Allerletzte Tage Kriegstagebuch des Ovain Goro

Geschrieben von Moon

Vorwort

Hallo ihr Lieben, hier mal wieder eine Kurzgeschichte von mir. Es soll ein Ausschnitt aus einem Kriegstagebuch sein, wie es früher ja sehr oft gab. Ich habe offen gelassen in welcher Zeit oder um was für einen Krieg es sich handelt, denn das war für mich nicht der wichtigste Punkt. Für Lob oder Kritik bin ich dankbar! Eure Moon

29. Tag

Die Tage hier sind immer noch erfüllt mit Lärm und Gedränge. Mir kommt es vor wie ein letztes Aufbäumen, Wille und Stolz entziehen den Menschen hier ihre letzten Kräfte. Sie strömen herum, die Lungen voll mit Qualm und die Kehlen heiser geschrien. Der Feind kommt näher. Achtundzwanzig verdammte Tage ist er schon in der Nähe und belagert unser Lager. Nun zieht er langsam den Kreis enger. An der Südseite wurden die ersten Zelte in Brand gesteckt, der Stoff brennt leicht, zu leicht und widerstandslos. Unsere Krieger sind gezwungen in das nördliche Gebiet des Lagers zu kommen. Immer mehr Menschen drängen sich auf immer weniger werdenden Boden.

Der verschmutzte Fluss, der uns in den vorigen Wochen, Gott sei Dank noch mit Wasser versorgt hatte, ist nur noch bei Nacht zu erreichen. Viele haben bei dem Versuch schon ihr Leben gelassen. Wir haben den Kontakt zur Außenwelt verloren. Es gibt keine Möglichkeiten an Nahrung zu kommen oder von Außen Hilfe zu erbitten. Die wenigen Frauen und Kinder haben Angst, ich sehe es täglich in ihren Augen.

Der Feind hat nicht vor anzugreifen. Er hat Zeit. Fast stündlich wird er größer und mächtiger. Er baut sich drohend um uns herum auf. Wir wissen, dass wir uns bald nicht mehr wehren können.

30. Tag

Im Morgengrauen ist der Feind über den Fluss im Süden gekommen. Still und heimlich wie ein Schatten, wir haben es nicht bemerkt. Die Betroffenen mussten sich schließlich zurückziehen und dem Feind ein weiteres Stück unseres wertvollen Bodens geben. Die Zahl der Verletzten steigt. Schreckliche Wunden, geschwollen und eiternd, tragen manche mit sich herum. Auch das Zelt der Toten füllt sich immer mehr.

Der Tatendrang von gestern ist radikal gesunken. Nackte Panik lässt die Züge der Belagerten erstarren. Überall sind stöhnende oder schreiende Menschen und ein übelerregender Geruch verteilt sich unter uns. Die Hauptmänner scheinen die Kontrolle verloren zu haben. Nur wenige wollen der Wahrheit ins Auge blicken. Die schweren Füße aller Krieger versinken im Matsch der aufgeweichten Erde, trotzdem würden wir alles für einen weiteren Regen geben. Wir können nicht mehr zum Fluss um Wasser zu holen und die Vorräte an Verpflegungen sind alle. Jeder, ob Mann oder Knabe, wurden zu einer dünnen Mauer rund um das Lager aufgestellt, ein erbärmlicher Versuch alles noch etwas heraus zu zögern.    

Der Feind rückt unerbittlich näher. Schweigend, ohne Regungen zu zeigen. Wie eine Wand die einen langsam zu erdrücken scheint. Er will unsere Angst und Hoffnungslosigkeit, die sich wie eine Seuche ausbreitet, genießen.

31. Tag

Der Feind hat weit über die Hälfte unseres Lagers eingenommen und zerstört. Wir wurden noch enger zusammengedrängt, sitzen Seite an Seite in Matsch, Blut und Dreck. Viele der Menschen winden sich unter Verletzungen oder Verstümmlung vor Schmerz. Keiner kann ihnen mehr helfen.

