Fuchs
Escrito por Moon
Prólogo
Es fing mit einer ganz kleinen Idee an. Ein Funke, könnte man sagen. Es sollte ein Aufsatz für die Schule werden und als ich einmal angefangen habe, konnte ich nicht mehr aufhören zu schreiben... Dies ist das erste Kapitel meines ganzen Buches. Ich hoffe es gefällt euch!
Kapitel 11
Ich spürte wie die Blicke der geretteten Menschen auf mir ruhten, während ich mich zu meiner Mutter durchkämpfte. Pure Erleichterung durchströmte mich als ich sah, dass es ihr, meinem Bruder und vielen anderen bekannten Gesichtern gut ging.
Mir kam es vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.
Immer mehr der Dorfbewohner kamen aus den Zelten heraus und weinten und lachten gleichzeitig.
Doch jemand fehlte. Wo war May? Ich konnte sie nirgends entdecken und auch keine ihrer Geschwister war zu sehen. Schreckliche Unruhe und Angst ergriff mich. Ich rannte zu einem der Zelteingänge. Meine Hände waren feucht. Ich schob den rauen Stoff zur Seite. Meine Augen brauchten eine Weile ehe sie sich an das Dämmerlicht im Inneren des Zeltes gewöhnt hatten.
Es war angenehm kühl, aber sehr staubig. Und dort, in einer dunklen Ecke saßen drei kleine Mädchen mit großen blauen Augen. Im Schoß der Ältesten lag Mays Kopf. Ihre Augen waren geschlossen. Ich stürzte auf sie zu und ließ mich auf die Knie sinken.
„May? May, bitte...“ Ihre schönen dunklen Harre waren zur Hälfte bis auf die Kopfhaut ab gekohlt und über ihrem Auge schälte sich die verbrannte Haut.
Beim Klang meiner Stimme öffnete sie die Augen einen Spalt und lächelte.
„Du bist wieder da.“, stellte sie mit ruhiger Stimme fest und richtete sich auf.
„Ja... Ja das bin ich!“ Ich stützte sie, während sie sich hinsetzte.
„May, was ist los? Was ist passiert?“ Eindringlich schaute ich sie an doch ihr Blick war ausdruckslos und ging in die Leere. Draußen grollte wieder ein lauter Donner. Sanft schüttelte ich May an den Schultern. Plötzlich fing sie an laut und trocken zu schluchzen. Mit heftig zuckendem Körper begann sie stockend zu sprechen:
„Meine Mutter, sie haben sie einfach... einfach dagelassen... da, in dem Feuer. Ich wollte zu ihr...“, jetzt sah May mich zum ersten Mal direkt an und schrie fast.
„Sie haben sie einfach verbrennen lassen! Sie war zu krank...“
Ich starrte sie an. Sprachlos. Ich hatte das Bedürfnis mich zu übergeben.
Ihre kleinen Schwestern fingen an zu weinen. Es musste furchtbar für sie sein, ihre große Schwester so zu sehen. May zitterte nun am ganzen Körper.
„Und... und Fee...“
„Fee geht es gut!“, unterbrach ich sie hastig. „Sie lebt!“ May stieß einen tiefen Atemzug aus.
„Gott sei Dank.“, flüsterte sie.
Ich spürte wie mir Tränen die verdreckten Wangen hinunter rannen.
„Komm jetzt mit raus. Alles wird gut.“, sagte ich lahm. „Komm! Keine Angst.“
Die Arme fest um ihre Taille geschlungen, schaffte ich es sie mit nach draußen zu nehmen.
Mir war schlecht. Am liebsten würde ich mich in dem Dreck zusammenrollen und die Hände auf meinen Bauch pressen. Das war schlimmer als jeder Schlag. Der Triumph von vorhin war spurlos verschwunden. May hatte schon immer sehr an ihrer Mutter gehangen. Auch wenn diese ihr nur noch mehr Arbeit einbrachte, sie hatte sie geliebt. May ließ sich mit zitternden Beinen wieder auf den Boden sinken. Meine Mutter kam und flößte ihr ein wenig Wasser ein.
Ich richtete mich auf.
Ein heftiger Wind wirbelte den trockenen Staub von dem heißen rissigen Boden auf, die Luft war schwül und der Geruch von feuchter Erde stieg mir in die Nase.
Ich wurde abgelenkt als mein Blick auf die alte, geheimnisvolle Frau viel. Sie stand etwas abseits und schaute zu den Wolfskriegern und Luis Cantar. Das graue Haar umspielte ihr runzeliges Gesicht. Als ich vor sie trat und ihre Hand fest in meine Hände nahm, richtete sie die Augen auf mich. Ihre Augen waren grün. Olivgrün, wie meine.
Ich nahm das kleine Messer, reichte es ihr und senkte den Kopf.
„Wie kann ich ihnen jemals danken?“, fragte ich leise.
Sie lächelte.
„Du hast mir gedankt, indem du mich und die anderen Menschen gerettet hast, Shaliea.“
„Wo kommen sie her? Woher wussten sie vom Berg der Wölfe?“ Die Fragen sprudelten nur so aus mir heraus.
„Ich komme selbst von dort. Von den Wölfen. Seit dem Tod deines Vaters habe ich die Jahre bei Luis Cantar und seinen Leuten verbracht. Ausgerechnet, - oder vielleicht Gott sei Dank - den Tag, an dem Mart überfallen wurde, habe ich mir ausgesucht um endlich meine Enkeltochter zu besuchen.“ Sie stockte kurz und schmunzelte. „Ich sah meine Enkelin dann nur kurz, aber ich wusste sofort dass sie mutig und hoffnungsvoll genug war, um das zu tun was jemand tun musste. Nämlich Hilfe holen. Ich bin Lucy Sanie, deine Großmutter. Und ich bin unendlich stolz auf dich!“
Ich konnte mir nicht erklären, warum ich nicht überrascht war. Warum ich sie nicht fassungslos anstarrte. Das einzige Gefühl das sich in mir ausbreitete war Erleichterung. Und Wärme.
Meine Großmutter. Daher also diese unerklärliche Vertrautheit und dieses Gefühl der Verbundenheit, vom ersten Augenblick an. Alles fügte sich zusammen. Und darüber war ich erleichtert. Ich hatte keine Kraft mehr zum Denken. Keine Geduld mehr, um mir über mysteriöse Rätsel den Kopf zu zerbrechen. Nicht einmal mehr Tränen kamen, so erschöpft war ich.
Lucy Sanie drehte das kleine Messer liebevoll in den Händen. Dann legte sie es mir wieder in meine Hände.
„Ich brauche es jetzt nicht mehr“, sagte sie. „Bewahre es gut.“
Luis trat zu uns, neben ihm lief Gwen. Ich schaute zu dem großen Mann auf.
„Wir sind ihnen zu unendlichem Dank verpflichtet. Ich weiß nicht, wo wir jetzt wären, wenn sie und ihre Krieger uns nicht geholfen hätten.“
Doch Luis Cantar lächelte nur.
„Du und Gwen, ihr habt eure Sache sehr gut gemacht. Die Bewohner von Mart verdanken euch ihre Freiheit.“, sagte er ruhig. „Ich bin glücklich darüber euch helfen zu dürfen. Ihr seid bei uns in den Bergen jederzeit willkommen!“ Er verbeugte sich leicht und ging mit schweren Schritten davon. Mir entging nicht, wie sich vorher seine Augen mit denen meiner Großmutter trafen. Diese sagte nichts, drückte noch einmal meine Hand und gesellte sich zu den anderen Dorfbewohnern.
Eine Weile sahen Gwen und ich uns einfach nur an. Mir gingen all die Erlebnisse der letzten Tage noch einmal durch den Kopf, ich merkte wie froh ich war, dass ich ihn die ganze Zeit an meiner Seite hatte.
Jetzt legte er die Arme um meine Schultern, zog mich an sich. Ich schmiegte meine Wange an seine Brust und genoss das Gefühl der Erleichterung. Mein Bauch, der sich so oft vor Sorge und Angst verkrampft hatte, entspannte sich und ich schloss meine müden Augen. Wir wussten beide, dass auch jetzt noch eine anstrengende Zeit kommen würde. Keiner der Dorfbewohner hatte Mart aufgegeben. Die Menschen wollten zurück in ihre Heimat, dass hatte ich in ihren Augen gesehen. Wir werden mit ihnen wieder in unser zerstörtes Dorf ziehen, die Häuser neu aufbauen, die Verletzten pflegen. Das Bild von May tauchte vor meinem inneren Auge auf,
wie sie mit leerem Blick in den Himmel starrte. Auch um sie werden wir uns kümmern müssen.
Und dann?
Vielleicht gelingt es mir und Gwen wieder zum Alltag übergehen. Wir werden jagen, fischen und unsere Familien versorgen. Wie früher. Werden wir später in die Berge zu den Wölfen ziehen und ihnen helfen den König zu vernichten?
Aber ganz sicher, werden wir das Meer besuchen.
Nach einem weiteren heftigen Donnergrollen ergoss sich ein warmer Regen über uns und das ausgetrocknete Land.
ENDE
Kapitel 1
Wie eine Horde grauer Geister stieg der Rauch aus den kleinen Schornsteinen der Häuser.
Er verlor sich bald in der klaren, viel zu warmen Sommerluft. Die tiefschwarzen Krähen zogen unter dem blauen Himmel aufgeregt krächzend ihre Kreise.
Heute waren alle Menschen damit beschäftigt, ihre besten Suppen zu kochen, damit zu preisen, wie zart das Fleisch ihrer erlegten Tiere war oder seltsam aussehende Cremes in Schalen auf den wackeligen Holztischen aufzustellen. Es war Markttag. Von hier oben konnte ich das rege Treiben schon seit den frühen Morgenstunden beobachten.
Nach einer schlaflosen Nacht hatte ich mich im Morgengrauen in den Wald gestohlen. Mich von der Ruhe und dem Frieden verschlucken lassen und sogar drei kleine, runde Vögel geschossen. Nun stand ich da, auf einem grasbewachsenen Hügel und schaute hinab auf das märchenhafte Dorf. Am liebsten würde ich hier oben bleiben und den Tag einfach in Ruhe verstreichen lassen, aber meine Mutter brauchte mich. Also trabte ich die verschlungenen Trampelpfade entlang hinunter in unser Dorf.
Das Dorf in dem ich lebe, heißt Mart. Mart ist sehr abgelegen von anderen Dörfern und von zahlreichen wunderschönen tiefen Wäldern und Bergen umgeben. Es ist ein kleines, graues und armseliges Dorf, aber es wird von all seinen Bewohnern geliebt und gepflegt. Ich lief über die erdig braunen Wege. Dort, wo ich meine Füße aufsetzte, wirbelten kleine Staubwölkchen empor. Die Bäume rauschten und eine warme Briese trockene Luft fegte mir durchs Haar. Alles roch vertraut nach Staub und Vieh. Die kleinen Kinder sprangen zwischen den Karren hindurch und verschmutzten ihre ordentlichen Kleider wieder im Dreck. Die größeren Jungen und Mädchen standen in Gruppen herum und alberten ausgelassen.
Als ich zu dem Häuschen meiner Mutter und meines kleinen Bruders kam, waren die beiden schon dabei alle nur erdenklichen Pflanzen – und Moosarten in große, grobe Bastkörbe zu stecken. Meine Mutter war eine dieser „Kräuterhexen“, wie die Menschen sie hier nannten.
Sie konnte mit ein paar Wurzeln oder trockenen Blüten Krankheiten heilen und Wunden pflegen. Ich hatte mich dafür nie besonders interessiert. Als mein Vater noch lebte, hatte er mich immer mit in den Wald genommen, er hatte mir Klettern beigebracht oder das Schießen mit Pfeil und Bogen. Doch das war nun schon so lange her.
„Fuchs, komm! Du musst uns helfen!“ Mutter winkte mich zu sich und riss mich aus meinen Gedanken. Wie ich zu dem Namen „Fuchs“ gekommen bin, weiß ich nicht. Vielleicht wegen meinen roten Haaren oder der spitzen Nase, aber so genau wusste das niemand.
Mein eigentlicher Name ist Shaliea, doch kaum einer nennt mich so. Schon als kleines Mädchen war ich immer nur Fuchs.
Schnell rannte ich in unser kleines Haus. Ich war nun schon so groß, dass ich an der Tür meinen Kopf einziehen musste, um mich nicht zu stoßen. In der kleinen dämmrigen Küche war es stickig, der feine Staub stand schwer in der Luft. Ich schnappte mir einen Brotkanten und eine kleine Ledertasche zum umhängen.
In großen Zügen trank ich das warm gewordene Wasser aus einem Tonkrug. Die Hitze machte uns allen zu schaffen. Monate lang hatte es schon nicht mehr geregnet und das sonst so saftig grüne Land hatte sich in eine flimmernde Dürre verwandelt. Nur in meinem Wald war es noch schattig und erfrischend kühl. Mit dem Verlangen kämpfend einfach wieder zu verschwinden, trat ich hinaus ins Sonnenlicht, um meiner Mutter beim Bepacken ihrer Körbe zu helfen. Zu dritt machten wir uns dann durch das belebte Dorf auf den Weg zum Marktplatz.
Die aufgeregten Rufe kamen wie aus dem Nichts. Unruhe gab es bei uns sehr selten, deswegen blickten sofort die Meisten neugierig von ihrer Arbeit auf. Manche schüttelten nur ärgerlich die Köpfe. Weitere Schreie von Kindern und Frauen folgten. Diesmal klangen sie panisch.
Ich warf den Korb mit Pflanzen zur Seite und umklammerte den harten Griff meines Messers und rannte mit großen Sprüngen los. Als ich um eine Hausecke bog, sah ich eine große Staubwolke. Die Männer die auf dem Platz eben noch gescherzt und gelacht hatten waren mit Messern, Mistgabeln oder anderen Werkzeugen bewaffnet, doch sie sahen verängstigt aus und hatten sich zu einer Meute zusammengestellt. Mit weit aufgerissenen Augen schaute ich hektisch hin und her.
