Geisterritter auf Schloss Isny

Gemeinsam mit dem Illustrator Friedrich Hechelmann hat Cornelia Ende September 2011 die Ausstellung der Geisterritter-Originale in Isny eröffnet.

Friedrich Hechelmann und Cornelia. Bei der Ausstellungseröffnung in Isny sind die beiden sich das erste Mal begegnet. Und haben sich auf Anhieb so gut verstanden, als wären sie schon Jahre miteinander befreundet. Vielleicht ist das so, weil sie, bevor sie sich persönlich getroffen haben, die Kunst des anderen kennen gelernt haben und sich so intensiv darauf einließen. Manchmal passiert es dann, dass man das Gefühl bekommt, in Geschichten und Bildern den Menschen zu begegnen, die sie geschrieben beziehungsweise gemalt haben. Cornelia und Friedrich Hechelmann jedenfalls haben sich gleich gemocht. Sonst kann man wohl auch nicht so zusammen grinsen wie die beiden auf dem Foto.

Friedrich Hechelmanns Illustrationen zu Cornelias Geisterritter-Geschichte: Seit dem 24. September 2011 werden die Aquarelle des deutschen Malers und Illustrators in der Kunsthalle im Schloss in Isny ausgestellt. Im zweiten Stock hängen alle 22 Originale in einem langen Flur, und neben den Bildern weisen kleine Schildchen auf die Textpassage aus Cornelias Geisterritter, die Friedrich Hechelmann inspirierte, die Szene zu malen: der Junge Jon Whitcroft, wie er traurig im Zug sitzt, weil seine Mutter ihn in ein Internat abschiebt, die drei knochenbleichen Geister auf ihren Gespensterpferden, die Jon eines Nachts heimsuchen und ihm drohen, die Gespensterexpertin Zelda mit ihrer zerzausten Frisur, der tote Ritter William Longspee, der in der Dunkelheit der Kathedrale von Salisbury seinem Sarg entsteigt, um dem Jungen zu helfen, der ihn auf Knien um seine Unterstützung gebeten hat... Ein ganzes Jahr hat sich Friedrich Hechelmann Zeit genommen, um die Geschichte von Jon Whitcroft und dem Geisterritter William Longspee, der ihm zur Seite steht, in seinen gespenstisch guten Aquarellen zu erzählen.

Es hatte — mal wieder — in Strömen geregnet, und eigentlich war es ganz unmöglich, sich davon zu stehlen während der Hausaufgabenzeit. Zumindest wenn man nicht verdammten Ärger bekommen wollte in der Schule. Aber was ist schon Ärger in der Schule, wenn einem wie Jon Whitcroft in jeder Nacht vier mordlustige Gespenster auf den Fersen sind? Also verdrückt sich Jon, um unweit der Kathedrale Zelda Littlejohn zu besuchen, die Oma von Ella, einem Mädchen, das Jon kurz zuvor in Schule kennengelernt hatte. Man erzählte so einiges von der alten Dame. Dass sie nicht ganz sauber sei, ein bisschen einen Schuss habe, dass überall in ihrem Haus Kröten umherhopsten, und dass sie es mit Geistern habe, vielleicht sogar sei sie ja eine echte Hexe. Zelda Littlejohns Haus stand nahe einer alten Mühle, gleich hinter den sumpfigen Wiesen und durch das eiserne Gartentor war die Kathedrale gut zu erkennen. "Das Gartentor klemmte, und als ich es endlich aufbekam, sprangen tatsächlich zwei Kröten davon. Eine dritte saß auf der Fußmatte vor der Haustür. Sie blickte mit ihren Bernsteinaugen so erstaunt zu mir hoch, als hätte sie noch nie etwas Seltsameres als mich zu Gesicht bekommen." (Geisterritter, Seite 51)

Jon ist mulmig. Dunkel ist es in der riesigen Kathedrale von Salisbury und es riecht nach geschmolzenem Kerzenwachs, als er mit weichen Knien an eines der zahlreichen Grabmale herantritt. Auf einem Sockel aus Holz liegt die Figur eines Ritters, die Hand am Knauf seines Schwerts, über der Brust sein großes Schild mit dem Wappen der Löwen von Salisbury, leicht nur hat er den Kopf nach rechts gewandt. Als würde sie nur seit ein paar Minuten schlafen, wirkt die Gestalt, als würde sie aufwachen, wenn man sie antippt. Und genau das hat Jon, der von Geistern verfolgte Internatsschüler, in seiner Not vor: einen seit Jahrhunderten toten Ritter mit seinem Hilferuf wieder zum Leben erwecken. Albern kommt er sich vor, als er vor dem Grabmal auf die Knie sinkt, um mit dünner und zitternder Stimme in die Nacht zu sprechen.

