Außergewöhnliche Freunde am See
Geschrieben von brain2206
Es ist ein sommerlicher Samstag. Auf dem Kalender von Ramona ist heute ein dickes Kreuz mit dem Namen Jade markiert. Ramona schläft noch tief und fest, aber ihr Wecker reißt sie aus ihren schönen Träumen mit Jade. Verschlafen öffnet sie das Fenster und wird von einem warmen Wind empfangen. Sie reibt sich die Augen und erkennt sofort den Termin im Kalender. Schnell zückt sie ihr Handy und betrachtet das Bild, wo sie und Jade eine Pizza verspeisen. Sie ist eine so liebe Freundin. Deshalb werde ich ihr noch einen Schokoladenkuchen backen. Gesagt – getan. Nachdem sie sich im Bad frisch gemacht hat, flitzt sie in die Küche und hofft, dass sie noch genug Eier und Mehl hat. Zu ihrem Glück sind sämtliche Zutaten vorhanden. Sie schwingt die Rührschüsseln, heizt den Backofen an und fängt pfeifend an. Als der Kuchen in den Ofen geschoben wird, druckt sie ein Bild aus und setzt es in einen gelben Rahmen. Sie packt es in ein Geschenkpapier und schreibt "für Jade" darauf. Jetzt wartet sie auf den Kuchen …
Jade wacht in ihrer kuscheligen Höhle auf und streckt sich. Sie hüpft aus ihrem Bett aus Stroh und sieht zu ihrem Kalender, der am heutigen Tag Ramona & Flo zeigt. Sie macht sich ein kleines Frühstück und überlegt sich, was sie ihrer neuen Freundin Ramona mitbringen kann. Sie flitzt nachdenklich durch ihre ganze Höhle und sucht vergebens. Dann sieht sie zu ihrem Nachtschränkchen. Sie öffnet die Schublade und holt etwas mit vielen Tränen heraus …
Gegen 12 Uhr klingelt es an Ramonas Tür. Sie öffnet diese und begrüßt Flo mit einer kurzen Umarmung. Stolz zeigt sie ihm den Kuchen, der ihre ganze Wohnung mit einem herrlichen Duft erfüllt. Sie klopft ihm auf die Finger, als er einen Krümel probieren will. „Das erste Stück bekommt Jade“, und packt den Kuchen ein. Flo hat einen großen Picknickkorb und zeigt auf die Uhr. Sie spazieren zur Haltestelle und nehmen den Bus Richtung See…
Jade fliegt mit gemischten Gefühlen. Durch den Wind gleitet sie gelassen ohne große Flügelschläge. Über den See betrachtet sie ihre goldglitzernde Pracht. Sie macht summend ein paar Schrauben in der Luft. Mit ihren scharfen Augen sieht sie bereits Flo und Ramona auf der Wiese und traut ihren Augen nicht: Beide breiten eine große Decke aus und stellen neben frisches Obst und Getränken einen schönen Kuchen bereit. Flo sieht Jade und merkt, dass sie bereits tiefer fliegt und winkt sie her. Am Ende segelt Jade so knapp über das Wasser, das viele Spritzer zu sehen sind. Sie landet direkt vor der Decke und schüttelt mit ihren Schwingen die wenigen Wassertropfen ab.
Jade tapselt zu ihren Freunden und begrüßt sie mit einem zärtlichen Stupps. Ramona zeigt ihrer Freundin voller Stolz ihren selbstgemachten Schokoladenkuchen. Flo baut Teller und Gläser auf und erkennt genau, was Jade in der Hand hält. Er überlegt sich: Sie wird ihr doch nicht …
Doch das tut sie. Sie nimmt die Perlenkette von ihrer Mutter Ophelia und zeigt sie Ramona. Völlig perplex fragt sie, ob das ein Geschenk ist.
Jade stottert: „Nun … also … ich dachte …ich ….“
„Tolle Idee, dass du sie anziehen willst“, ruft Flo und zwinkert zu Jade. Er legt sie Jade an und erklärt Ramona, dass sie diese Kette von Ophelia bei ihrem ersten Date bekommen hat. Ramona sieht zu Flo, der ihr mit einem Auge zuzwinkert und versteht genau.
„Die Halskette steht dir großartig, Jade. Bitte zieh sie immer an, wenn wir uns sehen.“
Jade nickt wortlos und zieht Flo zu sich. Sie senkt den Kopf und flüstert.