Jemand rief meinen Namen:
„Fuchs!“. Ich schaute zur Seite und erblickte Gwen, einen großen Jungen mit dunklen Haaren. Die Schweißperlen auf seiner Stirn und die Rußbefleckte Kleidung zeigte, dass er gerade erst aus der Werkstatt seines Vaters kam. Fünfzehn Jahre waren wir zusammen aufgewachsen.
Wie Geschwister.
Ich rannte zu ihm, seine Augen war so schreckgeweitet, wie ich es noch nie gesehen hatte. Entsetzt starrten wir in die immer größer werdende Staubwolke. Als Erstes sahen wir nur einen Pferdekopf, dann kamen Beine zum Vorschein und schließlich stand vor uns ein ganzer Reiter mit Helm und Brustpanzer. Hinter ihm erschienen immer mehr bewaffnete Reiter, alle dasselbe Zeichen auf der Brust, einen feuerroten Adler.
Ich merkte, wie meine Knie weich wurden und schloss kurz die Augen. Mein Gehirn weigerte sich zu arbeiten, weigerte sich zu glauben was es sah.
Gwen drückte meinen Arm. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich direkt in die schwarzen Augen eines Pferdes. Sie standen jetzt in der Mitte des Dorfplatzes und schauten auf die sich verängstigt an die Hauswände pressenden Menschen. Es waren Abgesandte des Königs, Krieger, die gekommen waren, um die Dorfbewohner zu unterdrücken und das Dorf und alles Eigentum zu übernehmen.
Kapitel 2
Ich konnte mich nicht bewegen. Wie im Trance ließ ich mich von den Männern zurück drängen. Erst als Gwen von mir weg gezerrt wurde, kam wieder Leben in mich. Ich schrie, brüllte wie ein Löwe, versuchte mich zu wehren, aber gnadenlos wurden wir weiter getrieben. Gwen schlug mit Händen und Füßen um sich. In seinen Augen brannte ein Feuer. Doch es war aussichtslos.
Ein paar Hände packten mich, nahmen mir mein Messer und stießen mich in einen der leeren Ställe, zusammen mit drei Dutzend verzweifelt schluchzenden anderen Frauen und Mädchen.
Ich schlug gegen die Tür, versuchte sie einzurammen, aber für unsere Tiere hatten wir sie sehr widerstandsfähig gebaut. Meine Augen suchten einen kleinen Spalt, als sie einen fanden, wich ich erschrocken zurück.
Heiße Tränen rannen mir über die staubigen Wangen. Das Stroh stach mir in den Rücken als ich niedersank und mir verzweifelt die Ohren zu hielt, um die Geräusche von draußen nicht hören zu müssen.
Ich wusste nicht, wie lange ich so da lag. Vielleicht nur ein paar Minuten, aber es kam mir vor wie Stunden. Draußen war ein wenig Ruhe eingekehrt, nur manchmal hörte man noch jemanden Rufen, das ängstliche Weinen eines kleinen Kindes oder ein nervös schnaubendes Tier. Immer wieder wehte das Lachen der Krieger zu uns. Diese aßen, soffen und fühlten sich anscheinend wie zu hause. Sie freuten sich, dass alles so reibungslos geschah. So waren sie es gewohnt, alle ergaben sich ihnen protestlos. Sie hatten die Macht. Das konnten sie später stolz ihrem König berichten.
Auch hier im Stall war es still, nur das Stroh und Heu knisterte wenn sich jemand bewegte.
Alle Mädchen und Frauen waren in einer seltsamen Starre versunken. Ich biss die Zähne zusammen und stand auf. Langsam lief ich zu der kleinen Luke und streckte mich um hinaus zu sehen. Es war sehr wüst, wo man auch hinsah, lagen Körbe, zerbrochene Krüge und umgeschmissene Tische auf dem Boden und in der Luft stand viel mehr Staub als je zuvor.
Die Krieger des Königs waren überall. Sie liefen in die Häuser raus und wieder rein oder bewachten Ställe und andere Gebäude. Ich wusste in einem der Häuser waren Gwen, meine Mutter und mein kleiner Bruder eingesperrt, wenn ich nur wüsste wo...
Jemand berührte meine Schulter, ich zuckte zusammen und fuhr herum. Ich ließ die Schultern sinken und blickte in die großen blauen Augen meiner Freundin May. Ihre langen braunen Haare waren voller Stroh und ihre Kleider schmutzig, aber sie war wohlauf. Wir umarmten uns.
Sie duftete nach Blumen. Ein tröstlicher Geruch.
„Alles wird gut!“, flüsterte ich ihr ins Ohr, aber wir wussten beide, dass das leere Worte waren.
Niemand wusste, was man mit uns vorhatte. Ich wollte es nicht abwarten. Der Stall war nicht sonderlich dicht, und doch würde es schwer werden unbemerkt raus zu kommen. Doch ich musste etwas tun. Sonst würde ich auch so erstarrt wie die anderen werden oder verrückt. Vorsichtig ging ich an den Wänden entlang und untersuchte sie nach einer Schwachstelle. Schließlich fand ich eine, unten am Boden war ein Brett in der Wand zersplittert. Hier könnte ich auf dem Bauch hinaus kriechen. Die anderen Frauen beobachteten mich argwöhnisch, May schüttelte leicht den Kopf:
„Sie werden dich umbringen, Fuchs“. Ich stöhnte. Der Hunger nagte im Magen und vom Durst hatte ich einen ganz trockenen Hals. Aber ich musste bis zum Abend warten, sonst war es hoffnungslos unbemerkt zu bleiben. Den Rest des Tages verbrachte ich damit von den Luken aus das Geschehen draußen zu beobachten. Ich sah Gwen, er wurde von einem Haus in das andere geschleppt. Auch er war zerzaust und verdreckt aber unverletzt. Wenigstens wusste ich jetzt wo er war. Es wurde Abend und die Tür wurde knarrend geöffnet. Ein von zwei Männern flankierter Krieger trat mit einem Korb trockenem Brot herein. Alle blieben sitzen und sahen die Männer nur mit starren und verächtlichen Blicken an. Ohne ein Wort stellte er den Korb auf den Boden und verschwand wieder. Wie als würde er Schweine füttern, dachte ich bitter und wendete mich ab.
Als alles ruhig war trat ich zu der Lücke am Boden. Ich grub in der Erde und zerrte an dem groben Holz. Tausende Splitter bohrten sich in meine Hand. Doch ich war sehr zufrieden, hier würde ich raus kommen. Noch einmal drehte ich mich um, es tat weh alle hier zu lassen aber sie mitzunehmen ging auf keinen Fall. Ich sah May an. Sie hatte ein kleines schlafendes Kind im Arm.
„Komm mit!“, flüsterte ich leise.
Sie hatte Tränen in den Augen und ihre Stimme klang rau.
„Ich kann nicht.“ Ich verstand sie. Sie hatte vier kleine Geschwister und ihre Mutter war schwer krank.
„Ich hole Hilfe! Versprochen.“, sagte ich leise und drehte mich um, jetzt wollte ich nur noch weg von hier. Eine Hand hielt mich am Arm fest und drückte mir einen festen Gegenstand in die Hand. Ein kleines Taschenmesser. Es war eine Frau. Ihr Gesicht war runzelig aber ihre Augen leuchteten lebendig und der schmale Mund verzog sich zu einem freundlichen Lächeln. Ziemlich verwirrt starrte ich sie an. Ich hatte sie noch nie gesehen und trotzdem ich von ihrem Lächeln mit innerer Wärme und Zuversicht durchströmt.
Langsam wendete ich mich wieder meinem Fluchtweg zu und legte mich flach auf den Boden. Angst schnürte mir nun die Kehle zu und erstickte die Tränen. Mir war als würde ich mich in Schlachtpferch begeben. Stück für Stück, zuerst die Arme, dann den Kopf, schob ich mich hinaus ins Freie. Meine Beine waren immer noch im Stall, ich schaute mich schnell um und vergewisserte mich, das alles frei war, bevor ich vollends hervor kroch. Die Luft war dick und roch stechend nach Feuer. Sofort musste ich ein Niesen unterdrücken.
In der Hocke an die Wand gepresst bewegte ich mich vorsichtig vorwärts. Ab jetzt zählte jede Bewegung. Ein falscher Schritt und alles wäre aus. Ich schaute um die Ecke und fuhr schnell zurück. Ungefähr drei Schritte von mir entfernt stand einer der Krieger mit dem Rücken zu mir.
Es war zu riskant das Haus, indem Gwen eingesperrt war zu erreichen, denn dazu müsste ich hinter dem Mann über freies Feld rennen. Ein Stein vom Boden bohrte sich in mein Knie aber ich wagte nicht mich zu bewegen.
Hoch über mir kreiste ein großer Adler und unwillkürlich fühlte ich mich beobachtet.
Der Himmel hatte sich von der untergehenden Sonne in ein zartes orange getaucht. Bald würde es dunkel werden. Ich hatte Glück. Jemand rief und der Krieger ging seufzend davon.
Jetzt oder nie.
So schnell es in geduckter Haltung ging, rannte ich auf das nächste Gebäude zu. Hier war niemand und ich konnte von Hauswand zu Hauswand weiter laufen bis zu dem kleinem Haus wo Gwen war. Dies war ein richtiges aus Lehm gebautes Haus und kein Stall. Die Wände waren stabiler und es gab größere, dünn verglaste Fenster. Am vorderen Eingang standen zwei der Krieger und hinten vor einer mit einem dicken Schloss verriegelten Tür ein weiterer. Vorne die zwei würden kein Problem sein aber von dem hinten würde ich bemerkt werden.
Ich lies meinen Blick m mich herum schweifen und betrachtete die Umgebung. Rechts von mir war die Hauswand und links ein von vielen Büschen bewachsener Abhang. Mein Blick fiel auf den Mann vor der Tür, er war groß hatte blondes ungepflegtes Haar, kantige Gesichtszüge und wirkte extrem gelangweilt.
Ich hob eine Hand voll rötlich graue Steine vom Boden auf und warf sie den Abhang hinab in die Büsche. Es raschelte, wie erwartet machte der Mann sich sofort auf den Weg dem Ereignis auf den Grund zu gehen. Schnell schlich ich weiter. Die dünne, schmutzige Scheibe des kleinen Fensters war zerbrochen. Ich zögerte kurz, dann gab ich mir einen Ruck und schaute hinein.
Ich blinzelte, drinnen war es sehr düster, die Luft war fast greifbar dick.
Eine wunderschöne Uhr hing an der Wand mir gegenüber und tickte unaufhörlich. Kurz dachte ich darüber nach wessen Haus es war, aber in der Aufregung konnte ich mich nicht erinnern. An einem großen massiven Holztisch saß Gwen den Kopf gesenkt und die Hände im Nacken verschränkt. Er war allein.
„Gwen!“, ich flüsterte so leise wie ich konnte.
Seine Füße machten kein einziges Geräusch als er auf mich zugestürzt kam.
„Fuchs...“ Er war fast gar überrascht, fast so als hätte er mich erwartet. Vielleicht kannte er mich doch besser als ich dachte. Mir blieb nicht lange Zeit mich darüber Gedanken zu machen.
Ich hatte Angst, der fortgelockte Krieger könnte jeden Moment wieder auftauchen.
Vorsichtig brach ich einige Glassplitter aus dem Rahmen.
„Komm schnell“, drängte ich Gwen.
Er nickte, verschwand aber noch einmal im Inneren des Hauses und kam mit einer Flasche, in die wir immer Milch abfüllten, zurück. Er reichte sie mir nach draußen und ich merkte dass sie gefüllt war. Schnell, mit zitternden Fingern packte ich sie in meine Tasche und linste nervös über meine Schulter.
Neben mir schwang sich Gwen geschickt aus dem Fenster, für einen kurzen Augenblick lauschten wir reglos.
„Komm!“, raunte Gwen und wir schoben uns langsam in Richtung Waldrand, der wie ein riesiger, dunkler Schatten in den, nun schon violetten Himmel ragte.
Kapitel 10
Wir wussten in welche Richtung wir reiten mussten. Ein Botschafter von Luis war gekommen und hatte berichtet, er habe die Krieger von Weitem gesehen, wie sie sich nach Süd-Osten in Richtung des „großen Flusses“ bewegten. Leider konnte er keine genaueren Dinge erzählen,
da es eine weite, flache Fläche war und er sich dem Heer nicht nähern konnte. Der „große Fluss“ war, wie der Name schon sagte, der größte Fluss im ganzen Land. Manche nannten ihn auch den „Grenzfluss“, da er als Grenze zwischen dem einheitlichen Königslande und dem freiem Land mit den einzelnen, noch gegen den König rebellierenden Dörfern floss. Der Fluss hatte eine so reißende Strömung, dass es lebensgefährlich wäre ihn zu überqueren. Die wenigen Brücken, die es gab wurden von den Männern des Königs stark bewacht. Wir sollten die Truppe also möglichst, bevor sie den Fluss erreichen, einholen.
Die Landschaft war noch sehr uneben. Mal bergauf, mal bergab, viele Bäume, Hügel und Täler. Während dies alles an mir vorbeizog, versuchte ich an nichts zu denken. Ich redete mit niemand, wartete einfach ab. Andauernd kamen Späher zurück und Luis schickte neue los. Alle Späher berichteten das Gleiche; die Königskrieger kamen mit den Dorfbewohnern immer näher an den großen Fluss.
Der Himmel hatte sich in den letzten Stunden deutlich verfärbt. Vor die heiße und blendende Sonne hatten sich wie aus dem Nichts schwere graue Wolken geschoben. Das war sehr erholend, aber trotzdem unheimlich. Wir sind fast drei Stunden geritten, als Luis Cantar in einem Tal voller rotem, sandigem Gestein eine Pause ankündigte und Gwen und mich zu sich rief. Als wir bei ihm waren, bot er uns in aller Ruhe ein Stück getrocknetes Fleisch an. Ich schaute ihn missmutig an und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, das Warten gefiel mir überhaupt nicht. Fee kaute hochkonzentriert auf ihrem Stück Fleisch herum, meine Hand lies sie aber nicht los.