"Bitte!, hörte ich mich flüstern. Die Worte kamen wie von selbst. Bitte, William Longspee. Hilf mir. Und plötzlich hörte ich Schritte. Klirrende Schritte, wie von Eisenschuhen. Ich drehte mich um. Und da stand er... Er war größer, als ich erwartet hatte, und sein Kettenhemd schimmerte, als hätte der Mond selbst es für ihn gemacht." (Geisterritter, Seite 75 f.)

Skurril, irre, übertrieben und ansteckend komisch: Das Bild von Ella und Hund vor den Dolmen in Stonehenge ist so ganz anders als die vielen düsteren und schummrigen Motive im Geisterritter, aber gerade deshalb passt es ja so gut. Schließlich ist ja auch die Geschichte nicht immer nur gruselig. Auf dem Rücksitz Ella und Jon, auf dem Beifahrersitz einen großen Korb mit einem kleinen Hund und einer fetten darin und um den verstauchten Fuß immer noch meterlange Bandagen ist Oma Zelda in ihrer uralten Karre nach Stonehenge gefahren. Gefahren? Gerast! Als sei sie allein auf der Straße und der Leibhaftige hinter ihr her. In Stonehenge vermuten Ella und Jon das Herz des Geisterritters Longspee versteckt. Doch wie bitte sollten sie danach suchen, wo doch niemand den alten Steinen zu nahe kommen durfte? Nun, dabei sollten der kleine Hund Wellington, die dicke namenlose Kröte und Ellas Oma Zelda helfen.

"Wir fanden Zelda umringt von sehr aufgeregten Russen, Chinesen und Kanadiern, die sich alle furchtbare Sorgen um die arme alte Lady machten, die ihren Hund fast in Stonehenge verloren hatte. Irgendjemand hatte Zelda sogar einen Stuhl gebracht. Wellington saß auf ihrem Schoß — mit so weit heraushängender Zunge, dass sie ihm fast auf die Pfoten hing..." (Geisterritter, Seite 122)

Dieses Bild ist eines von Cornelias Favoriten. Es zeigt den toten Choristen Aleister Jindrich. Aleister war in demselben Internat gewesen wie Jon, und eines nachts war er aus dem Fenster in den Tod gestürzt. Gerüchte hatte es gegeben, er sei gestoßen worden. Doch ob das wirklich so war, ist nie geklärt worden. Als Jon sich in die Schulkapelle zurückzieht, um mal kurz seine Ruhe zu haben, erscheint ihm der Geist des toten Choristen, klein, dünn und durchscheinend, katzengleich sein Gesicht, die Züge von Bosheit und Hinterhältigkeit gezeichnet. Er hatte auf Jon gewartet, um den Zweifel in dessen Herz zu säen: Konnte wahr sein, was dieser Fiesling behauptete, konnte er mit seiner Behauptung Recht haben, mit der Behauptung, dass William Longspee selbst ein kaltblütiger Mörder war, Mörder derer, die ihn um Hilfe anflehen?

"Mein Gegenüber verzog spöttisch den Mund. Ich konnte durch sein Gesicht sehen wie durch zerschlissenen Stoff. Tu nicht so dumm. Ich wette meinen Platz in der Hölle, dass er von dir dieselbe Bezahlung verlangt hat. Stimmts? Er lachte. Es klang ziemlich abscheulich und sein Gesicht löste sich fast auf dabei." (Geisterritter, Seite 131)

Als Jon beginnt, sich gegen die Geister zu wehren, die ihm nachstellen, bringt er damit auch die in Gefahr, die er am meisten liebt. Der fiese Lord Stourton und seine gruselig blutleeren Geisterhelfer haben sich Jons Freundin Ella geschnappt.