„Ich wollte ihr damit ein Geschenk machen und …“
„Das hast du doch gemacht“, tuschelt Flo zurück. „Es ist deine Kette, die du von deiner Mutter bekommen hast.“
Jade sieht zu Ramona, die es sich auf der Decke gemütlich macht.
„Was könnte ich ihr für ein Geschenk machen. Ich habe nichts.“
Flo denkt schnell nach und hat eine Idee. Er setzt sich mit Jade zu Ramona.
„Tut mir leid, aber Jade wollte wissen, wie sie dir ein besonderes Geschenk machen kann.“
Ramona streichelt über ihre warmen Schuppen.
„Du brauchst mir doch nichts schenken, Jade. Es ist doch schön, wenn wir so gute Freunde geworden sind und …“
„Tut mir leid, dass ich euch störe“, spricht Flo. „Die Sonne bringt den schönen Schokoladenkuchen zum Schmelzen. Wir sollten ihn in den Schatten stellen.“ Darauf flüstert Ramona der lieben Drachin etwas ins Ohr. Lächelnd nickt sie und breitet einen Flügel als Sonnenschirm aus, der den ganzen Platz einen angenehmen Schatten spendet. Mit einem glücklichen Gesicht schneidet Ramona ein Stück Kuchen ab und reicht es ihrer Freundin. Nebenher schenkt Flo die Getränke in die Gläser und jeder genießt das bezaubernde Picknick.
Nach einiger Zeit sieht Ramona zu Flo, der eingeschlafen ist. Sie bestaunt Jades Perlenkette und spricht in einem zarten Ton.
„Warum wolltest du mir die Kette schenken?! Sie gehört nur dir! Die darfst du niemals hergeben. Sie erinnert dich doch an das erste Rendezvous mit Flo, was bestimmt schön gewesen ist.“
Darauf zeigt Jade auf den letzten Teil vom Kuchen, der weiterhin lecker duftet.
„Ramona. Schau, was du für mich gemacht hast. So ein Geschenk ist etwas Einmaliges. Flo hat auch so viel mitgebracht, was bestimmt viel Zeit gekostet hat … und was habe ich?“
Darauf springt Ramona auf und stuppst Jade auf ihre süße Nase.
„DU bist hier und wir sind doch gute Freunde. Das ist das größte Geschenk, was es gibt.“
„Bist du mir jetzt nicht böse, dass ich nichts für dich habe?“
Darauf versucht Ramona, Jade in die Backe zu kneifen, was nicht ganz gelingt.
„Jetzt hör endlich auf. Eines Tages hast du bestimmt eine so tolle Idee für uns beide, womit ich nicht rechnen werde.“
Jade nickt und sieht, wie zwei Kinder Ball spielen. Eines der Kinder tritt den Ball so stark, dass dieser Richtung Flo kullert. Er trifft ihn, dass er aufschrickt und den VfB-Ball vor sich sieht. Eines der Kinder kommt auf Flo zu und entschuldigt sich. Er wirft ihm den Ball zu und greift ruckartig zu seinem Geldbeutel. Die Freundinnen sehen, wie er zwei Zettel mit dem VfB-Logo rauszieht und schlägt sich auf die Stirn.
„Ach Mist. Ich habe das heutige Fußballspiel völlig vergessen. Aber … ich … ich wollte …“
Er zwinkert zu Jade und reicht ihr die Tickets.
„Mensch Jade. Ich habe dir doch gesagt, du sollst mich daran erinnern, dir die Karten zu geben. Wolltest du nicht mit deiner besten Freundin zum Spiel?“
Jade hält etwas verdutzt die Karten, wo ihr eine auf den Boden fällt. Ramona hebt diese auf und macht große Augen.
„Das sind aber teure Plätze. Flo – wolltest du nicht gerne zu dem Spiel?“
Er setzt sich wieder und nimmt sich ein Stück Kuchen.
„Nein nein. Das ist das Geschenk von Jade an dich. Sie hat nur so getan, als hätte sie nichts für dich.“ Mit vollem Mund wünscht er den beiden viel Spaß und sieht den Kindern beim Ballspielen zu.
Die Drachin hilft Ramona auf ihren Rücken und fliegt schweigsam Richtung Stuttgart.
„Stimmt was nicht?“, fragt Ramona und streichelt ihre Freundin an den warmen Schuppen. Jade bleibt still und fliegt weiter.