„Warum machen wir ausgerechnet hier eine Pause?“ Gwen fragte genau das, was mir auch gerade auf der Zunge lag. Luis blickte nach oben zum Rand des Tales.
„Wenn du dort hinauf gehst, kannst du den Rauch von Lagerfeuern sehen.“, sagte er.
Gwen und ich schauten ihn erstaunt an.
„Ja“, fuhr er fort. „Auf der anderen Seite befindet sich eine flache, karge Landschaft.
Trocken und kahl ist dort alles. Wir nennen es das „Zwischenland“, wenn man dies durchquert hat, ist es nicht mehr weit bis zum großen Fluss. Und in diesem „Zwischenland“ haben die Königskrieger ihr Nachtlager aufgebaut.“
„Das ist ja wunderbar!“, rief Gwen.
„Stimmt. Aber da es Flachland ist, wird man uns schon von weitem sehen können. Ich glaube jedoch nicht, dass sie damit rechnen, dass man sie im Morgengrauen überraschen wird.“
„Im Morgengrauen erst?“, fragte ich enttäuscht.
„Du bist ungeduldig. Aber wir wollen keine Fehler machen."
„Ihr habt recht“, sagte ich leise.
Der Rest des Tages verging quälend langsam. Irgendwann als es anfing zu dämmern, schlief die kleine Fee erschöpft ein. Viele in unserem Lager hatten sich nieder gelegt, aßen oder unterhielten sich gedämpft.
Gwen schlug vor auf eine kleine Erkundungstour zu gehen. Ich wusste, dass es sehr leichtsinnig war, aber da ich diese Nacht wahrscheinlich eh kein Auge zu gemacht hätte, willigte ich ein.
Ich steckte mir nur ein langes gebogenes Messer an den Gürtel, Pfeil und Bogen wären zu umständlich. Ohne Luis Bescheid zu sagen, stiegen wir den Berg hinauf und ließen das schützende Dorf hinter uns. Uns trieb es so nah wie möglich an das Lager der Krieger heran, aber es war fast unmöglich. Nur selten gab es ein paar niedrige Steine oder Büsche hinter denen wir uns verstecken konnten. Es war anstrengend und erschöpfend die ganze Zeit geduckt herum zu schleichen. Schließlich ging es gar nicht mehr. Es war eben, wie Luis schon sagte, ein karges Flachland. Die Königskrieger hatten ihren Platz gezielt gewählt, kein einziger Baum stand in der Nähe, nicht die kleinste Erhebung war vorhanden. Sie würden jeden sehen, der versucht sich ihnen zu nähern.
„Wir sollten umkehren, das hat keinen Sinn.“, raunte Gwen leise.
Niedergeschlagen zogen wir uns zurück und versuchten im Lager eine Runde zu schlafen.
Tatsächlich muss ich ein wenig geschlafen haben, jemand rüttelte mich sanft an der Schulter.
Ich erblickte Gwens Gesicht im Schein der Lampe, die er in der Hand hielt. Fee schlief noch immer ruhig und friedlich.
Leise schlich ich gebückt aus dem kleinen Zelt heraus. Draußen war es noch stockfinster, nur im Schein der schwachen Lampe sah man etwas. Die Luft schmeckte kalt und klamm.
Pferde wurden fertig gemacht, Waffen eingesteckt und noch schnell ein wenig Brot oder Fleisch hinunter geschlungen. Zitternd schlang ich die Arme um meine Schultern, es war bitterkalt. Gwen und ich gingen zu Luis, der gerade halblaut einige Befehle gab.
„Fuchs, Gwen, hört zu!“, sagte er als wir zu ihm trafen. „Jeder von euch wird eine Gruppe meiner Leute anführen. Gwen, du reitest nach Osten und reitest in einem großen Bogen an das Königslager heran.“ Luis warf einen Blick auf einen Bronzefarbenen schweren Kompass in seiner Hand und deutete nach Osten. „Und Fuchs, du reitest genau in die entgegengesetzte Richtung nach Westen. Ich komme von vorne. Wenn alles gut läuft haben wir sie umzingelt bevor sie überhaupt merken, was geschehen ist. Es dürfte auch nicht mehr lange dauern bis meine restlichen Männer zu Fuß nachgekommen sind. Habt ihr mich verstanden?“
Wir nickten schnell. Es hatte schon angefangen zu dämmern, es gab keine Zeit zu verlieren.
Ich schwang mich auf den Rücken meiner Stute, dieses Mal war es mir schon fast vertraut. Fünfzehn der Wolfskrieger hatten sich hinter mir versammelt, es war ein ungewohntes Gefühl, dass sie mich so erwartungsvoll anstarrten. Ich schaute nach oben in die neblige Suppe am Himmel. Normaler Weise sah man um diese Zeit eine glühend orangene Sonne am Horizont aufsteigen, aber die Wolken von gestern waren, passend zu unserer Stimmung, nur noch dichter geworden. Es grollte bedrohlich.
Ich gab den Männern hinter mir ein Zeichen und wir ritten nach Westen den Abhang hinauf aus dem Tal raus. Gwen ritt mit seiner Truppe genau in die entgegengesetzte Richtung los.
Wir trabten einen großen Bogen, bis ich mir sicher war, dass wir uns auch wirklich westlich von dem Lager der Krieger befanden. Wir warteten hinter den letzten Zweigen und Steinen. Nur ein paar Meter noch und man würde uns sehen. Unsere Angespanntheit übertrug sich auch auf die Pferde, die nervös hin und her tänzelten. Mir war, als spürte ich wie auch Gwen, genau auf der anderen Seite, ungeduldig auf Luis Cantars Zeichen wartete.
Und dann kam er. Luis ritt an der Spitze und hinter ihm die restlichen der Männer.
Sie galoppierten an und verteilten sich zu einer breiten Linie. Ich winkte den Leuten hinter mir zu und wir setzten uns in Bewegung. Mir gegenüber kam auch Gwen, mit seinen weit verteilten Männern zum Vorschein. Augenblicklich schlug man im Lager Alarm. Wir hatten sie umzingelt, doch die Königskrieger waren in der Überzahl. Das wollten sie nun ausnutzen. Sie sprangen hastig auf, einige schwangen sich sofort auf ihre Pferde. Wir sahen wie sie ihre gefährlichen Waffen schwenkten, doch das schreckte uns nicht ab. Luis, Gwen und ich, verteilten unsere Männer noch mehr so dass der Kreis um das feindliche Lager geschlossen war.
Unerbittlich rückten wir näher und näher.
Die Königskrieger wirkten etwas unentschlossen. Je näher wir kamen, desto besser wären wir für ihre Pfeile und Speere zu erreichen, aber sie durften uns auch nicht zu nah heran kommen lassen. Sie nahmen sich sogar noch die Zeit, sich zu beraten. Dann, ganz plötzlich, kamen sie auf uns zu - drehten wieder ab. Wieder wurde sich beraten. Gerade als wir ihr Zögern nutzen wollten, kamen sie wieder. In kleinen Gruppen versuchten sie unseren Kreis an verschiedenen Stellen zu durchbrechen. Ich hörte die lauten Rufe und das Wiehern der Pferde und sah wie die Krieger sofort brutal aufeinander losgingen. Gwen und Luis versuchten verbissen standhaft zu bleiben. Das war absurd. Ich fühlte wie sich meine Wut in Angst verwandelte. Wenn wir jetzt versagen würden, wäre alles umsonst gewesen.
Ein kleines Messer traf meine Wange und riss mich unsanft aus meinen Gedanken. Ich wich einem Speer aus, der auf mich zu gestoßen wurde. Ein Wolfskrieger neben mir stürzte vom seinem Pferd und sofort waren andere Hufe über ihm. Meine Bogensehne spannte sich und ich schoss einen Pfeil in die Schulter eines der Krieger mit dem Adler auf der Brust.
Mit eingezogenem Kopf bahnte ich mir einen Weg durch das Gewühl. Ohne Vorwarnung riss mich etwas von hinten vom Pferd.
Hart schlug mein Körper auf dem Boden auf und ich rang nach Luft. Gerade noch rechtzeitig rollte ich mich zur Seite, um ein paar schweren Pferdehufen zu entgehen. Ich schloss die vom Staub tränenden Augen. Mir war plötzlich speiübel. Mühsam stand ich auf und versuchte einen Überblick zu bekommen. Meine Stute konnte ich nirgends entdecken, also schwang ich mich schnell auf das nächstbeste Pferd. Gerade als wieder ein Trupp Königskrieger auf uns zu preschte, stieß Luis einen lauten Ruf aus und Jubelschreie erklangen. Es waren die restlichen Wolfskrieger. Sie mussten sich sehr beeilt haben, um rechtzeitig hier zu sein. Nun kamen sie wie eine graue Wand auf uns zu und brüllten dabei so laut, dass es sich anhörte wie grollender Donner.
Die Königskrieger wussten gar nicht wie ihnen geschah. Ihre verzweifelten Versuche, zu entkommen scheiterten sofort. In kürzester Zeit war ihr Lager erstürmt.
Während Luis die Krieger in Grüppchen zusammentreiben und entwaffnen ließ, trieb ich mein Pferd an und ritt geradewegs auf die großen Zelte in der Mitte zu. Unter den schweren Stoffen der Zeltwände krochen die ersten Menschen hervor und sahen fassungslos umher. Alle sahen sie ausgemergelt und schmutzig aus, aber ihre Augen begannen wieder zu leuchten, als sie begriffen was passiert war.
Kapitel 9
Als ich die Augen wieder aufschlug war um mich herum noch alles dunkel. Es war wohlig warm und trocken, ich brauchte einen Moment, um mich zu erinnern, was geschehen war und wo ich mich befand. Langsam, dick in die Decke eingewickelt, setzte ich mich auf. Mein Bauch verknotete sich, mir wurde schwindelig und das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich hatte einen Bärenhunger.
Von außen leuchtete ein wenig Licht gedämpft durch die Zeltwände. Jemand machte sich am Zelteingang zu schaffen, eine junge, hübsche Frau trat herein. Sie hatte eine große Öllampe in der Hand, die sie wortlos auf den kleinen Holztisch in der Ecke stellte, dann verschwand sie wieder. Sobald ich die Decke von meinen Schultern nahm, lies mich die nun schon bekannte morgendliche Frische erschauern. Die Frau kam wieder herein, einen großen Holzeimer mit dampfendem Wasser in den Händen und einem Bündel frischer Kleider unter dem Arm.
Sie stellte den Eimer auf den Boden und legte die Sachen daneben. Ich dankte ihr, doch sie lächelte nur scheu und ging hinaus. Schnell legte ich meine alten, schmutzigen Kleider ab und wusch mir mit dem warmen, duftenden Wasser die dicke Dreckschicht von meinem Körper. Neben der Lampe stand eine kleine Schüssel mit frischem Brot und ein paar Beeren.
Während ich aß, zog ich mir die sauberen Sachen an, die braune Hose und der dunkelgrüne Pullover passten wie angegossen. Meine verfilzten roten Haare zu bürsten dauerte etwas länger. Es war ein schönes Gefühl satt und sauber zu sein.
Als ich nach draußen trat, blieb ich erst einmal überrascht stehen. Alles war so ordentlich, ganz anders als gestern. Nirgendwo stand etwas herum, es herrschte kein Lärm sondern eine angespannte Stille. Ich sah keine Menschenseele. Erst als ein kleiner struppiger Hund an mir vorbei rannte und ich ihm mit dem meinem Blick folgte, entdeckte ich die Wolfskrieger.
Sie hatten sich etwas abseits von dem Lager versammelt. Alle waren abreisefertig. Nur noch die letzten Dinge wurden erledigt. Hier und da rannten die Menschen mit Waffen und Rucksäcken hin und her. Die Pferde scharrten ungeduldig mit den Hufen auf der Erde während sie mit diversen Gepäckstücken bepackt wurden, die ersten der Männer schwangen sich schon auf ihre Rücken. Gwen und Luis Cantar standen am Rand des regen Treibens und unterhielten sich konzentriert. Als ich mich zu ihnen gesellte, lächelte Luis mich etwas zu freundlich an.
„Guten Morgen, ich hoffe du hast gut geschlafen?“, fragte er.
„Sehr gut, danke!“, antwortete ich knapp und schaute die beiden mit hochgezogenen Brauen an. Auch Gwen hatte neue Kleider an und wirkte etwas ausgeruhter als zuvor.
„Worum geht es?“, richtete ich mich an Luis.
„Es geht jetzt los.“, meinte dieser nur. „Dort hinten gibt es einen anderen Weg aus den Bergen hinaus. „ Kein Fremder kennt ihn. Er ist sehr praktisch, weil wir dort auch mit Pferden entlang können und er ist nicht so beschwerlich wie über die Berge zu klettern. So viele wie möglich von uns werden los reiten und hoffentlich schnell Mart erreichen. Die anderen werden zu Fuß nachkommen.“
Ich nickte. So schnell wie möglich wollte ich los, für Fragen und Erklärungen blieb auch nachher noch genug Zeit.
Das Pferd, das mir ein kleiner Mann mit nur noch einem Arm gab, war eine große, rein dunkelbraune Stute. Ehrlich gesagt war ich noch nie gerne geritten. In Mart gab es ein paar Arbeitspferde. Ein paar Mal bin ich auch schon geritten aber ich blieb lieber auf meinen eigenen zwei Füßen. Diese Tiere waren groß und drahtig und alle hatten eine kräftig gewölbte Brust. Gwen wollte mir mit einem Grinsen beim Aufsteigen helfen, doch ich schnitt ihm eine ärgerliche Grimmasse und sprang mit einem gewaltigen Satz auf den Pferderücken. Es gab keinen Sattel, nur eine einfache Trense und Zügel die aus festen Lederbändern geflochten waren. Ich presste meine Knie an das glänzende, warme Fell des Tieres.
Gwen ritt auf seinem rabenschwarzen Pferd locker im Kreis. Er konnte reiten wie der Teufel,
das hatte ich mit eigenen Augen gesehen. Seine Eltern besaßen selbst zwei gute Pferde.
Ich konnte nicht anders als ihn zu bewundern.