Jon hatte Ella in der Schule kennen gelernt, und als sie sich das erste Mal begegneten, war erst mal so rot geworden wie die Geister bleich sind, weil Ella so hübsch ist und so gar nicht schüchtern. Ella und ihre durchgeknallte Oma Zelda — sie hat Haare wie ein zerzauster Vogel Federn — erzählen Jon, was es mit dem Geist, der ihn verfolgt, auf sich hat. Und es sind diese beiden, die Jon ermutigen, sich an den toten Ritter William Longspee zu wenden, damit er ihm hilft, den Geist Lord Stourtons wieder los zu werden. Doch der lässt nicht mit sich spaßen: Als Ella plötzlich verschwindet, dauert es nicht lange, bis Ellas Oma Jon einen Brief zeigt, der seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Auf den Friedhof von Kilmington sollen Zelda und Jon kommen, wenn sie Ella lebendig wiedersehen wollen.

"Es war eine kalte Nacht. Zwischen den Grabsteinen hatte sich Nebel gebildet, so weiß und feucht, als atmeten die Toten unter der Erde ihn aus, und in dem Dunst warteten vier Männer... Einer von ihnen drehte sich um und zerrte Ella hinter einem der Grabsteine hervor... Dann setzte der bleiche Reiter über das Friedhofstor, der mich so viele Tage und Nächte in Angst versetzt hatte. Diesmal war er wie Longspee von Licht umgeben, aber das seine färbte den Nebel so schmutzig grün wie Schimmel ein altes Brot." (Geisterritter, Seite 157 f.)

Gerade kommt Cornelia aus der Kunsthalle im Schloss Isny. Dort hat sie die Originale zu den Illustrationen in ihrem Buch Geisterritter zum ersten Mal gesehen. Für die Ausstellungsfahne, die über dem Eingang hängt, hat der Künstler Friedrich Hechelmann das Motiv mit Ella und dem toten Choristen Aleister Jindrich gewählt. Es wirke, sagt er, auch auf die Entfernung gut, wie der tote Chorist Ella in der Kathedrale bedrängt. Verschlagen wie eine Grinsekatze aus Alice im Wunderland, so wird der tote Chorist, den Ella und Jon hinters Licht führen müssen, um an Longspees Herz zu kommen, im Buch beschrieben. Also hat Friedrich Hechelmann dem linken, kleinen Aleister ein Gesicht verpasst, das aussieht als drücke sich von hinten der Kopf einer fauchenden Katze in das unsympathische Menschengesicht des Jungen.

Bis auf den letzten Platz war das Kurhaus am Park in Isny bei Cornelias Geisterritter-Lesung besetzt. So dunkel wie in der Kathedrale von Salisbury war es im Saal gewesen während Cornelia drei Passagen vorlas: den Anfang, Jons nächtliche Begegnung mit den Geistern (9548.mov) und die Stelle, an der Jon Whitcroft dem Geisterritter William Longspee das erste Mal nachts im Schimmer des Mondlichts in der Kathedrale von Salisbury gegenüber tritt. Viel zu schnell waren die Seiten gelesen, und viel zu kurz war die anschließende Fragestunde — ganz bestimmt hätten alle noch gerne länger zugehört, und ganz bestimmt hätte Cornelia noch gerne mehr gelesen und weitere Fragen beantwortet (Cornelia, bist du reich? Seit wann wohnst du in Amerika? Wie heißt dein erstes Buch?). Aber gleich im Anschluss an die Lesung stand im Schloss ja die Ausstellungseröffnung an, und so machten sich alle zusammen auf, um sich die Original-Geisterritter-Bilder von Friedrich Hechelmann anzusehen.