„Jade. Geht es dir weiterhin darum, dass du kein Geschenk hast? Es war doch bestimmt von Flo, oder“
Jetzt wird Jade langsamer, bleibt in der Luft stehen und dreht sich seufzend zu ihrer Freundin.
„Ihr habt sooo viele Dinge dabei und was habe ich!? Nichts. Absolut Garnichts.“
Ramona sieht, wie der Drachin ein paar Tränen an der Wange herunterlaufen. Ramona versucht mit einem Taschentuch zu ihren Hals zu robben. Sie rutscht ab, kann sich nicht mehr halten und stürzt hinab. Jade reagiert prompt mit einem steilen Sturzflug. Der Boden kommt immer näher, Jade laufen die ersten Schweißperlen und greift schwitzend nach Ramonas Hand. Sie streckt ebenso ihre Hand mit aller Kraft aus und schließt die Augen. In den letzten Sekunden hält Jade ihre Freundin fest und fliegt in einem hohen Bogen nach oben; wenige Meter trennten sich vor dem tödlichen Aufprall.
Als Jade wieder in sicherer Höhe zurückgekehrt ist, hält sie ihre schwitzende Freundin in beiden Klauen und sieht ihr ins Gesicht.
„Alles in Ordnung?“
„Mir … mir geht’s gut. Vielen Dank, dass du mich gerettet hast. Ich dachte wirklich, es ist aus und …“
„Ach jetzt hör doch auf“, lächelt Jade. Ich lass doch keinen guten Freund abstürzen.“
Die Drachin lächelt ironisch. „Ich kann doch keine Sauerei am Boden hinterlassen. Was soll ich da Flo sagen?! Du hast einen kleinen Krater im Boden hinterlassen?“
Auf diese Sätze weiß Ramona nicht, was sie sagen soll.
„Hat dir Flo diesen schwarzen Humor beigebracht?“
Darauf kichert die Drachin. „Natürlich. Irgendwie gefällt es mir. Können wir jetzt weiterfliegen?“
Sie nickt und zeigt ihr, wie sie zum Stadion fliegen soll. Vor dem Eingang landet sie und lässt Ramona behutsam absteigen. Viele Menschen mit Vereinstrikot, Schal und Mütze betrachten Jade in einem gebürtigen Abstand. Noch mehr wundern sie sich, wie die Drachin mit Ramona zum Eingang spaziert. Die Herren der Security wollten bereits um Hilfe rufen, aber Ramona kann sie noch stoppen und ihnen alles erklären. In der Zeit kommen ein paar Kinder zu Jade angerannt, die keine Angst vor ihr haben.
Die zwei Freunde betreten unter großem Bestaunen das Stadion. Einer der Security zeigt ihnen die reservierten Sitzplätze. Damit Ramona genügend Platz hat, setzt sie sich auf den Schoß der Drachin. Manche Fans fragen, ob sie ein paar Bilder machen dürfen. Als Dank erhält Jade viele Schals, Mützen und Fahnen beider Teams, die sie mit Freude anzieht. Das Spiel beginnt und alle jubeln ihren Mannschaften zu. Ramona lehnt sich an Jade und spürt ihre warmen Schuppen.
Kurz vor der Halbzeit wird das Spiel unterbrochen. Alle sehen zum Schiedsrichter, der sich schmerzerfüllt das Bein hält. Die Rettungssanitäter tragen ihm vom Platz und die Halbzeit wird gepfiffen. Jade fragt, ob es noch weitere Schiedsrichter gibt. Ramona verneint es, denn auf der Schautafel wird gefragt, ob einer mit Schiedsrichterkenntnissen da ist. Jade dreht sich zu ihrer Freundin.
„Ich habe mit Flo viele Spiele im Fernsehen angeschaut und er hat mir alles erklärt: Vom Abseits bis zur roten Karte. Aber ich kann ja schlecht…“
„Doch du kannst“, unterbricht sie Ramona. „Du kannst leider nicht auf dem Spielfeld sein. Du bist zu groß und vom Rand aus kannst du nicht alles sehen.“
Jetzt lacht Jade. „Von der Luft aus kann ich doch alles genau sehen. Glaubst du, sie lassen mich den Schiedsrichter spielen?“
Darauf fliegt Jade mit ihrer Freundin auf den Platz – die Menschenmenge verstummt. Linienrichter sowie die Trainer gehen auf Ramona und Jade zu und fragen, was sie hier machen. Ramona lässt Jade erklären und alle hören aufmerksam zu. Fragen und Regeln über Fußball konnte sie mit Bravour beantworten, wo selbst Ramona mehr als beeindruckt war.