Es war wirklich sehr angenehm auf einem Pferd diesen Weg zwischen den Bergen entlang zu reiten – mal abgesehen von dem rutschigen Rücken meiner Stute. Links und rechts von uns türmten sich unglaublich hoch die riesigen Felswände. Ständig gab es bedrohlich wirkende Überhänge und unwillkürlich zog ich den Kopf ein, jederzeit damit rechnend das die grauen Steine auf uns niederstürzten. Anfangs mussten wir noch alle langsam hintereinander reiten,
da erst fiel mir auf, wie viele der Reittiere es am Berg der Wölfe gab, bestimmt fast fünfzig und auf jedem saß ein Mann mit reichlich Waffen. Zum ersten Mal durchströmte mich so etwas wie echte Zuversicht.
Gegen Mittag hatten wir die vielen hohen Gipfel schon fast hinter uns gelassen, aber da wir nach Norden, also in die entgegengesetzte Richtung von Mart losgeritten sind, mussten wir jetzt noch einen großen Bogen zurücklegen.
Als es anfing zu dämmern und die Sonne hinter den Hügeln unterging, machten wir geschützt von den letzten Felsausläufen unser Nachtlager. Luis Cantar kündigte an das wir am nächsten Morgen wieder in aller Frühe aufbrechen werden. Erschöpft vom vielen reiten, ließ ich mich auf den Boden sinken. Nach ein wenig kaltem Fleisch, schlief ich trotz der vielen Geräusche um mich herum schnell ein.
Der frühe Morgen war mal wieder eiskalt. Der Atem von Menschen und Pferden hinterließ kleine Dampfwolken in der beißenden Luft. Meine Beine fühlten sich steif an und ich hatte starken Muskelkater. Wir ritten den ganzen Vormittag ohne Unterbrechung. Langsam wurde ich beim Reiten sicherer und mit den Bewegungen meiner Stute vertrauter. Am Mittag erreichten wir das Meer. Da wir von der anderen Seite kamen, konnten wir nur von einer hohen Klippe hinab auf die dunklen Wassermassen schauen. Erst hier gab es eine kleine Pause. Wieder fiel es mir schwer mich von dem Anblick des Meeres loszureißen. Erst Gwen brachte mich zurück in die Wirklichkeit.
„Komm, Fuchs.“, sagte er sanft. „Wir sollten uns beeilen.“
„Es ist noch so weit…“, meine Stimme erstarb und ich blickte ihn besorgt an.
„Es kommen keine Berge mehr, jetzt können wir viel schneller reiten.“
Ich nickte.
„Na los, wir haben es bald geschafft.“ Gwen nahm meine Hand und zog mich zu unseren Pferden. Ich war auf einmal unheimlich froh, dass er da war.
Gwen und ich ritten vorne bei Luis. Er fragte uns weiter über alle möglichen Einzelheiten aus und wir gaben bereitwillig Auskunft. Der große Mann wirkte angespannt, er trieb uns alle zu größerer Eile an und unser kleines Heer ritt bis es so dunkel war, dass man kaum noch etwas erkennen konnte. Wir waren nun schon sehr nah an unserem Dorf, alle mussten sich äußerst vorsichtig verhalten. Kein einziges Feuer wurde angezündet, obwohl die Wärme sicher angenehm gewesen wäre. Luis schickte die ersten Kundschafter voraus. Von unserem Lager aus sah man im Mondlicht den dichten Wald, hinter dem Mart lag. Hinter dem unsere Freunde und Familien waren.
Am nächsten Morgen war es zwar immer noch sehr kalt, aber die Sonne brach häufig durch die weißen Wolken und sie war so hell, dass jedes Mal, wenn sie mir in die Augen blendete, mein Kopf anfing fürchterlich zu schmerzen. Doch der Wald kam näher und die grünen Baumkronen spendeten angenehmen Schatten. Leider waren wir im Wald gezwungen langsamer zu reiten,
was sehr lästig war.
Während ich meine Stute Slalom zwischen den Bäumen hindurch lenkte, warf ich einen kurzen Blick nach hinten. Keiner sagte ein Wort. Alle waren wohl ein bisschen nervös, auch wenn sie es sehr gut zu verbergen wussten. Auf Luis Cantars Anweisung hin, hatten wir uns sehr weit verteilt. Sein Plan war es, das Dorf zu umzingeln aber noch versteckt zu bleiben. Wir mussten die Soldaten überraschen um einen bösen Kampf zu vermeiden. Das klang sehr einfach, aber ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Ich hatte überhaupt die letzten Stunden auf einmal kein gutes Gefühl mehr gehabt. Wahrscheinlich war das die Aufregung.
Die Zweige knackten unter den vielen Pferdehufen. Gwen holte auf und ritt neben mir, auch er wirkte unruhig.
Und dann roch ich es. Ganz plötzlich wie aus dem Nichts waren wir von diesem stechenden Geruch umhüllt bei dem man unwillkürlich die Luft anhielt. Der Geruch von Feuer und Rauch. Der Wald war fast zu Ende, zwischen den letzten Bäumen und Zweigen hindurch schaute ich auf einen breiten Hügel hinter dem dunkle Rauchschwaden aufstiegen. Viel zu viel und viel zu dunkel. Mich ergriffen schreckliche Gedanken. Ohne zu überlegen, trieb ich mein Pferd an und galoppierte aus dem Wald hinaus auf den Hügel zu. Ich hörte wie man mir nachrief, mich erschrocken daran erinnerte, versteckt zu bleiben, aber es war mir egal. Weit vornübergebeugt trieb ich die Stute noch weiter an. Ihr kräftiger Körper schien durch die Luft zu fliegen.
Ich lenkte sie genau auf den höchsten Punkt des Hügels, obwohl ich am liebsten davon geritten wäre. Kurz darauf hörte ich auch das einzelne dumpfe Donnern auf dem Boden als jemand mir folgte. Gwen.
Dann hörte ich gar nichts mehr. Die Geräusche schienen zu verschwinden als ich mit blanken Entsetzte nach unten starrte. Da wo einmal die einfachen kleinen Häuser und Ställe standen,
wo hier und da Bäume und Büsche wuchsen, wo die Luft immer von Stimmen, muhenden Kühen und lärmenden Kindern erfüllt war. Da wo einmal mein Zuhause war, war jetzt alles voller verkohlter Trümmer. Wo man auch hinsah, nichts als Schwärze und Rauch. Die Luft flackerte heiß über den eingestürzten Trümmern. An manchen Stellen züngelten noch einige kleine Flammen, auf der Suche nach etwas das sie noch zerstören könnten.
Ich atmete schwer. Durch den Rauch bekam ich nur sehr schlecht Luft. Meine Tränen vermischten sich mit dem Ruß der sich auf meinem Gesicht absetzte. Wir waren zu spät.
Ich war zu spät, um mein Versprechen Hilfe zu holen, einzulösen. Wie von selbst rutschte ich von meinem Pferd auf den Boden. Da hockte ich nun auf den Knien und starrte ins Leere.
Das konnte einfach nicht wahr sein.
Irgendwann verschwamm alles vor meinen Augen. Der Rauch reizte sie und drang tief in meine Lunge. Ich sah nichts mehr und bekam keine Luft mehr, jetzt wartete ich nur noch darauf nichts mehr zu fühlen. Doch ich fühlte den Schmerz deutlich. Schmerz als wolle meine Brust zerspringen und Hass auf die Menschen, die das hier getan hatten und Hass auf mich selbst. Einen Tag früher und wir wären wahrscheinlich noch rechtzeitig gekommen.
Der Wind drehte und wehte mir den Rauch direkt ins Gesicht. Jemand packte meine Schultern, zog mich auf die Beine und führte mich weg. Die Geräusche kamen zurück und ich fing an zu keuchen und zu husten. Die Tränen, die unaufhörlich meine Wangen hinab rannen, reinigten meine Augen und ließen mich wieder klarer sehen.
„Fuchs. Fuchs. Shaliea!“ Es war Luis, der mich rüttelte und eindringlich meinen Namen rief.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich ihn anzusehen.
„Hör zu! Noch ist es nicht verloren. Sie haben die Menschen mitgenommen, wenn wir uns beeilen, können wir sie noch einholen.“
Er hatte recht. Die Krieger konnten noch nicht weit sein. Auch wenn der Gedanke an die kleine, hungernde Schar Dorfbewohner, gefangen in der Mitte von klappernden Waffen und schnaubenden Pferden nicht gerade tröstlich war. Unsere Chancen standen nun viel schlechter als vorher, aber es gab noch Hoffnung.
Ich versuchte nicht mehr zu den Rauchschwaden zu sehen, sondern wendete mich einer kleinen Gruppe von Luis Cantars Leuten zu, die gebückt am Waldrand standen. Gwen erhob sich aus der Gruppe, er hatte etwas auf dem Arm. Ich erkannte das kleine Mädchen sofort. Es war Mays jüngere Schwester, die wir immer liebevoll „Fee“ nannten. Die kleine war über und über mit Dreck und Ruß bedeckt. Ihre, im Gegensatz zu Mays, Stroh–blonden Haare waren total zerzaust. Als sie mich erblickte, streckte sie mir ihre dünnen Arme entgegen und ich drückte das zitternde Geschöpf an mich, versuchte sie zu beruhigen. Über Fees Kopf hinweg schaute ich Gwen an. Seine Augen waren noch schwärzer als sonst, ihm musste es genauso gehen wie mir.
„Lass uns losreiten.“ Seine Stimme klang erstaunlich ruhig. Ich nickte langsam, stand auf und versorgte Fee mit Wasser und etwas zu Essen. Am liebsten würde ich mich auf den Boden werfen und gar nichts mehr tun, doch ich zwang mich die Kontrolle über mich selbst zu behalten. Es war jetzt wirklich keine Zeit um zu trauern. Schweigend hob ich das Mädchen behutsam auf den Rücken meiner Stute und setzte mich hinter sie. Besorgt blickte Fee mich an, aus ihren großen blauen Augen, die mich so an May erinnerten. Ich wusste nicht, wann sie es geschafft hatte zu fliehen, aber sie musste sich seitdem im Wald versteckt haben. Sie musste gesehen haben wie das Dorf in Brant gesteckt wurde und wie die Krieger mit den Menschen davon zogen. Das arme, kleine Ding.
Ich gab Fee einen Kuss auf die Stirn und packte die Zügel. Im Galopp holte ich zu Gwen auf und wir ritten weg von unserem zerstörten Dorf, weg von dem schwarzen, stickigen Qualm.
Kapitel 8
Große gezackte Bergspitzen tauchten vor uns auf und brachten uns noch einmal an die Grenzen unserer Kräfte. Der rätselhafte Rauch kam immer näher, wir wurden immer langsamer.
„Lass uns vorsichtig sein! Wir wissen nicht…“, Gwen brach ab. Aus einer Bergnische trat plötzlich ein – nun ja, ein Mann. Er war klein, aber durchaus furchteinflößend. Die schmutzig grauen Haare umrahmten ein großes, grobes Gesicht. Er hatte wache grüne Augen, die zwischen mir und Gwen hin und her huschten. Über seiner einen Augenbraue prangte eine beeindruckende Narbe. Die Lederhose wurde von einem breiten Gürtel gehalten der mit Messern verschiedener Größe bestückt war. Er sah von der Größe einem Zwerg sehr ähnlich. Aus einem unbeschreiblichen Grund wurde ich bei seinem Anblick mit einem sanften Glücksgefühl durchströmt. Es tat so gut, einen anderen lebenden Menschen außer Gwen zu sehen. Selbst wenn dieser Mann mir fremd war.
„Guten Tag.“, sagte Gwen höflich, während er seine Augen mit der Hand vor der Sonne abschirmte.
Der Zwerg musterte uns von Kopf bis Fuß, den Speer in der Hand gezückt.
„Wer seid ihr? Und was zum Teufel macht ihr hier?“, fragte er ungehalten. Ich war sprachlos und untersuchte seine Kleidung nach einem Zeichen des Königs. Doch davon war nichts zu finden.
„Wir kommen aus Mart…“, sagte ich schließlich vorsichtig.
„Wie sind eure Namen?“, fragte der Kleine weiter. Dieses Mal antworteten wir nicht so schnell. Doch der Zwerg kniff seine kleinen Augen drohend zusammen und ich nannte artig unsere. Namen: „Gwen Älden und Shaliea Sanie.“ Der Mann schaute mich kurz durchdringend an.
„Folgt mir.“ Er drehte sich um und begann sehr geschickt die Felsen hinab zu steigen. Nach einer Weile lichteten sich die Bergspitzen und wir hatten freien Blick in ein tiefes geräumiges Tal. Fasziniert blieb ich stehen und blickte nach unten. Von steilen Berghängen umgeben war ein komplettes kleines Dorf eingerichtet. Auf dem grauen, von feinem Schotter bedecktem Boden waren viele große Zelte und auch ein paar Häuschen oder Hütten aufgebaut. Am Rand standen einige Pferde und knabberten an den spärlichen Grashalmen. Der Rauch kam von mehreren kleinen Feuern die vor den Zelteingängen sanft glimmerten. Überall wimmelte es von Männern und Frauen.
Gwen schob mich sacht weiter.
„Das ist also das Geheimnis vom Berg der Wölfe.“, flüsterte ich. Er nickte und wir beeilten uns den kleinen Mann wieder einzuholen. Dieser schwieg während er uns im Zickzack hinunter in das Tal führte, auch als er mit uns mitten in das robuste Lager hinein ging. Die Menschen hatten sich aufgestellt und beobachteten uns mit scharfen Blicken. Es waren viel mehr Männer als Frauen. Alles recht raue Gesellen mit von der Sonne gebräunten Gesichtern. Wo man auch hinblickte, an den Hauswänden und Felsen, lehnten Waffen und Schilde. Von nahem konnte ich ein fein verflochtenes Muster erkennen, dass in die grauen Felswände eingeritzt war. Wie ein Netz spannte es sich über das mächtige Gestein.
Wir wurden in die Mitte geführt, vor einem prachtvollen, großen Zelt hielt der Zwerg an.
