Dieses verdammte Leben - Tintenweltfortsetzung

Escrito por Marystein

Kapitel2: Überlegungen

Verschlafen rieb Meggie sich die Augen. Die Welt draußen lag noch im tiefen Schlaf, es war mitten in der Nacht. Wie so oft in letzter Zeit hatte sie Probleme einzuschlafen und dann durchzuschlafen. Sie drehte sich auf die andere Seite. Aber natürlich half das nichts. Leise stand sie auf, damit sie niemanden weckte. Sie streifte sich eins der warmen Oberteile über ihr Nachthemd, zog die warmen Stiefel an und schlich nach vorne zur Tür.
Schon stand sie auf dem Hof. Das Gras war mit Raureif bedeckt, Nebel zog zwischen den Bäumen auf, doch der Himmel war klar. Fröstelnd ging Meggie an Mos Werkstatt vorbei, zu einer kleinen Mauer, die einmal das Grundstück umrundet haben musste, doch jetzt war sie nur noch an wenigen Stellen erhalten, so wie an dieser.
Den Blick nach oben gerichtet, setzte sie sich hin. Die Sterne sahen genauso aus wie in der echten Welt. Auch der Mond glich dem ihr vertrauten ganz genau. Doch waren es wirklich dieselben?
Meggie wusste es nicht. Sie wusste auch nicht mehr, ob diese Welt nicht genauso real war, wie die andere. Was wenn sie nur aus einem Buch ins nächste gesprungen wären? Dann wäre alles eine Lüge. Höchstwahrscheinlich hatte sie nie ein richtiges Leben gehabt, sondern nur den Einfällen von irgendwem gefolgt. Aber was wenn gar keine „richtige“ Welt existierte? Wenn es nur Bücher gäbe?
Meggie wusste auch auf diese Fragen keine Antwort. Irgendwer musste diese Bücher ja geschrieben haben. Aber vielleicht waren in einer anderen Welt Bücher gar keine Gegenstände aus Papier die mit Wörtern und Bildern bedruckt waren. Vielleicht war sie selbst auch nur eine Erinnerung eines Wesens, die es immer wieder durchlebte. Es waren so viele Fragen und so wenige Antworten.
Aber wie sie es auch drehte und wendete, es war alles sinnlos. Die Wahrscheinlichkeit hier herauszukommen, war verschwindend gering. Niemals würde sie hier glücklich werden, dass war ihr klar. Aber was blieben ihr anders für Möglichkeiten?
Es gab keine. Sie musste wenigstens versuchen glücklich zu sein, ein gutes Vorbild für ihren
kleinen Bruder zu sein und niemanden zu enttäuschen. Doch das war verdammt viel, was es zu beachten und zu erledigen gab. So viel Verantwortung. Konnte sie das alles schaffen?
Niemals. Sie würde versagen. Auf welche Art auch immer. Sie wusste nur das sie versagen würde. Das war das einzige was gewiss war.
Ihr Blick wanderte wieder zu den Sternen. Sie schienen so nah, aber sie waren unerreichbar. Kalt funkelten sie Meggie an. Irgendwie fand sie den Schein tröstlich, als würde er ihr klar machen, dass es nicht weiter nicht schlimm sein würde, falls sie versagen würde. Was passieren würde. Bald schon wurde der Himmel am Horizont heller und verfärbte sich langsam rosa. Sobald die ersten Sonnenstrahlen den Nebel durchleuchteten, stand Meggie auf und schlich ins Haus zurück.
Ihr Bett erwartete sie schon. Müde ließ sie sich hereinfallen und schlief tatsächlich kurz darauf ein. Auf einmal, Meggie kam es vor, als hätte sie nur ein paar Minuten geschlafen, ging ihre Zimmertür auf und ihr kleiner Bruder stürmte herein.
„Meggie, willst du nicht auch mal aufstehen? Resa hat Frühstück gemacht und wenn du nicht bald kommst, dann ist nichts mehr übrig.“
„Kannst du nicht anklopfen? Ich hab dir das schon so oft gesagt.“
„Ich hab ja angeklopft, aber du hast nicht geantwortet.“
Beleidigt drehte sich Rico um und verschwand aus dem Zimmer. Müde stand sie auf und zog sich an. In der Küche stand auf ihrem Platz schon eine Schale mit Haferbrei. Ohne große Lust setzte sie sich hin und fing an zu essen.
„Alles gut bei dir, Meggie? Du siehst so blass aus.“
Resa blickte sie besorgt an.
„Ja, ich hab nur irgendwie schlecht geschlafen.“
„Es ist gerade Vollmond, vielleicht liegt es daran.“
Meggie nickte und aß schweigend auf. Resa schien es nicht aufzufallen, dass sie schon seit Wochen zu schlecht schlief. Aber jedes Mal kaufte sie ihr diese Ausrede ab und fragte nicht weiter nach.
„Resa, ich wollte Doria besuchen, ist das ok?“
„Natürlich, aber nimm bitte Rico mit, er wollte Matheo besuchen.“
„Ja natürlich.“

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Lager der Spielleute.
„Meggie, jetzt warte doch mal auf mich!“
Genervt drehte Meggie sich zu ihrem Bruder um.
„Dann trödel doch nicht so rum! Ich will heute noch ankommen und nicht erst morgen.“ Nur weil ihr Bruder wirklich bei jeder Blume stehen blieb, um sie sich genauer anzuschauen und bei jedem Vogel genauer überlegen musste, was es denn jetzt für ein Vogel war, hatte Meggie trotzdem den Plan, möglichst schnell zu Doria zukommen. Und da sie es geschafft hatte, ihren Bruder davon zu überzeugen, doch mal ein bisschen schneller zugehen, kamen sie recht bald am Lager an.
„Meggie, ich wusste gar nicht, dass du kommen wolltest“, begrüßte sie Fenoglio überrascht. Er verbrachte noch immer viel Zeit bei den Spielleuten, er musste wohl die Kinder lieb gewonnen haben. Vielleicht erinnerten sie ihn an seine Enkel. Aber höchstwahrscheinlich nicht. Je länger sie alle sich in der Tintenwelt aufhielten, desto mehr hatte Meggie das Gefühl, dass sie die andere Welt vergaßen und mit ihr auch alle Menschen, die ihnen mal wichtig gewesen waren und immer noch in der normalen Welt waren.
„Willst du zu Doria?“, fragte Fenoglio sie.
„Ja. Weißt du wo er ist?“
„Ich hab ihn zuletzt hinten bei seinem Bruder gesehen.“
Also machte sie sich auf den Weg in die Richtung die ihr der alte Mann gezeigt hatte. Doria saß immer noch bei seinem Bruder, sprang aber sofort auf als er Meggie sah.
„Wie schön, dich zu sehen! Ich hab dich vermisst.“, flüsterte er ihr ins Ohr und gab ihr einen Kuss.
„Gehen wir zum Fluss?“
„Natürlich, wenn du das willst?“
Gemeinsam gingen sie ein Stück vom Lager weg, zu einem kleinen Bach, über dem Drachenfliegen schwirrten und eine alte Weide ihre Äste weit bis zum anderen Ufer streckte. Die Steine waren schön warm von der Sonne, die trotz der etwas späteren Jahreszeit heute wunderschön schien. Sie setzten sich hin und Meggie hielt ihre Füße ins Wasser, während Doria anfing zu erzählen. Er erzählte ihr von vielem, auch von einem
Fest, das bald in der Stadt gefeiert werden sollte. Und alle waren willkommen. Egal ob arm oder reich. Er fragte sie, ob sie mit ihm dort hin gehen wolle. