
Gespensterjäger und der Weihnachtsspuk
Kümmelsaft & Co. müssen Weihnachten retten!
Toms Laune ist im Keller, denn die abscheulichste Zeit des Jahres steht bevor: Weihnachten. Als wären kitschige Lieder, anstrengende Verwandtschaft und fragwürdige Deko nicht schlimm genug, greift Toms Familie beim Weihnachtsbaumkauf auch noch gefährlich daneben. Statt Festtagsfreude und Besinnlichkeit bringt ihre Tanne Grauen und Gefahr ins Haus. Und Toms größter Albtraum wird wahr: Die Gespensterjäger müssen Weihnachten retten!
- Erstmals erschienen 2025
- Lesealter Ab 8 Jahren
- Illustriert von Franziska Blinde
- Verlag Loewe
- Erhältlich bei genialokal.de
- Auch erschienen als eBook · Hörbuch · Hörspiel
Tom war kein großer Freund von Weihnachten. Seine Eltern und seine ältere Schwester Lola dachten schon im September an nichts anderes mehr. Sie diskutierten monatelang, ob der Baum diesmal silberweiß oder rot-grün geschmückt werden sollte, und Lola legte sogar fest, welche Farbe das Geschenkpapier haben musste. Tom, du musst dir nächstes Mal aber wirklich mehr Mühe mit den Schleifen geben. Wie oft er das zu hören bekam! Es war nicht auszuhalten. Seine Eltern heuerten sogar immer noch einen Weihnachtsmann an und erwarteten allen Ernstes, dass er mit zwölf Jahren so tat, als hielte er ihn für echt, und den Glühwein-Atem nicht roch, der durch den falschen Wattebart drang!
Weihnachten wäre schon schwer auszuhalten gewesen, wenn es alle fünf Jahre stattgefunden hätte. Aber JEDES verd ... Jahr??? Und nun war es schon wieder Dezember!
„Bitte, Hedwig!“, bettelte Tom, als er sich am 22. mit Hugo und Hedwig Kümmelsaft zum Adventskaffee in ihrer Wohnung traf.
„Können wir nicht so tun, als müsste ich dringend auf einen Einsatz?“
Seit über drei Jahren ging er nun schon mit Hedwig und Hugo als Kümmelsaft & Co. auf Gespensterjagd. Sie hatten es inzwischen zu ziemlicher Berühmtheit in ihrem Gewerbe gebracht – wofür Hugo natürlich gern die Tatsache verantwortlich machte, dass er selbst ein MUG (ein Mittelmäßig Unheimliches Gespenst) war. Hedwig Kümmelsaft hatte Tom schon mehr als ein Dutzend Mal das Leben gerettet. Aber diesmal schüttelte sie bedauernd den Kopf. Mitsamt all den weißen Locken, die darauf sehr ungebärdig wuchsen.
„Unmöglich, Tom. Uns gehen eh schon die Ausreden aus, warum du so oft mit mir unterwegs bist“, sagte sie, während sie ihm ein weiteres Stück Marzipan-Torte auf den Teller schob. „Lange werden deine Eltern das mit den schulischen Extra-Aktivitäten nicht mehr glauben! Außerdem kann ich dich deiner Familie wirklich nicht guten Gewissens auch noch an Weihnachten entführen!“
Warum denn nicht? Weihnachten mit Hedwig und Hugo war mit Sicherheit so viel mehr Spaß als das, was seine Familie unter Weihnachten verstand! Schon der Gedanke an all die Weihnachtslieder, die er im Duett mit Lola würde singen müssen, ließ Tom gründlicher erschaudern als jeder Spuk, den er bislang bekämpft hatte. Aber sogar Hugo wurde sentimental, wenn es um die angeblich schönste Zeit des Jahres ging.
„Hödwüg hot röcht, Tom. Woihnochten gehört dör Famülie!“, säuselte er.
Mit seinem bleichen MUG-Finger stahl er etwas von dem grünen Zuckerguss auf Hedwigs Torte und schleckte ihn sich genüsslich von der Fingerkuppe.
„Koin onstöndiges Gespönst spukt om 24. und 25. Dözembör!“
„Und? Was ist mit den unanständigen?“, gab Tom gereizt zurück. „Meistens haben wir doch mit denen zu tun, oder?“
Doch Hedwig und Hugo ließen sich nicht umstimmen. An Weihnachten hatte er frei, ob er wollte oder nicht. Verräter!
Er bekam von beiden ein sorgfältig eingepacktes Geschenk (Hugos war natürlich voller schleimiger Fingerabdrücke) und die Ermahnung, sie nicht vor dem Abend des 24. aufzumachen. Dann diskutierten sie, welche Torte Hedwig für sich und Hugo backen würde! Herzlos. Absolut herzlos!
Tom legte die zwei Geschenke zu Hause unter den Weihnachtsbaum und ergab sich mit einem tiefen Seufzer in sein Schicksal. Lola kommentierte natürlich, dass die zwei Päckchen farblich eigentlich nicht zu den anderen passten. Tom war inzwischen sehr gut darin, die Kommentare seiner Schwester zu überhören. Den Baum kauften sie eigentlich immer alle gemeinsam, aber diesmal waren seine Eltern nur mit Lola losgezogen. Nachdem Tom beim Abendessen festgestellt hatte, dass es doch eigentlich eine makabre Sitte sei, sich einen toten Baum ins Wohnzimmer zu stellen. Das Schmuckstück, das sie stolz in die Wohnung getragen hatten, war mittelgroß und sehr ausladend, wie Toms Vater es schätzte, mit buschigen Zweigen und pieksigen Nadeln. Nur der Geruch des Baumes war ungewöhnlich: Es war nicht der übliche Tannenduft, sondern erinnerte eher an Eukalyptus. Tom fand das seltsam. Doch die anderen taten seine Feststellung als die übliche Weihnachtsmuffelei ab und seine Mutter besprühte die Zweige mit Tannenduft aus der Dose.