Bevor sie beginnt, aus der Geschichte vom Geisterritter vorzulesen, erzählt Cornelia von William Longspee und seiner Frau Ella von Salisbury. Denn bevor sie die Geschichte von Jon Whitcroft und dem toten Ritter, der ihm aus der Patsche hilft, geschrieben hat, recherchierte Cornelia eine ganze Menge in Salisbury selbst und auch in Geschichtsbüchern. "Ella war der erste weibliche Sheriff von Salisbury. Ich war ganz beeindruckt, dass es so etwas überhaupt gab, 1137. Ella liebte ihren Mann sehr. Als der bei einer Seeschlacht verloren ging, wollte man sie zwangsverheiraten, weil sie so eine mächtige Frau war. Ella aber berief sich auf die Magna Charta, die erste Frau, die das tat, und sie verweigerte die Hochzeit mit jemand anderem, bis William zurückkam. Als er zurückkam, wurde gefeiert, und zwei Wochen später war er tot.

Und es gab das Gerücht, dass er vergiftet wurde Ella nahm sein Herz, ritt damit nach Lacock und gründete dort eine Abtei... Diese Geschichte ist natürlich ein fantastischer Stoff für Geschichtenerzähler." Und natürlich ist jede gute Geistergeschichte immer noch ein bisschen besser, wenn sie nicht komplett erfunden ist, eben so wie in der Geschichte vom Geisterritter ganz viel steckt, was wirklich passiert ist. Obwohl: Gibt es denn überhaupt eine Stelle im Geisterritter, die ganz frei erfunden wäre?

Fragestunde nach der Lesung. Warst du gut in der Schule?, fragt ein Junge. Und Cornelia muss nicht lange überlegen, um sich zu erinnern. Deutsch und Englisch und Geschichte habe ich immer gern gemocht, sagt Cornelia. Aber in Sport war ich eine Niete, und in Chemie wurde ich schlechter und schlechter und schlechter. Und mit dem Schreiben, will ein anderer Junge wissen, wie war das mit dem Schreiben in der Schule, hast du das früher auch schon gern gemacht? Ja, und wie. In Deutsch habe ich gerne Aufsätze geschrieben, ich habe losgelegt und die Seiten gefüllt. Am Tag der Rückgabe hieß es dann immer: Cornelia, das war wirklich gut, was du da geschrieben hast, ein toller Aufsatz, wirklich, und der Text hat mir wieder sehr gut gefallen. Aber leider geht er mal wieder total am Thema vorbei.

In der Kunsthalle hatten Friedrich und Cornelia gemeinsam die Ausstellung mit den Illustrationen angesehen, bevor sie für die Besucher geöffnet wurde. Sie haben zusammen vor den Bildern gestanden und Cornelia hat große Augen gemacht, was Friedrich Hechelmann natürlich geschmeichelt hat. Er war ganz erleichtert, dass seine Bilder Cornelia so ausnehmend gut gefallen. So gut sogar, dass sie ein oder zwei Originale kaufen will. Sie kann sich nur noch nicht entscheiden, welche das sein sollen.

Im Schloss Isny schon hatten sie dem Fernsehen Interviews gegeben, und selbst als sie dann gemeinsam von dort den kurzen Weg zur Lesung ins Kurhaus schlenderten, blieb ein Kamerateam den beiden immer dicht auf den Fersen.

Das Refektorium — so nannte man früher den Speisesaal eines Klosters — im Erdgeschoss des Schlosses war am Abend der Ausstellungseröffnung so voll gestopft mit Leuten, dass allenfalls noch ein paar Geister Platz gefunden hätten, wenn sie unter der spätbarocken Deckenmalerei umher geschwebt wären. Längst nicht alle Besucher hatten es in den Saal geschafft. Viele standen in den Gängen des Schlosses, und sogar draußen vor den geöffneten Fenstern warteten die Leute gespannt darauf, dass Cornelia und Friedrich Hechelmann mit dem Signieren beginnen würden. Hier hören alle gerade einem Musiker zu, der bei der Vernissage drei Stücke auf einer Laute spielte. Cornelia und Friedrich Hechelmann mögen Lautenmusik und hören sie manchmal auch beim Schreiben und Malen.

