menschen und der Welt, die tiefer ist als je zuvor. Ein Vertrauen in meine Liebe zu dem, was ich tue, und die Einsicht, dass ich es um meiner selbst willen und zu meiner Erfüllung weiterhin tun muss. Und ein paar ziemlich lebensverändernde Lektionen, die ich mit mir herumtragen und aus denen ich für immer lernen werde. Alles in allem — nicht weniger als eine neue Lebensperspektive.