Der Wasservorrat ist aus, etwas Essbares schon lange. Nur die Kräftigsten haben bis jetzt überlebt und von denen will keiner mehr leben, ohne etwas für das es sich zu leben lohnt. Alle Augen sind halb geschlossen, aus den Mündern kommen keine klaren Worte mehr. Etwas Lähmendes hat sich ausgebreitet. Wie ein dumpfes Netz liegt es auf den Gemütern der Menschen. Man weiß nicht mehr was sie fühlen, vielleicht Angst, Trauer oder Wut? Manchmal sieht man auch den Wahnsinn in ihren Augen blitzen.

Der Feind hat bekommen was er wollte. Wir haben aufgegeben. Wir können nicht mehr, es gibt keine Chance, keine Hoffnung. Ein grauer Himmel drückt von oben auf uns nieder, als wäre er der Feind selbst. Wir haben versagt.

Wir schaffen es nicht…

O.Goro

Zu dieser Geschichte gibt es 35 Kommentare

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Leopardenstern – 17. Mai 2021

Cool !!!

Brianna – 29. Januar 2021

Deine Geschichte ist richtig gut. Man merkt förmlich die Verzweiflung.

Kurt – 22. Dezember 2020

wirklich gut

Lisi – 18. Dezember 2020

Hallo ich finde deine Geschichte sehr schön und wünsche dir Frohe Weihnachten und ein Frohes neues Jahr und viel Gesundheit

Lena – 18. Dezember 2020

Wow... einfach nur WOW

Ainara – 5. Dezember 2020

Hallo Moon! Deine Geschichte ist super! Mir gefällt sie sehr. Schreib weiter so!

Moons Fan – 12. März 2020

WOW !!! einfach WOW!!! ich finds richtig toll

Feuertänzerin – 21. Dezember 2019

Tolle Story

Lieselotte – 21. September 2019

Toll geschrieben!

Minna – 11. April 2019

Mitgerissen... WOW ! Alles ist so gut beschrieben ... Es ist ein MEISTERWERK

Kathie – 5. März 2019

Wow! Das ist echt atemberaubend! Als hättest du das aus einem echten Kriegstagebuch abgeschrieben! Respekt

Tilda – 15. Februar 2019

Du bist ein richtiges Talent. Schreib weiter so!!!

Bücheremmi – 12. Februar 2019

Wow! Dieser Tagebucheintrag ist einfach unbeschreiblich! Er beschreibt wie schrecklich das Leben auf der anderen Seite ist, der Seite mit dem Krieg und der Armut. Deine Kurzgeschichte hat mich zum Nachdenken gebracht: Was wäre, wenn es uns genauso gehen würde? Oder was, wenn es niemandem auf unserer Erde so gehen würde? Ich lebe auf der Seite des guten Lebens aber was können wir tun damit die Leute auf der armen Seite auch etwas von unserem Leben abhaben können? Wenn jeder von uns etwas dazu beiträgt können wir alle ein wunderschönes Leben führen und unsere Erde wäre nicht in verschiedene Seiten geformt, wie ein Puzzle, das nicht aneinander passt. Viel Spaß beim weiteren Schreiben, denn ich glaube wir alle würden uns freuen mehr von dir zu lesen. Ganz liebe Grüße, deine Bücheremmi

Jada – 28. Dezember 2018

Atemberaubend- und irgendwie auch traurig, denn die Geschichte klingt so, als wäre sie so auch wirklich passiert.

Arya – 30. September 2018

Das ist einfach nur grandios.

Marlène – 22. Januar 2018

Echt beeindruckend

Mondpfote – 11. Januar 2018

Sehr gut geschrieben, Respekt! Du hast mir hier gute Anregungen für meine Geschichten gegeben. Solche guten Beschreibungen sind genau richtig! Liebe Grüße, Mondpfote

Till – 12. Juni 2017

Richtig spannend. Aber danach hat sich irgendwie auch eine Stille in meinem Kopf breitgemacht. Ich habe nachgedacht, wie einsam und schlimm, mutlos und schmerzvoll das gewesen sei müsste, wäre das echt geschehen. Aber zum Glück ist es das nicht, oder?

Lea – 21. April 2017

Richtig gut!!! Super

Fjalra – 6. Januar 2017

Ich kann nur wiederholen was die anderen schon geschrieben haben. Echt mega gut. Unglaublich.

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