Er verschwand kurz hinter einer schweren Tür aus Stoff und ich schaute mich unbehaglich um. Die vielen Männer hatten sich mit gezückten Waffen um mich und Gwen herum gestellt und ließen uns nicht aus den Augen. Nur zu gut konnte ich mir vorstellen, wie ein Verräter unter der Last dieser Blicke zusammenbrach. Ich bemühte mich einen gleichgültigen Gesichtsausdruck zu bewahren, um meine Angst zu verbergen.
Da wurde der Zelteingang geöffnet und jemand winkte uns herein. Gwen ging vor, ich folgte dicht hinter ihm. Das Innere des Zeltes war so groß, dass man nicht einmal den Kopf einziehen musste. Durch die Wände drang ein angenehmes warmes Licht, was die Augen von der weiß blendenden Sonne entspannte. In der Mitte stand ein riesiger Mann mit langem braunem Haar und ruhigen grauen Augen. Er war ähnlich gekleidet, wie der Zwerg von vorhin. Um die Schultern trug er einen langen mit Mustern verzierten Umhang. Die Züge des Mannes blieben unbewegt als er uns beobachtete. Er schaute mir direkt in die Augen, sein Blick hatte etwas unheimlich Aufmerksames, doch ich hielt ihm stand.
„Fuchs.“, sagte er mit tiefer, rauer Stimme. „Ich hab schon sehr viel von dir gehört.“
Ich horchte verblüfft auf, als er diesen Namen nannte.
Doch ich schwieg, mit zusammengekniffenen Augen schaute ich ihn misstrauisch an. Auf dem Gesicht des Mannes erschien ein warmes Lächeln und deutete auf ein paar schöne, große Kissen, die auf dem Boden lagen.
„Setzt euch doch.“
Immer noch etwas verwirrt knieten wir uns auf die bequemen Kissen. Er raunte den Leuten,
die schweigend in dem Zelt standen, etwas zu und sie verschwanden sofort. Dann nahm er uns gegenüber Platz.
„Ihr habt euch einen sehr beschwerlichen Weg ausgesucht, um uns zu besuchen. Dürfte ich den Grund erfahren?“
Eine ältere dunkelhaarige Frau reichte uns einen Korb mit Brot. Ich wollte mich gerade auf das Wasser stürzen, aber bevor ich den schweren Krug an die Lippen setzte, sah ich den großen Mann prüfend an.
„Es tut mir leid“, sagte dieser schmunzelnd. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.
Mein Name ist Luis Cantar, das Oberhaupt dieser Menschen hier. Keine Sorge, bei uns ist normalerweise nichts vergiftet.“, fügte er mit einem Blick auf den Krug in meinen Händen hinzu. Ich trank einen großen Schluck und gab das Wasser Gwen. Das Brot war noch warm. Ich legte es an meine Wange, überzeugt davon, dass ich noch nie etwas Besseres in den Händen hatte.
Es roch geradezu himmlisch. Luis Cantar beobachtete uns weiter mit gerunzelter Stirn.
Seine Augen waren ruhig und ehrlich. Aber vorsichtig war ich trotzdem noch. Wir durften uns eigentlich keine Fehler mehr leisten, aber wenn das hier wirklich eine Falle war, wäre es für mich und Gwen eh schon zu spät.
„Wer sind diese Menschen hier, was tun sie mitten im Gebirge? Und wie kommt es das sie mich kennen?“ Luis Cantar blickte mich und Gwen ernst an.
„Ich werde es euch sagen aber ihr müsst versprechen dass eure Lippen anderen gegenüber versiegelt sind.“ Wir nickten sofort. Seinem durchdringenden Blick hielten wir auch dieses Mal stand.
„Als die ersten Menschen aus den Dörfern Schutz vor dem König suchten, kamen sie in die Berge. Mit der Zeit schlossen sich ihnen immer mehr Männer und Frauen an. Anfangs war es nur ein Flüchtlingslager, nun ist es ein Versteck für ein starkes Heer! Hier, tief in dem Gebirge haben wir die Chance unentdeckt zu bleiben und das ist, vorerst, das wichtigste.“
Für eine Weile schwiegen wir alle. Dann sagte Gwen langsam: „Ihr kämpft also gegen den König.“
Luis seufzte. „Nun, von kämpfen ist wohl eher selten die Rede. Aber schon seit vielen Jahren haben wir überall unsere Späher, um herauszufinden, was der König vorhat. Überhaupt, wer er eigentlich wirklich ist. So haben wir schon das eine oder andere kleine Dorf oder ein paar Menschen vor dem Schlimmsten bewahrt. Doch wir werden stärker und irgendwann wird es uns gelingen, die Tyrannen oder den König selbst zu vernichten.“
Während er sprach wurden seine Gesichtszüge hart und in seine Augen trat ein finsterer Ausdruck. Gwen und ich waren wie erstarrt. War das alles nur ein wunderbarer Zufall oder war es von der fremden Frau wirklich beabsichtigt uns hier her zu führen? Ich vermutete Letzteres.
„So und jetzt zu euch. Ihr habt einiges durchgemacht, wie ich sehe.“ Er blickte auf meine zerzausten Haare und unsere schmutzigen, zerrissenen Kleider. Abwechselnd erzählten wir ihm von Mart und dem Überfall. Luis Cantar wirkte zu unserem Erstaunen überhaupt nicht überrascht.
„Mart. Ja, das war zu erwarten, dieses kleine rebellische Dorf war dem König schon viel zu lange ein Dorn im Auge.“
„Sie wussten dass es passieren würde und haben nichts getan?“, fragte ich ungehalten.
„Ich war nicht sicher!“, verteidigte Luis sich. „Was, wenn es nun doch nicht geschehen wäre und wir uns unüberlegt der ganzen Welt gezeigt hätten? So einfach ist das nicht. Und jetzt erzählt weiter!“
Während Gwen redete, kaute ich missmutig an einem Stück Brot. Als Gwen von dem Hinweis auf dem Messer zu sprechen kam, hob Luis seine Augenbrauen.
„Dürfte ich das Messer einmal sehen?“ Ich holte es aus meiner Tasche und reichte es ihm. Bedächtig betrachtete er es, die Falten auf seinem Gesicht glätteten sich ein wenig.
„Lucy, natürlich.“
„Wer ist Lucy?“, fragte ich und richtete mich abrupt auf.
„Du kennst diese Frau nicht und hast sie noch nie gesehen, oder?“
Ich nickte.
„Hat sie noch irgendetwas gesagt?“
„Nein.“
Er schaute mich nachdenklich an. „Wenn sie dir noch nichts erzählt hat, soll sie es tun wenn sie es für richtig hält.“
So, jetzt war ich richtig durcheinander. Vor lauter Erschöpfung fiel es mir schwer mich zu konzentrieren. Doch Luis ließ nicht locker.
„Ihr seid also geflohen, durch den Wald, am Meer vorbei und über die Berge nur um einen Hinweis zu folgen, bei dem ihr nicht einmal sicher sein konntet, dass er euch hilft?!“
Seine Stimme klang ungläubig.
„Und, können sie uns helfen?“, fragte Gwen herausfordernd.
Der Mann uns gegenüber zog an einem Lederband um seinen Hals und ein schweres Schmuckstück, das vorher unter seiner Jacke versteckt war, kam zum Vorschein. Es war eine silberne Spirale, das Eisen war schon leicht angelaufen, aber in der Mitte war ein wunderschöner tiefroter Rubin eingesetzt. Er deutete darauf.
„Jeder der Wölfe - wie wir uns passender Weise nennen - trägt dieses Zeichen bei sich, so erkennen wir uns. Es ist meine Pflicht euch zu helfen. Ich werde tun, was ich kann. Ihr solltet euch, während alle Vorbereitungen getroffen werden, vielleicht ein bisschen ausruhen.“
Das war eigentlich eine sehr gute Idee. Die Sonne war schon fast hinter dem Horizont verschwunden. Wir waren völlig ausgelaugt, überanstrengt und jedes Glied, jeder Muskel schmerzte und fühlte sich dreimal schwerer an als normal. Aber sobald ich mich in ein kleines Zelt niederlegte, wusste ich dass es keinen Sinn hatte. Trotz meiner schweren Augenlieder war ich hellwach und musterte die kaum noch zu erkennenden Zeltwände. Draußen hörte ich gedämpfte Stimmen und es klapperte unaufhörlich.
Ich wusste nicht wie lange ich schon so lag. Die Geräusche draußen nahmen keine Ruhe,
ich fragte mich, was nun geschehen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit schlief ich, den Kopf voller Gedanken, doch noch ein.
Kapitel 7
Der Morgen war eiskalt. Die Sonne brach zart durch die Wolken, aber die Luft war klar und kalt. Gwen konnte ich nirgends entdecken, sorgenvoll lies ich meinen Blick umher schweifen. Irgendwo in der Ferne erklang der Schrei eines Adlers.
„Guten Morgen, Schlafmütze.“ Gwen hatte sich erstaunlich leise bewegt, ich hatte ihn gar nicht kommen hören. Jetzt stapfte er zwischen den grauen Felsen hervor.
„Ich weiß zwar nicht Wen oder Was wir hier finden sollen, aber ich glaube es ist nicht mehr weit. Es gibt hier nur viele gefährliche Berge und die ganzen Wölfe…“
„Die Wölfe sind sehr scheu, wahrscheinlich werden wir sie kaum zu Gesicht bekommen.“, sagte ich gähnend und erhob mich von meinem unbequemen Schlafplatz. Als schnelles Frühstück gab es kaltes Fleisch und ein paar trockene, essbare Wurzeln. Von der Hoffnung dass wir bald am Ziel sein könnten, bekamen wir einen gewissen Anreiz zu laufen
Es ging mitten durch die Berge. Mal bergauf, mal bergab, über kleine Gipfel, durch Schluchten und Geröllkuhlen. Meistens hörte man nur das schabende Geräusch das unsere Schuhe auf dem Stein erzeugten. Die Sonne stand hoch am Himmel, als wir endlich eine Pause einlegten.
Von einer kleinen Bergspitze aus hatten wir eine wunderbare Sicht über die immer höher werdenden Berge. Unsere Umgebung war zwar wunderschön, aber ich sehnte mich nach saftigen, grünen Wäldern, Wiesen und dem Meer. Hier war alles grau, wie erstarrt, ruhig und leblos. Nur selten erblickten wir ein Stück grün oder ein Tier.
Ich drehte mich auf den Rücken, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Der Himmel war so blau und klar, dass es blendete. Ich schaute Gwen verstohlen von der Seite an. Seit wir unterwegs waren, war er eher schweigsam. Das konnte man unter den Umständen natürlich verstehen.
Doch gerade jetzt vermisste ich es, mich, wie wir es früher oft getan hatten, stundenlang mit ihm zu unterhalten. Wir hatten fast nie über private Dinge gesprochen, so waren wir beide eben nicht. Mir fiel auf wie wenig ich ihn eigentlich kannte und er mir trotzdem so vertraut war.
Gwen reichte mir die Wasserflasche, ich nahm einen großen Schluck bevor wir weiterzogen. Wieder verging der Rest des Tages sehr schnell. Am Abend waren wir beide so erschöpft,
dass ich wahrscheinlich im Stehen eingeschlafen wäre, wenn Gwen mich nicht weiter geschoben hätte.
„Vorsicht!“ Die Warnung kam gerade noch rechtzeitig bevor ich meinen Fuß ins Leere gesetzt hätte und drei Meter tief stürzen würde. Wir suchten uns wieder einen Platz zum schlafen. Hundemüde legte ich mich halb sitzend auf die harten Steine.
Das schöne klare Heulen eines Wolfes weckte mich. Noch musste es sehr früh sein, über den Bergspitzen war der Himmel in ein sattes Violett getaucht. Ich richtete mich auf. Das Heulen war so nah, nicht aus der Ferne wie letztes Mal. Vorsichtig krabbelte ich nach rechts, um an dem Gesteinsbrocken, der mir die Sicht versperrte, vorbei zu schauen. Als ich ihn erblickte, war ich für einen Moment wie erstarrt. Er saß auf einem Felsenvorsprung mir gegenüber und heulte,
dass es sich anhörte als klagte er.
Der Wolf passte perfekt hier in das Gebirge. Sein Fell war in verschiedenen Grautönen gemischt und ein wuscheliger Schwanz war nah an den muskulösen Körper gelegt, während er die schwarze Nase in den Himmel streckte. Von woanders her stimmten andere Wölfe in das Heulen mit ein, es klang wie ein Konzert. Es war so gespenstisch und unwirklich das ich mir vorkam wie in einem Märchenland.
Schnell stieß ich den schlafenden Gwen in die Seite, er blickte verwirrt auf. Ich hielt den Finger an die Lippen und winkte ihn zu mir. Eine Weile beobachteten wir den Wolf einfach nur und lauschten dem klaren Gesang, der durch die Berge klang. Doch genau so schnell wie es angefangen hatte, war auch alles wieder still. Das große Tier uns gegenüber verzog sich schließlich. Vielleicht hatte er uns bemerkt oder es wurde ihm einfach zu hell.
„Willkommen am Berg der Wölfe.“, flüsterte ich benommen.
„Ja, es sieht ganz so aus.“, Gwens Stimme zitterte und ich hörte Enttäuschung und Zweifel darin, mich beschlich ein übles Gefühl. Was wenn es wirklich alles umsonst gewesen ist? Bis jetzt hatte ich darüber noch gar nicht so genau nachgedacht, ich hatte einfach gehofft und mich auf mein Bauchgefühl verlassen. Doch jetzt waren wir hier und ich war garantiert nicht der Typ, der so schnell aufgab.
„Bitte, jetzt sind wir da. Lass uns noch ein Stück weiter gehen.“
Ich schaute ihn flehend an und er lächelte matt.