Natürlich warf Tom sich später vor, dass er nicht sofort begriffen hatte, dass mit diesem Baum etwas ganz und gar nicht stimmte. Aber später war man immer klüger und es war schließlich nicht leicht, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, wenn Weihnachtsmusik durch alle Räume dröhnte – Frank Sinatra wie jedes Jahr, obwohl Lola diesmal Taylor Swift dazwischenmischte.
Als Mama Tom den unsäglichen Weihnachtspullover in die Hand drückte, den ihre Schwester Evelyn vor zwei Jahren für ihn gestrickt hatte, vergaß Tom den ungewöhnlichen Baumduft gleich wieder. Er verspürte nur noch einen Wunsch: sich in seinem Zimmer einzuschließen und erst an Silvester wieder rauszukommen.
Tante Evelyn und ihr Freund Dieter trafen ein, als es draußen gerade dunkel wurde. Ev, wie sie sich gerne nannte, weil sie das für cooler hielt als Evelyn, war die kleine Schwester von Toms Mutter. Ihren Freund nannte Tom insgeheim nur DBD, Dünnbrett-Bohrer-Dieter. Er begann sogleich, Tom nach all seinen Schulnoten auszufragen. Dann kommentierte er – Lola stellte gerade eine Schale Oliven und Hummus zum Naschen auf den Sofatisch –, dass es viel zu viele ausländische Restaurants in der Stadt gäbe. Tom fand es entschieden schlimmer, dass es dort zu viele Dünnbrett-Dieters gab. Aber das sagte er natürlich nicht laut. Toms Eltern und seine Tante hatten zum Glück sehr viel nettere Ansichten und die entnervten Blicke, die Ev dem DBD immer öfter zuwarf, ließen Tom hoffen, dass sie bald Schluss mit ihm machen würde. Er hatte mit Lola sogar schon um zwei Packungen Marzipan-Kartoffeln gewettet, wann das passieren würde.
Der Eukalyptusduft — Weihnachtsbaum war rot und golden geschmückt. Lola hatte Neongelb und Orange vorgeschlagen, aber ihre Eltern hatten sie überstimmt. Tom sah seiner Schwester an, dass sie es ihm immer noch übel nahm, dass er sich der Stimme enthalten hatte.
„Nächstes Jahr werd ich mich definitiv verstecken“, dachte er, während die anderen begannen, ihre Geschenke in säuberlichen Stapeln zu sortieren.
„Keine Weihnachtspullover mehr, kein 'Tom, du kannst doch sicherlich irgendein Weihnachtsgedicht auswendig?', kein Vorspielen von Begeisterung bei scheußlichen Geschenken. Schluss!“
Er griff gerade nach Hugos Geschenk, als er glaubte, aus dem Augenwinkel zu sehen, wie der Baum einen Zweig hob und ein paar weitere sich wie Krallen spreizten.
„Bei allen Schlammgeistern,Tom!“, fuhr er sich an. „Versuchst du dir jetzt einzureden, dass es nicht Weihnachten, sondern Halloween ist?“ Wobei er das fast ebenso wenig mochte. Gespensterjäger hatten einfach zu oft mit echten Spukerscheinungen zu tun.
Der DBD schubste Lola fast in den Baum, so gierig grapschte er nach seinen Geschenken, und Tom machte das dummerweise für die schwankenden Zweige verantwortlich, die sich über Lolas Kopf bewegten. Jede noch so kleine Unaufmerksamkeit kann für einen Gespensterjäger tödlich sein, Tom! Wie oft hatte Hedwig Kümmelsaft ihn schon daran erinnert. Aber er dachte nur daran, wie gestresst er von all dem Weihnachtskram war. Ein Anfängerfehler!
Die Schleife um Hugos Paket zu lösen, war keine leichte Aufgabe bei all dem MUG-Schleim, der an den Bändern haftete. Tom wollte es gerade aufgeben und nach einer Schere greifen, als Lola einen schrillen Schrei ausstieß und plötzlich strampelnd über ihm in der Luft hing.
Ach, was war das für ein Spaß, endlich wieder mit Tom, Hedwig und Hugo auf Gespensterjagd zu gehen ! Ich wusste gar nicht, wie sehr ich sie in all den Jahren seit unserem letzten gemeinsamen Abenteuer vermisst hatte.
Ich gebe zu: Als mir kurz vor Weihnachten die Idee für diese Geschichte kam, war ich nicht sicher, ob es möglich sein würde, einfach so an die anderen Abenteuer anzuknüpfen. Schließlich ist mir einiges im Leben passiert, seit ich mich von Hedwig, Tom und Hugo das letzte Mal verabschiedet hatte. Aber hurra! Es war, als besuchte ich alte Freunde, die ich nur ein paar Monate lang nicht gesehen hatte. Monate, in denen Kümmelsaft & Co. natürlich etliche Spuk-Begegnungen ohne mich gehabt hatten!
Also ... ich hoffe, meine Leser werden beim Lesen dieses Abenteuers ebenso viel Spaß haben wie ich beim Schreiben! Und dass sie sich in Zukunft den Weihnachtsbaum, den sie in ihre Wohnung tragen, sehr genau ansehen.
Oder doch lieber einen aus Treibholz aufstellen, wie ich es schon lange tue.
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