Nach 10 Minuten nimmt ein Linienrichter das Mikrofon in die Hand: „Liebe Fußballfreunde. Wir haben einen besonderen und einzigartigen Schiedsrichter gefunden. Darf ich vorstellen. Das ist Jade – der drachenstarke Schiedsrichter der zweiten Halbzeit. Sie wird aus der Luft das Spiel im Blickfeld haben und jeden Verstoß pfeifen.“ Der Linienrichter reicht ihr mit einem Jubel die Pfeife.
Jade sieht sich die kleine Trillerpfeife an, wirft sie schmunzelnd zu Ramona und greift sich das Mikrofon. „Ich brüll, wenn etwas nicht passt. Wenn sich jemand gegen meine Urteile beschwert, kann er sich warm anziehen. Lasst uns anfangen.“
Jade breitet unter lautem Gelächter ihre schönen Schwingen aus und erhebt sich. Das Spiel beginnt.
Die zweite Halbzeit läuft viel friedlicher, wie man es beim Fußball kennt. Viele Spieler sehen oft zu Jade, die alles genau betrachtet und nur sehr sehr wenig einen Verstoß melden muss. Da wundert sich die Drachin, ist eigentlich auch froh. Als der Abpfiff vom Linienrichter ertönt, sind alle bei einem Endergebnis von 2:2 mehr als zufrieden. Jade landet auf dem Spielfeld und winkt Ramona her.
„Glaubst du, ich habe alles richtig gemacht?“
„Liebe Jade. Ich finde, du hast es mehr als gut gemacht. Es war atemberaubend. Ich bin sehr stolz auf dich.“
Nun kommen die Spieler auf Jade zu, und bedanken sich für ihre Unterstützung als Schiedsrichter. Die Kapitäne fragen Jade etwas, womit sie nicht gerechnet hat, stimmt aber mit einem Lächeln zu.
Wenige Minuten später kommt einer mit vielen Stiften angerannt und verteilt diese an beide Mannschaften. Jade legt sich flach auf die Wiese und lässt sich von allen mit einer Unterschrift bemalen. Am Ende wird sie mit beiden Teams fotografiert, was jeder auf den gigantischen Anzeigetafeln erblicken kann. Jade errötet bei dem Jubel, den sie erhält und versucht, keine Freudentränen zu zeigen.
Am Ende merkt Ramona, dass Jade ziemlich müde und erschöpft ist. Ich glaube nicht, dass sie den Heimflug schafft. Sie schnippt mit den Fingern und spricht mit dem Trainer vom VFB. Darauf zückt er sein Mobiltelefon und sieht zeitgleich zu Jade.
Nach einem kurzen Gespräch legt er auf und bleibt mit einem kleinen Lächeln stehen. Nach wenigen Minuten hören die Freunde ein Hupsignal und zucken zusammen. Der Trainer murmelt: „Er ist da“, und winkt die Freunde nach draußen.
Sie helfen Jade nach draußen und zeigen ihr den großen Mannschaftsbus vom VfB. Jade gähnt und fragt, was sie machen soll. Ramona lächelt.
„Der Bus bringt uns nach Hause. Schaffst du es auf das Dach?“
Jade fliegt senkrecht nach oben und landet vorsichtig auf dem Dach. Sie legt die goldglänzenden Schwingen auf ihren Rücken, krallt sich am Bus fest und meint, dass sie bereit wäre. Ramona steigt in den Bus und die außergewöhnliche Heimfahrt beginnt ...
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Zu dieser Geschichte gibt es 1 Kommentar
Einen Kommentar hinterlassenSehr schöne und ehrliche Freundschaftsgeschichte! Mein Feedback.. da Jade ja die ganze Zeit bedrückt ist, weil ihre beiden besten Freunde sie mit Überraschungen "überhäuften", sie für Ramona die Kette anziehen soll und ihr das Leben retten, hätte ich als Dankeschön an Flo (von dem sie ja auch die Karten bekam, obwohl er gerne gegangen wäre) auf kurze Unterbrechung gebetet, Flo abgeholt und ihn als Schiri in seinem Stadion, für seine Lieblingsmannschaft, "eingestellt"...unvergesslich für alle
nichts desto trotz, tolle Geschichte!
Deine Treue Leserin MiaSanMia