Die Sonne war vollständig über den Bergen erschienen. Ich wusste, dass es ein sehr heißer Tag werden würde. Wir hatten kaum noch Wasser oder etwas zu Essen. Gegen Mittag wurde es immer unerträglicher. Die Sonne brannte mir in den Nacken. Meine Handflächen waren ganz wund und ich hatte an allen nur erdenklichen Stellen schrammen und blaue Flecken. Von der Anstrengung zitterten Arme und Beine. Wir hatten eine kleine Bergziege entdeckt, sie war jedoch so flink gewesen, dass ich nicht mal den Pfeil in den Bogen einlegen konnte. Seit dem war weit und breit kein einziges Lebewesen aufgetaucht. Jeder Schritt war nun eine Herausforderung. Wir stellten uns hinter eine große Bergspitze in den Schatten. Ich wischte mir die Schweißtropfen von der Stirn. Meine Hoffnung, doch noch etwas zu finden, hatte sich in eine fast krankhafte Verbissenheit verwandelt. Gleichzeitig fühlte ich mich unbeschreiblich leer.
Auch Gwen war schwach. Er versuchte zwar es zu verbergen, aber ich sah es ihm deutlich an.
Er warf mir immer wieder lange Blicke zu, als mache er sich Sorgen dass ich verrückt werden würde.
„Fuchs.“, sagte er vorsichtig. „Hör zu, wir… wir verlieren wertvolle Zeit…“, er stockte als er sah, dass ich mit weit aufgerissenen Augen an ihm vorbei in die Ferne starrte.
„Was ist das?“, fragte ich, mehr zu mir selbst. Dort hinten, gar nicht weit weg aber ganz schwach. War das etwa Rauch?
Konnte das wahr sein? Jetzt würde ich mir sogar zutrauen, dass ich mir alles nur einbildete.
Ich kniff meine Augen zusammen, um besser sehen zu können. Aber doch, es war der Rauch eines Feuers, der sich je höher er stieg in dem blauen Himmel verlor.
Gwen bestätigte es. „Rauch. Aber sehr wenig und ganz unauffällig.“
„Lass uns weiter gehen!“
„Und wenn es eine Falle ist?“
„Vielleicht sind wir am Ziel…“
Trotz der Erschöpfung und dem Risiko, siegte die Neugierde. Langsam und so vorsichtig wie möglich machten wir uns wieder auf den Weg. Ein paar kleine Steinchen lösten sich und rollten in die Tiefe. Ich klammerte mich an den Felsen neben mir. Wir waren nun schon sehr hoch. Andauern kamen wir an gefährliche Schluchten und bedrohliche Überhänge. Gott sei Dank hatten weder ich noch Gwen Höhenangst. Doch unsere leeren Mägen bereiteten uns trotzdem andauernd Schwindelgefühle. Gwen knurrte leise als sich vor uns, wie aus dem nichts, ein breiter Spalt im Boden auftat. Wir untersuchten alles, aber einen anderen Übergang gab es leider nicht. Wir mussten wohl oder übel springen.
„Lass mich zuerst.“ Ich reichte Gwen meine Tasche und trat ein paar Schritte zurück um Anlauf zu nehmen. Doch er stellte sich mir in den Weg. „Nein, vergiss es!“
Ich verdrehte die Augen. „Vielen Dank, das schaff ich schon.“, sagte ich obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug und meine Hände feucht wurden.
„Du bist schon einmal in so eine Schlucht gefallen, das habe ich nicht vergessen.“, protestierte Gwen. Ich ignorierte ihn, atmete noch einmal tief durch und rannte an ihm vorbei auf den Abgrund zu. Mit aller Kraft stieß ich mich vom Boden ab und hatte für einen Moment das Gefühl als würde ich fliegen. Die Luft rauschte an meinen Ohren vorbei, erstaunlich leichtfüßig landete ich auf der anderen Seite. Zitternd atmete ich aus.
„Du alter Dickkopf!“, rief Gwen mir nach. Ich grinste nur, fing die Tasche auf, die er mir zuwarf und trat zurück um ihm Platz zu machen. Mit angehaltenem Atem sah ich zu wie auch er ordentlich Anlauf nahm und absprang. Gwens Körper streckte sich wie der einer Raubkatze.
Ich konnte sehen wie die Muskeln an seinen Oberarmen sich anspannten Wie in Zeitlupe flog er durch die Luft und landete elegant neben mir. Ich hörte das dumpfe poltern als ein paar große Steine den Abgrund hinab rollten.
Gwen klopfte sich die Hände an der Hose ab und schaute misstrauisch an mir vorbei. Ich folgte seinem Blick. Der Rauch hatte sich verstärkt. In dunklen Wolken zog er gen Himmel.
„Warum bist du so überzeugt davon, dass es keine Falle ist?“, fragte Gwen mit gerunzelter Stirn.
„Ich hab von ihr geträumt.“, sagte ich ohne ihn anzusehen. „Von der alten Frau. Irgendwoher kenne ich sie, mir fällt bloß nicht ein woher.“ Gwen sagte nichts. Er nahm einfach meine Hand und wir zogen wortlos weiter.
Kapitel 3
Abrupt blieb ich stehen, aber es war zu spät. Der Mann, den ich vorhin so erfolgreich fortgelockt hatte, war zurück. Jetzt stand er direkt vor mir. Seine zotteligen blonden Haare erkannte ich trotz der Dunkelheit sofort.
Er hatte ein fieses, schadenfrohes Grinsen auf dem Gesicht und wollte mich packen. Ohne zu überlegen, warf ich mich zur Seite den Abhang hinab.
Für einen Moment fiel ich nur ins Leere, der Aufschlag der folgte war jedoch sehr hart.
Japsend schnappte ich nach Luft. Neben mir kackten Zweige und ich hörte das malmende Geräusch rollender Steine. Ich wusste, dass Gwen mir gefolgt war, aber es war zu dunkel um genau zu wissen, wo er war. Oben brüllte jemand Alarm und das dumpfe Knacken verriet dass man uns folgte.
Schnell warf ich mich noch ein Stück weiter den Abhang hinab und versuchte nicht auf den Schmerz, der mich durchzuckte, zu achten. Als ich nicht mehr rollen konnte, richtete ich mich mühsam auf, Gwen packte mich am Arm und wir stürzten weiter.
Unsere Beine jagten uns weiter den Berg hinauf. Wie automatisch ergriffen meine Hände die Sträucher und zogen mich vorwärts. Als ich einen Blick über die Schulter wagte, sah es aus,
als würden die Laternen der Krieger, in der Luft schweben. Wie kleine ziellos umherirrende Glühwürmchen. Erleichtert stellte ich fest, dass es in der Dunkelheit schwer für sie sein würde zu sehen, welche Richtung wir eingeschlagen hatten.
Aber es wurden immer mehr Laternen und die Rufe kamen näher. Wir ächzten weiter. Ausversehen griff ich mit voller Kraft in ein Dornengestrüpp und unterdrückte mühsam einen Aufschrei. Das warme Blut lief über meine Hand und ich erschauerte.
Endlich hatten wir den Hügel hinter uns gelassen und der Wald wurde immer dichter, Zweige schlugen mir ins Gesicht, wir rannten blind immer tiefer in den Wald hinein. Es roch angenehm kühl nach Erde und Laub. Sofort beruhigte sich mein wild bummerndes Herz ein bisschen.
Ich zwang mich ruhiger zu atmen und wurde ein bisschen langsamer, gerade eben hatte ich noch Gwen durch den Wald hetzen und die Rufe der Krieger gehört. Jetzt war alles still.
Ich torkelte herum, drehte mich orientierungslos um mich selbst. Die Laternen und auch Gwen waren verschwunden. Ich wollte schon panisch nach ihm rufen, als ich es knacken und rascheln hörte. Ich sah nichts. Die Nacht verschluckte alle Farben und Umrisse. Nur ein keuchen hörte ich und kurz darauf stieß ich mit jemandem zusammen – Gwen.
„Du hast was gut bei mir.“, murmelte er mit kratzender Stimme. Erschöpft lies ich mich auf den Waldboden sinken. Es roch gut, so vertraut. Ich konnte nicht mehr richtig zwischen Wirklichkeit und Einbildung unterscheiden. Ich wusste nicht mehr ob ich noch wach war oder träumte.
Doch kurz darauf wurde alles dunkel und ich glitt unbewusst in den Schlaf.
Ich hatte wüste Träume, Träume voller Panik. Zwischendurch erschien immer wieder die alte Frau die, mir das Messer gegeben hatte. Doch in meinem Traum war sie keine wildfremde Frau, sondern eine Frau, an die ich eine ganz schwache Erinnerung hatte, die strahlenden Augen,
das liebevolle Lächeln, das alles kam mir auf unerklärliche Weise bekannt vor.
Doch ich konnte mich nicht erinnern. Sobald ich versuchte mich zu konzentrieren, kamen wieder andere Bilder.
Vieles weckte mich am nächsten Morgen: Die Sonne, das laute Vogelgezwitscher, mein schmerzender Magen und meine ausgetrocknete Kehle. Als ich den Kopf hob und mich auf meine Hände stütze, durchzuckte meine linke Hand ein plötzlicher Schmerz. Sie war ganz und gar mit getrocknetem Blut verklebt, es sah grausig aus. Gwen lag gegen einen Baumstamm gelehnt und schlief noch fest. Der Tau hatte sich überall niedergelegt und ließ die Blätter glitzern. Eine Amsel pickte in der Nähe in der Erde herum. Die Baumkronen bewegten sich sanft vor dem blauen Himmel.
Alles war wunderschön und friedlich. Doch es stimmte nicht, der Durst erinnerte mich daran. Die Menschen im Dorf waren eingesperrt, hungerten und dursteten. Ich schloss die Augen, mein Kopf schmerzte. Suchend blickte ich auf dem Boden umher. Da, die Flasche. Erleichtert öffnete ich sie und trank einen Schluck. Kaltes Wasser, doch leider nicht viel, ich und Gwen werden uns das einteilen müssen bis wir neues finden. Ich kannte den Wald, er war wie mein zweites Zuhause, so oft war ich hier. Um zu jagen, Beeren zu sammeln oder einfach die Ruhe zu genießen. Es würde nicht schwer werden Quellen oder Bäche zu finden, aber erst mal musste ich wissen, wo genau wir uns befanden. Gestern hatte ich nicht darauf geachtet. Wir waren einfach blindlings weiter gerannt.
Gwen regte sich. Er öffnete die Lider und seine braunen Augen schauten sich verwirrt um.
Sein Gesicht war zerschrammt und ein Auge ein wenig geschwollen, auch ihm mussten gestern einige Zweige ins Gesicht gepeitscht sein. Ich reichte ihm die Wasserflasche. Dankbar nahm er einen Schluck und seufzte. Dann sah er mich an und seine Mundwinkel zuckten.
„Du siehst furchtbar aus, Fuchs!“, stellte er fest.
„Danke.“, knurrte ich und wendete mich ab, um in den Wald zu sehen. Gwen stand auf und streckte sich.
„Wir sollten von hier verschwinden, bevor sie uns noch finden.“, sagte er ruhig. Gequält schaute ich ihn an, ich wollte nicht weg. Wollte sie nicht alle so verletzbar zurück lassen. Doch er sah mich ernst an: „Es hilf ihnen nicht, wenn wir hier bleiben. Wir müssen Hilfe holen.“ Er hatte recht. Natürlich hatte er recht. Hierbleiben half wirklich niemandem. Um zu anderen Dörfern und Menschen zu kommen, ging es schneller, wenn wir über die Berge gingen, also mussten wir auch nicht zurück.
Gwen nahm meine Tasche und nickte mir aufmunternd zu. Ich fragte mich, wo er –auch in schlimmen Momenten – immer diese Zuversicht hernahm. Seufzend betastete ich eine Beule an meiner Stirn. Ich hasste Beulen. Als kleines Kind bin ich immer an den Balken über meinem Bett gestoßen. Eigentlich hatte ich beschlossen, dass das für ein Leben genug Beulen gewesen sind. Ich drehte mich um und wir machten uns auf den Weg in den großen, wilden Wald.
„Warum warst du allein?“, fragte ich Gwen, während das Laub und die Zweige unter unseren Füßen knackten.
„Ich hab mich nicht ganz so benommen, wie ich eigentlich sollte.“, antwortete er ohne Reue.
„Aber Wasser haben sie dir gegeben?“, fragte ich.
„Tja Fuchs, nicht alle wirken so abschreckend wie du!“, er grinste und ich rammte ihm meinen Ellbogen in die Seite. Aber es stimmte ja, ich verhielt mich eher abweisend.
„Wo wollen wir überhaupt hin gehen?“, fragte ich ihn. Gwen zögerte kurz. „Schau, dort!“, er deutete hinter uns. Da, über den Baumkronen ganz schwach stieg Rauch empor, wurde immer dünner und verlor sich schließlich im Himmel.
„Da ist das Dorf, wenn wir uns jetzt weiter nördlich halten, müssen wir über den Tannberg und würden bei Mallark rauskommen.“
Ich nickte. Mallark war auch ein Dorf wie Mart, aber ein wenig größer und nicht ganz so abgelegen. Es war immerhin schon mal ein Ziel, aber selbst wenn Mallark noch ein freies Dorf wäre, ist es doch zu bezweifeln, dass es genügend Leute gäbe, die sich bereit erklärten, dem so ziemlich sicheren Tod entgegen zu gehen. Ich wollte gar nicht daran denken, was uns das noch alles für Hindernisse bringen könnte.
„Wir sollten langsam mal darüber nachdenken, was wir essen wollen.“, erinnerte ich Gwen.
Er lächelte und holte aus einer seiner hunderten Hosentaschen ein Knäul festen Strick heraus.
„Wie wäre es mit einem Bogen?“ Ich konnte nicht anders als ihn zu bewundern. Vielleicht sollte ich mir auch mal angewöhnen solche nützlichen Dinge bei mir zu haben. Einen Bogen zu bauen war zwar nicht leicht, aber wir hatten es beide schon einmal gemacht. Außerdem konnte ich schießen. Schon mein Vater hatte mich gelehrt, mit Pfeil und Bogen umgehen zu können. Es ist die beste Methode um an frisches Fleisch zu kommen.
Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, ein paar dünne Stöcke vorne mit meinem Messer anzuspitzen, während Gwen ein Stück Schnur zwischen einem biegsamen Stock spannte.