Von der Kamera des Fernsehens im Nacken ließen Cornelia und Friedrich sich nicht stören. Sie unterhielten sich darüber, wie Geschichten im Kopf der Leser Bilder hervorrufen und wie Bilder ihrerseits dem Betrachter Geschichten erzählen können. Eigentlich lese er ja gar nicht solche Bücher wie sie sie schreibe, hat Friedrich Hechelmann Cornelia gestanden. Aber als er das Manuskript von Geisterritter vor sich hatte, da hat ihn die Geschichte um den Internatsschüler Jon Whitcroft und den toten Ritter William Longspee gleich begeistert, und schon nach den ersten Zeilen, die er gelesen hatte, formten sich aus den Sätzen fantastische Bilder in seinem Kopf. Cornelia konnte es gar nicht glauben, dass Friedrich noch nie in England gewesen ist: "Wie er die Kathedrale im Nebel gemalt hat, genau so sieht sie aus, genau so, wenn nachts der Mond scheint und über die Wiese um die Kathedrale, die ja mal ein Friedhof war, der Nebel wabert."

Die beiden hatten Spaß an der Ausstellungseröffnung. Bevor sie zahllose Bücher signierten, die die Ausstellungsbesucher mitgebracht hatten, trugen sich Cornelia und Friedrich Hechelmann in das dicke Buch der Galerie im Schloss Isny ein. Beide hielten auch eine kurze Rede und erzählten, was für eine Überraschung es für sie gewesen war, das Geisterritter-Buch zusammen verwirklichen zu können. Cornelia hatte immer schon davon geträumt, dass einmal eine ihrer Geschichten so fantastisch und üppig illustriert würde wie die alten Märchenbücher aus ihrer Kindheit. Sie hatte ihren Verlag Cecilie Dressler darauf angesprochen, und der Verlag hatte dann Friedrich Hechelmann als Illustrator vorgeschlagen. Davon war Friedrich Hechelmann überrascht gewesen, hatte er doch bis dahin noch gar keine Geschichte von Cornelia gelesen. Und Cornelia war überrascht gewesen, weil sie nach den ersten Arbeiten, die sie von Friedrich Hechelmann sah, fand, dass es gar keinen besseren Illustrator für diese Geschichte geben könne. Und überrascht war sie auch, weil sie sich nicht hat vorstellen können, dass ihr Traum auf eine so schöne Weise wahr werden würde wie mit den leuchtenden, skurrilen, gruseligen und lustigen Bildern, die Friedrich Hechelmann für ihren Geisterritter gemalt hat.

"Sehr glücklich über dieses Fest zu Ehren von Friedrich Hechelmanns wunderbaren Bildern", hat Cornelia unter ihren Namen in das dicke Buch der Galerie im Schloss Isny geschrieben. Darunter lässt sie einen Drachen über das Blatt fliegen, der fertig gezeichnet sehr an Lung aus ihrem Roman Drachenreiter erinnert. Extra für Lesung und Ausstellungseröffnung hatte Cornelia einen Abstecher ins Allgäu gemacht, weil sie bei der Gelegenheit auch Friedrich Hechelmann, den Illustrator des Geisterritters persönlich kennenlernen wollte.

Gerade zeichnet Cornelia ihren Drachen in das Galeriebuch. Von der Seite schaut Friedrich Hechelmann staunend zu, und es ist nicht schwer an seinem Gesichtsausdruck zu erkennen, dass er sich über das Fest zu Ehren seiner Bilder — und natürlich auch zu Ehren von Cornelias Geschichte — mindestens genau so freut wie Cornelia.

Im Sekundentakt kamen beim Signieren die Bücher über den Tisch, und es gab einen Riesenandrang um die Autogramme von Cornelia und Friedrich Hechelmann. Hier kommt gerade ein Geisterritter auf Cornelia zu. Viele brachten aber auch andere Bücher mit, Tintenherz, Tintenblut und Tintentod, Reckless, Drachenreiter und Die Wilden Hühner waren dabei. In wie viele Bücher sie an diesem Abend ihren Namen gesetzt hat? Cornelia weiß es nicht. Es waren so viele, dass sie später am Abend beim Essen doch glatt Schwierigkeiten hatte, ihr Messer noch ordentlich festzuhalten, so müde war ihre Hand. Und so gerne Cornelia Bücher für ihre Fans signiert — eine Sache gibt es, die sie jedes Mal wieder ärgert und die sie wirklich schade findet: dass sie nicht jedem noch eine persönliche Widmung und eine kleine Zeichnung ins Buch setzen kann. Wenn sie das in Isny gemacht hätte, würden die letzten jetzt wohl immer noch in der Schlange anstehen und auf ein Autogramm warten müssen.