Ich hatte mich seit gestern Morgen nur von dem bisschen Brot aus meiner Tasche ernährt und mein Magen knurrte schmerzhaft. Die Hitze war wie am Vortag unerträglich. Es wurde immer schwerer sich zu konzentrieren und das Wasser war bald alle. Ich versuchte die Panik deswegen zu unterdrücken.
Gwen hielt mir den fertigen Bogen vor die Nase. Ich strich mir das verdreckte, strähnige, rote Haar aus dem Gesicht und begutachtete ihn sorgsam. Er war stabil und ließ sich leicht biegen. Den Bedingungen entsprechend war er fast ein Prachtexemplar.
„Nicht schlecht!“, sagte ich und er grinste herausfordernd.
„Jetzt bist du dran.“
Während er sich auf dem Boden austreckte, schlich ich zwischen die Bäume und legte einen Pfeil ein. Es fühlte sich gut an, es brachte mir genau in Erinnerung, wer ich war.
Das ausgetrocknete Laub auf dem Boden knisterte verräterisch. Langsam und leise, einen Fuß vor den anderen setzend lief ich weiter und hielt Ausschau nach etwas Lebendigem. Für eine Weile war ich ganz und gar mit dem Wald verschmolzen, lauschte auf die Geräusche und beobachtete jede noch so kleine Bewegung. Ein süßer Blumenduft wehte mir ins Gesicht.
Oben in den Baumkronen zankten sich zwei aufgeregte Krähen.
Da, ein Eichhörnchen, es saß oben auf einem Baum und nagte an etwas. Ich spannte den Bogen und zielte. Seine schwarzen runden Augen funkelten wachsam in der Sonne, der wuschelige bräunlich-rote Schwanz schwang hin und her. Ich schoss. Es gab ein surrendes Geräusch und ein Rascheln als das getroffene Tier auf die Erde stürzte.
Gwen nickte anerkennend, während ich den Pfeil aus dem Körper des Eichhörnchens entfernte.
„Wir sollten uns das bis heute Abend aufheben und erst mal nach einer Stelle suchen, wo wir sicher ein Feuer machen können.“ Ich ließ unsere Beute in meine Tasche sinken und wir stapften weiter. Da wir nach Norden gingen, wurde der Wald bald etwas dünner und die Landschaft hügliger. Manchmal sahen wir schon die ein oder andere Bergspitze, hinter der die sengende Sonne verschwand. Geschützt in einem Tal machte ich, während Gwen auf dem Felsen neben mir Wache hielt, Feuer und richtete das Eichhörnchen mit dem Messer einigermaßen essbar her. Nachdem wir beide satt waren, übernahm ich die erste Nachtwache. Uns erschien es so sicherer, da wir stark davon ausgingen, dass man uns suchen würde. Die Nacht war friedlich nur die Grillen zirpten leise im Gras. Es war Vollmond. Breit und klar stand der Mond an dem wolkenlosen Nachthimmel.
Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Felsen, probierte an nichts zu denken und mich auf die Geräusche zu konzentrieren um nicht einzuschlafen. Die Zeit verging. Irgendwann verstummten die Grillen und vom vielen in den Himmel starren und die funkelnden Sterne beobachten war mir schon ganz schummrig. Ich weckte Gwen, er streckte sich, nahm den Bogen und meinen Posten ein. Todmüde rollte ich mich im Gras und Laub zusammen. Es war selbst in der Nacht noch so warm, dass ich anfing zu schwitzen.
Obwohl ich so müde war, konnte ich nicht sofort einschlafen. Lauter Sorgen geisterten mir durch den Kopf, unruhig wälzte ich mich hin und her und als die Müdigkeit schließlich siegte, war mein letzter Gedanke, dass wir morgen unbedingt Wasser finden müssen.
Kapitel 5
Die Glut des Feuers pulsierte wie das Herz eines Tieres. In gleichmäßigen Abständen züngelte eine zarte Flamme empor und die Funken versengten die schmächtigen Grashalme. In dieser Nacht tat die Wärme sehr gut, da es, je näher wir den Bergen kamen, nun schon viel kälter wurde.
Wir hielten wieder abwechselnd Wache. Doch ich konnte kaum
Am Morgen nach meiner Wache kam Gwen gähnend aus der kleinen Höhle und betrachtete missbilligend meine tiefen, lila Augenringe. Nachdem wir sparsam noch ein wenig von den Hasen gegessen hatten, packten wir alles zusammen und füllten die Wasserflasche noch einmal auf.
Die Berge kamen jetzt immer näher. Es war eine karge Landschaft. Kaum noch Bäume waren zu sehen, nur niedrige Büsche oder Hecken und die langen trockenen Grashalme wurden von einem starken Wind wellenförmig auf die Erde gedrückt. Schweigend versuchten wir nördlich zu bleiben um uns nicht zu verlaufen. Am Nachmittag machten wir an einer windgeschützten Stelle eine kleine Pause. Während Gwen sich ein bisschen ausruhte, spielte ich gedankenverloren mit meinem Messer. Die Klinge war am Ansatz schon etwas eingerostet, aber vorne glänzte und funkelte sie im Sonnenlicht. Der Griff war aus dunklem Holz und am Ende war eine kleine Spirale eingeritzt. Es schien schon alt, aber es war immer noch sehr schön. Plötzlich keuchte ich auf. Gwen fuhr aus seinem Halbschlaf hoch und sah mich mit halb geschlossenen Augen an.
„Was ist los?“
„Hier schau!“, ich hielt ihm das Messer unter die Nase und deutete ungeduldig auf den Griff. Dort war auf der einen Seite ganz klein etwas eingeritzt. Es war ziemlich unordentlich und Gwen brauchte eine Weile bevor er es entziffert hatte.
„Berg der Wölfe. Ja und?“
„Gwen“, rief ich ungeduldig. „Das Messer hat mir die alte Frau gegeben die mit mir im Stall eingesperrt war. Und das Eingeritzte scheint noch nicht so alt zu sein.“ Gwen setzte sich auf und schaute mich skeptisch an. „Eine alte Frau…Aha. Am Berg der Wölfe, hast du eine Idee was dort sein könnte?“
Nein, das hatte ich nicht. Alles was ich bis jetzt vom Berg der Wölfe gehört hatte war, dass es ein kleiner Teil vom Gebirge ist. Nicht besonders hoch, aber keiner wusste es so genau, denn es verirrte sich selten jemand in diese Gegend. Die Bewohner von Mart hatten große Angst vor den sogenannten Geisterwölfen, von denen es dort angeblich nur so wimmelte. Seltsame Dinge sollen dort geschehen. Menschen, die zum Berg der Wölfe loszogen, sind nie zurückgekehrt. Keiner wusste, was aus ihnen geworden ist, keiner wusste was in dem Gebirge oder dahinter ist.
„Es ist riskant“, Gwen betrachtete die sich im Wind wiegenden Grashalme.
„Falls wir nichts finden und sich alles als umsonst herausstellt, haben wir viel Zeit verloren.“
„Heißt das jetzt wir versuchen es?“, fragte ich.
Er sah mich nachdenklich an. Ich hatte ihm nie von meinem Traum erzählt. Er wusste nicht,
dass ich dieser Frau blind vertraute und auch nur dem kleinsten Hinweis von ihr folgen würde. Wir starrten zu den schwachen Umrissen der hohen Berge am Horizont.
„Bis zum Berg der Wölfe wird es noch weit sein und keiner von uns war auch nur schon mal in dessen Nähe.“, gab Gwen zu bedenken.
„Aber so viele andere Möglichkeiten haben wir nicht, wir können nicht mit ein paar Leuten aus Mallark gegen die Krieger des Königs antreten!“, sagte ich leise.
Er nickte schweigend.
Kapitel 6
Der Rest des Tages wurde grauer. Wolken schoben sich vor die glühende Sonne und der heftige Wind begleitete uns die ganze Zeit. Wir stapften unaufhörlich durch Gras, Gesträuch und Steine. Meine Füße fühlten sich langsam wund an, ich spürte deutlich wie die Anstrengung an meinen Kräften nagte. Es war unheimlich, nicht zu wissen, wo man hin kam. Die Umgebung unseres Dorfes kannte ich in und auswendig, aber noch nie waren weder ich noch Gwen so weit weg gewesen. Vor uns kamen die Berge immer näher und wurden höher.
Doch was war das? Dieses Geräusch, dieser Geruch? Gwen seufzte erschöpft.
„Wir sollten für heute nicht mehr weiter gehen, es wird eh bald dunkel.“
„Nein warte“, sagte ich aufgeregt. „Hörst du das nicht? Riechst du nichts?“ Er schaute mich verwirrt an, doch ich rannte schon los. Wie beflügelt stürmte ich über die unebene Wiese und blieb dann ganz plötzlich stehen. Da war es. Das Meer. Grau und riesengroß, kleine weiße Schaumkronen sprudelten auf dem Wasser und der feuchte Wind trieb mir einen starken Geruch nach Salz und Algen ins Gesicht. Ich stand da, unfähig mich zu bewegen. Verzaubert von den Anblick der Wassermassen und dem intensiven Geruch. Noch nie hatte ich ein Meer gesehen, noch nie so viel Wasser auf einmal. Früher hatte man mir Geschichten über die großen Meere erzählt, aber keiner sagte mir wo ich eins finden könnte. Damals war ich von den Geschichten fasziniert, doch keine war so wundervoll wie dieser Anblick.
Neben mir sah Gwen so aus als könnten ihm jeden Moment die Augen ausfallen. Seine Brust hob und senkte sich als er in tiefen Zügen die salzige Meeresluft einatmete.
Wir standen auf einer Art Klippe. Ein paar dichte Sträucher standen direkt am Abgrund, deswegen hatten wir nichts gesehen. Vor meinen Füßen ging es steil bergab, tief unter mir auf dem feuchten Sand lagen abgebrochene oder umgestürzte Zweige und Bäume. Neben dem unendlichen grauen Wasser türmten sich die Berge mit steil abfallenden Klippen. Überall lagen abgestorbene, kahle Baumskelette und große Felsbrocken. Ein paar schmächtige Möwen pickten in dem, von Rinnsalen durchzogenen Sand umher und kreischten ab und zu kläglich. Trotz der vielen Geräusche hatte man das Gefühl absoluter Stille.
Wir blieben lange hier und genossen die Erholung von der glühenden Sonne. Gwen hatte eine Stelle gefunden wo man einigermaßen gefahrlos hinab klettern konnte. So lange es noch hell war, tobten wir am Wasser herum, bewunderten die schönen kleinen Muscheln oder kühlten die Blasen an unseren Füßen. Das gleichmäßige Rauschen der Wellen wiegte mich schließlich ruhig in den Schlaf.
Als ich früh am nächsten Morgen erwachte viel mein Blick als Erstes auf eine schmutzige Möwe mit von Schlamm verklebten Federn die meine Tasche mit dem Schnabel untersuchte.
„Schschsch“, machte ich und sie flog empört kreischend davon. Ich streckte mich und nahm die Wasserflasche. Sie war fast leer. Ich nahm einen halben Schluck und reichte sie an Gwen weiter, der sich gerade aufsetzte. Schade, dass man Salzwasser nicht trinken konnte, das könnten wir jetzt gut gebrauchen.
„Es ist so schön hier, am liebsten würde ich bleiben“, seufzte ich und lehnte mich an den Baumstamm hinter mir. Gwen lächelte.
„Wir werden wieder kommen. Versprochen.“
„Wie weit wird es noch sein?“, fragte ich.
„Ich weiß es nicht. Aber wahrscheinlich werden wir ein bisschen klettern müssen.“
Damit behielt er recht. Sobald wir wieder auf den Klippen waren, liefen wir eine Weile parallel zum Meer bis uns immer mehr Felsen den Weg versperrten. Es wurde nun sehr beschwerlich. Hunger und Durst machten das Ganze nicht gerade einfacher.
„Was glaubst du passiert nun im Dorf?“, fragte ich Gwen irgendwann.
„Wir wollen nicht das Schlimmste befürchten.“, sagte er nur kurz.
„Du machst dir über irgendetwas große Gedanken.“ Er zögerte.
„Was wenn der König beschlossen hat, die Menschen zu versklaven? Wenn keiner mehr da ist, sobald wir zurück sind.“ Ich schwieg. Genau darüber hatte ich mir auch schon Sorgen gemacht. Die einzige Beruhigung war, dass es so aussah, als wollten die Krieger sich eine Weile niederlassen. Wir konnten nur vermuten und hoffen.
Ein paar kräftige Felsen versperrten uns den Weg und wir machten uns daran sie zu überqueren. An dem rauen Stein schürfte ich mir die Arme und Handflächen auf. Meine Hose war an den Knien schon ganz zerfetzt. Gwen streckte mir von oben die Hand entgegen, aber ich ignorierte sie und schwang mich mit einem Satz neben ihn. Er grinste nur. Gerade waren wir dabei, uns einen Weg mitten durch das Geröll zu bahnen, als Gwen einen lauten Ruf ausstieß. Er bückte sich nieder und lachte kurz darauf auf. Neugierig blickte ich ihm über die Schulter. Da floss wie ein glitzerndes Band ein schmales Rinnsal klares, eiskaltes Gebirgswasser in Schlängellinien zwischen dem Gestein hindurch. Erleichtert bückte auch ich mich nieder, ließ die Hände in das prickelnde Wasser gleiten und trank in großen Schlucken. Das nahm mir mein Magen gleich ziemlich übel. Ich presste die Hände an die Schläfen.
„Wir brauchen unbedingt etwas zu Essen.“, erinnerte ich Gwen.
„Du kannst das besser als ich. Lass uns hier eine kleine Pause machen.“ Er reichte mir den Bogen und ich nahm mir ein paar Pfeile und machte mich auf den Weg etwas Essbares zu finden.
Irgendwo muss es hier doch etwas Lebendiges geben. Dort waren ein paar Vögel, aber sie waren klein und sehr weit weg. Ich spannte schon den Bogen um es zu versuchen, da wurde meine Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt. Zuerst hörte ich nur das leise Quieken, dann sah ich in einem Felsspalt etwas Wuscheliges sitzen. Noch nie hatte ich es gesehen, aber ich vermutete dass es eine Art Steinratte war. Sie zu erlegen war nicht schwer und sie war groß und dick. Ich war sehr froh, dass Gwen schon Feuer gemacht hatte, denn ohne die leichte Rauchfahne, die in den Himmel stieg, hätte ich wohl eine Weile gebraucht um zurück zu finden.
Stolz zeigte ich ihm meinen Fang. Vom Hunger getrieben brieten wir das Tier sofort.
Nach einem sparsamen aber stärkenden Essen krakelten wir weiter.
„Ich hoffe, wir sind noch richtig.“, sagte ich als wir eine Kuhle aus Geröll durchquerten.
„Ich denke schon.“, antwortete Gwen. „Schau zu der Sonne, wir laufen immer weiter nach Norden. Vorsicht!“ Zu spät. Der Stein an dem ich mich gerade hoch ziehen wollte gab nach und ich rollte ein unangenehmes Stück nach unten. Gwen sprang mir nach und hielt mich am Arm fest. Ich stöhnte. Das gab sicher einen Haufen blauer Flecke. Missmutig richtete ich mich wieder auf, kletterte aber tapfer weiter. Jetzt wurde es wirklich immer schlimmer. In schon fast schwindelerregender Höhe, sprangen und hangelten wir immer weiter.
Der Rest des Tages verging ohne weitere Ereignisse. Als es anfing zu dämmern, suchten wir uns einen geeigneten, sicheren Schlafplatz. Alles war totenstill. Die Felsen und Bergspitzen malten gespenstische Schatten aufeinander und Mond und Sterne leuchteten ungewöhnlich hell.
Dann hörten wir es. Sanft und durchdringend zugleich, wunderschön klar und traurig.
Das einzelne Heulen eines Wolfes, als begrüße er uns in seinem Gebiet.
Ich hätte nicht gedacht, dass sie mitten in der Nacht heulen, es jagte mir einen Schauer über den Rücken und von dem zauberhaften Klang bekam ich eine Gänsehaut.
„Wir sind fast da.“, flüsterte Gwen.
„Ja.“ Meine Stimme war nur ein Hauchen.
Kapitel 4
Ein starkes Rütteln an meiner Schulter weckte mich.
„Fuchs, schnell du musst aufwachen!“. Verwirrt setzte ich mich auf. Gwen packte gerade in größter Hast all unsere wenigen Habseligkeiten in die Tasche. Ich runzelte die Stirn.
Was war denn jetzt los?
„Da sind Reiter, vielleicht schaffen wir es noch, bevor sie uns entdeckt haben.“
Jetzt war ich wach. Blitzschnell, so das sich vor meinen Augen alles drehte, stand ich auf, schnappte mir den Bogen und die mit langen Grashalmen zusammengebundene Pfeile. Es war noch sehr, sehr früh. Am Horizont war der Himmel vom Sonnenaufgang in ein wunderschönes Feuerrot getaucht. Wir hatten keine Zeit dies zu bewundern.
Wir erklommen eilig einen Felsen. Gwen zog mich in die Hocke und deutete in eine Richtung. Ich folgte seinem Blick und sah zwei gepanzerte Reiter. Es wunderte mich, dass sie schon so früh unterwegs waren. Sie hatten uns noch nicht entdeckt, aber sie ritten direkt auf uns zu.
Wir mussten hier unbedingt weg. Ich ließ meinen Blick umherschweifen auf der Suche nach einem Fluchtweg. Links von uns war eine Kule und ringsherum hohe Felsen. Sackgasse.
Doch hinter uns ging es ein Stück bergab und dann wieder einen Hügel hinauf, dahinter müsste es ja weiter gehen. Ich machte Gwen darauf aufmerksam und er nickte. Auf ein Zeichen liefen wir den Berg hinab und dann wieder rauf. Gerade wollten wir auf der anderen Seite hinunter rennen, als wir Rufe hörten und wussten, dass man uns bemerkt hatte. Jetzt gab es keine Zeit mehr zu verlieren. Wir rasten den Berg runter und blieben stocksteif stehen. Da war nichts,
wo wir uns verstecken könnten, da war nur eine gigantisch tiefe Schlucht. Bäume, Steine und anderes Geröll lagen darin. Aus dem Nichts, wie ein großer Schlund zog sie sich durch die Landschaft.
Panisch sah ich Gwen an, doch er bedeutet mir zu lauschen und ich gehorchte. Zuerst hörte ich nur das Hufgetrappel der näher kommenden Reiter. Und dann noch etwas anderes, ein Rauschen und Plätschern. Mit großen Augen sah ich Gwen an, er nickte und wir rannten parallel zu der Schlucht los. Diese wurde nach hinten zu immer schmaler bis sich der Riss weit in der Ferne ganz schloss und die Schlucht flacher wurde. Doch da waren wir noch nicht und die Reiter kamen immer näher. Aber auch das vielversprechende Rauschen wurde lauter. Und dann endlich, wir hetzten an einem Felsen vorbei und sahen ihn, den Fluss. Er war nicht besonders breit, aber das sprudelnde Wasser lies mich erleichtert aufatmen.
Der erste Reiter bog um die Ecke und ich lief rückwärts zum Fluss, um ihn im Auge zu behalten. Gwen wollte sich gerade in das rettende Wasser stürzen als der zweite Reiter von der Seite auftauchte und uns den Weg versperrte.
Jetzt standen wir mit dem Rücken zu der gefährlichen Schlucht. Gwen rollte sich geschickt zur Seite ab, als der eine Königskrieger geradewegs auf ihn zu ritt und warf eine Hand Steine auf das Pferd des Reiters. Dieses scheute und fuhr empört zurück, doch der Krieger drängte es wieder vor.
Inzwischen legte ich einen Pfeil ein, spannte den Bogen und zielte auf den ersten Reiter.
Ich konzentrierte mich und schoss. Bevor der Krieger sich hinter seinem Pferd verstecken konnte bohrte sich der Pfeil in sein linkes Handgelenk. Er brüllte laut vor Schmerz, sein Pferd machte einen Satz nach vorn und ich stürzte auf die Erde. Hunderte spitze Steine gruben sich in meine Handflächen und Ellbogen, ich versuchte nicht darauf zu achten. Die rechte Hand des Kriegers schnellte vor, gerade noch rechtzeitig warf ich mich zurück und der lange Speer blieb neben meinem Bein in der Erde stecken.
Als der Reiter sah, dass er mich nicht getroffen hatte, trieb er wüten sein Pferd an.
Mit schäumendem Maul kam das Tier auf mich zu gedonnert.
Verzweifelt versuchte ich mich aufzurichten. Ich hörte Gwen aufschreien, doch es war zu spät. Meine Hände griffen ins Leere. Hinter mir war nichts, wo ich mich abstützen könnte.
Mein Körper zog mich ganz langsam nach hinten und ich fiel…
Alles war rot und schwarz. Ich spürte nichts außer ein unangenehmes Rauschen und Dröhnen. Neben meinem Ohr leierte es dumpf und unzusammenhängend. Irgendwann konnte ich einigermaßen klare Gedanken fassen. Das Leiern verwandelte sich in eine Stimme und die Stimme in Worte.
„Fuchs? Hörst du mich? Alles ist in Ordnung.“. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, aber es war mir als wären meine Lider Kilo schwer. Schließlich blinzelte ich ein wenig, es flackerte und blendete. Ich öffnete die Augen noch ein kleines Stück und blickte in Gwens erleichtert lächelndes Gesicht.
„Endlich.“, flüsterte er leise.
Ich wollte mich aufrichten aber da fing mein Kopf wieder an zu dröhnen und der Schmerz drückte mich nieder. Ich versuchte angestrengt nachzudenken, gerade öffnete ich den Mund um Gwen mit Fragen zu überschütten, aber er legte mir ein nasses, kaltes Stück Stoff auf die Stirn und legte den Finger an die Lippen. Wieder schloss ich die Augen, das Einzige was ich noch mit bekam war, wie elend ich mich fühlte.
Nach einer Weile hatte ich nicht mehr ganz so starke Kopfschmerzen. Vorsichtig stützte ich mich auf und lehnte mich an einen harten Felsen. Meine Lippe war aufgesprungen und brannte.
„Was ist mit mir passiert?“, fragte ich Gwen. Er reichte mir die Flasche, gierig trank ich einen großen Schluck, um meine kratzende Kehle zu ölen.
„Du hattest riesen Glück mit der Schlucht, dein Sturz wurde von ein paar Zweigen abgefedert.“. Er deutete auf meinen Nacken. Ein paar lange rote Striemen, zogen sich quer über meine Haut.
„Fast zwei Tage warst du bewusstlos, ich hatte riesige Angst, als du nicht mehr aufgewacht bist.“, sagte er ernst.
Stöhnend betastete ich mein Gesicht, es fühlte sich total zerschlagen an. Zu der Beule war eine große Platzwunde gekommen. Vorsichtig bewegte ich meine Glieder, es schien nichts gebrochen zu sein. Ich schaute mich um. Um mich herum waren von reichlich Flechten und Moos bewachsene Felsen. Nur nach oben hatten wir einen freien Blick auf den Himmel. An einer Seite gab es in dem Gestein einen schmalen Schlitz und ich konnte das nahe Rauschen des Wassers hören. Wir mussten noch immer an derselben Stelle wie vor zwei Tagen sein. Aber da war doch noch was...
„Die Krieger, wo sind sie hin?“, fragte ich in plötzlicher Unruhe. Gwen schüttelte nur langsam den Kopf.
„Den ersten hat sein Pferd abgeworfen, der ist tot. Und der andere war auch nicht mehr in der Verfassung etwas zu unternehmen. Wahrscheinlich ist der jetzt auch schon tot.“
Nachdenklich schaute ich ihn an. Er wirkte missmutig und müde, in seiner Stimme schwang eine ungewohnte Bitterkeit mit.
Ich nahm noch einen großen Schluck von dem frischen, kalten Wasser. Mein ganzer Körper fühlte sich fad und ausgelaugt an. Gwen reichte mir einen kleinen Vogelschenkel, er grinste schon wieder.
„Ich hab einige Anläufe gebraucht, bin nicht halb so ein guter Jäger wie du.“.
„Wie soll es jetzt weiter gehen?“, fragend sah ich ihn an und nagte an dem kleinen Knochen.
„Erst mal müssen wir wohl warten bis es dir besser geht.“, sagte er.
Ich seufzte. Die Vorstellung tatenlos hier zu bleiben behagte mir gar nicht. Hätte ich doch bloß nicht die Angewohnheit, so ungeduldig zu sein. Mein Knöchel schmerzte ein wenig als ich langsam aufstand.
„Fuchs.“, sagte Gwen warnend und beobachtete mich besorgt. Ich tappte einen Fuß vor den anderen setzend durch den Schlitz hinaus aus unserem kleinen Unterschlupf. Die Hitze traf mich wie ein Schlag. Mir wurde bewusst wie dreckig und verschwitzt ich war. Die Kleider klebten mir am Leib. Sehnsüchtig spähte ich hinunter zu dem sprudelnden Fluss. An dem mit grünem Gras bewachsenem Ufer hatten sich einige braune Hasen versammelt.
Ein Pfeil surrte an mir vorbei und einer der Hasen lag bewegungslos am Boden, die anderen ergriffen die Flucht. Gwen lachte triumphierend auf.
„Endlich mal was Ordentliches!“. Er sprang auf um die erlegte Beute zu holen. Dann warf er mir einen prüfenden Blick zu.
„Wenn du nicht mehr umkippst, könntest du dort hinten im Fluss baden, da ist die Strömung nicht so stark. Ich mache uns in zwischen ein Abendessen.“. Er ließ den Hasen am Schwanz hin und her baumeln.
Also stapfte ich hinunter zum Flussufer. Ich war mir sicher, dass ich nicht wieder umkippen würde, abgesehen von der Hitze fühlte ich mich, dafür dass ich hätte tot sein können, sehr gut. Ich zog Schuhe und Hose aus und ging die ersten Schritte in das Wasser hinein. Es war überraschend kalt. Wahrscheinlich weil es direkt aus den Bergen kam. Gwen hatte recht, was die wenige Strömung betraf, gemütlich trieben ein paar Blätter auf dem tiefen, klaren Wasser.
Mit zackigen Bewegungen floh ein Schwarm kleiner Fische vor meinen Füßen. Ich ließ mich tiefer in das Wasser sinken. Es war wunderbar erfrischend und säuberte die brennenden Wunden. Die Strömung fuhr durch meine Haare als ich meinen Kopf in den Nacken legte und meine Füße lösten sich vom Boden. Ich ließ mich ein Stück treiben und starrte in den blauen Himmel.
Dann drehte ich mich um und schwamm gegen den Strom.
Langsam bemerkte ich wie meine Glieder steif von der Kälte wurden. Als ich aus dem Wasser stieg und meine Haare ausdrückte, hatte sich die Sonne schon in ein tiefes Orange verwandelt. Noch eine Weile ließ ich mich von ihr aufwärmen. Ich träumte mit geschlossenen Augen vor mich hin und versuchte all die erdrückenden Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.
Nach einer Weile zog ich meine Hose wieder an, krempelte sie hoch, nahm meine Schuhe in die Hand und lief hoch zu Gwen.
Wir setzten uns mit dem fertig gebratenem Hasen hoch auf einen Felsen um eine gute Aussicht zu haben und aßen in Ruhe. Gwen wirkte bedrückt und redete nicht viel.
„Du denkst oft an zu Hause, oder?“, fragte ich ihn leise. Er schnaubte.
„Was bleibt mir anderes übrig? So hilflos zu sein macht mich fertig.“
„Es…es tut mir leid, dass wir so lange nicht weiter konnten, aber…“
„Nein“, unterbrach er mich. „Es ist doch nicht deine Schuld!“ Er streckte den Arm nach mir aus und legte ihn um meine Schultern. Verzweifelt versuchte ich die Tränen zu unterdrücken.
„Wir werden es schon schaffen. Wir müssen es schaffen!“
Gwen nickte nur und starrte in die Sterne. Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr davon abhalten meine Wangen hinab zu laufen.
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