Hier signiert Friedrich Hechelmann ein Zwerg-Nase-Buch. Es ist das erste Märchenbuch, das der Künstler illustriert hat. 1972 war das, kurz nach dem Ende seines Kunststudiums in Wien. Seitdem hat Friedrich Hechelmann, der aus dem Allgäu stammt und dort lebt und arbeitet, nicht nur Bücher illustriert — eine Ausgabe der Bibel unter anderem. Er hat auch Drehbücher geschrieben und für das Fernsehen Regie geführt, hat Operninszenierungen und Schauspiele für Theater ausgestattet und große Tafelbilder gemalt, die ebenfalls im Schloss Isny ausgestellt sind. Sogar das weltberühmte Kunstmuseum Eremitage in Sankt Petersburg hat ihm schon eine Ausstellung gewidmet und eine seiner Illustrationen angekauft. Vor dem Geisterritter Cornelias hat Friedrich Hechelmann eine Neuauflage von Momo illustriert, die 2009 zum 80. Geburtstag von Michael Ende auf den Markt kam.

Zusammen schaffen wir das: Unterschreibst du zuerst oder soll ich? Ach, würde Friedrich Hechelmann sagen, du schreibst viel schöner, und Cornelia den Vortritt lassen. Gut, dass die beiden sich schon am Nachmittag gemeinsam die Bilder der Ausstellung angesehen haben, denn am Abend blieb ihnen nicht eine Minute Zeit dazu. Nach dem Ansturm bei der Signierstunde könnte man fast glauben, es gäbe jetzt kein einziges Exemplar von Geisterritter mehr, das nicht die Unterschrift von Cornelia und Friedrich Hechelmann trägt.

Am Morgen nach der Ausstellungseröffnung besuchte Cornelia Friedrich Hechelmann in seinem Atelierhaus ein paar Autominuten vom Schloss Isny entfernt.

Der 63-Jährige begeistert sich für klassische Musik und Literatur nicht weniger als für Malerei. Draußen in der Sonne sitzend unterhalten sich Cornelia und Friedrich Hechelmann darüber, wie ihnen oft der Blick aus dem Fenster ihres Arbeitsraums Ideen liefert, und Cornelia erzählt davon, wie herrlich verrückt die Leute Beverly Hills und Hollywood sind oder zumindest durch die Gegend laufen.

"Früher kam ich mir manchmal vor wie ein rosa Kaninchen", sagt sie, "jetzt komme ich mir vor wie ein rosa Kaninchen in einer Herde aus rosa Kaninchen, wenn du durch die Gegend fährst und begegnest zum Beispiel einem alten Regisseur, der mit blonder Perücke in einem rosa Mercedes-Cabrio unterwegs ist. Dort hast du die Freiheit alles zu sein was du willst." So verrückt sein dürfen, wie man möchte und nicht belächelt werden — Friedrich Hechelmann versteht sofort, was Cornelia meint. "Weißt du eigentlich" fragt Cornelia, "was die Polizei von West-Hollywood auf die Türen ihrer Autos hat lackieren lassen?" "Nein, was denn?" "Einen Regenbogen, stell dir das vor, Polizeiautos mit Regenbogen!"

Rosensträucher wachsen in Friedrich Hechelmanns Garten, Zitronen und allerhand wilder Blumen. Ein Brunnen plätschert sachte vor sich hin, zwischendurch bimmeln ein paar Kuhglocken aus nicht allzu weiter Ferne. Der Garten und das Atelier im Rosenhaus sind Rückzugsort und Inspiration zugleich, ein bisschen so wie auch Cornelias Schreibhaus. Und genau wie in ihrem Garten müsste man sich auch bei Friedrich Hechelmann nicht wirklich wundern, wenn plötzlich ein kleiner Kobold den Kopf aus den Büschen streckt und mit kleinen, schnellen Schritten durch die Wiese stiefelt, die ihm bis zum Bauch reicht.

Text und Fotos: Michael Orth

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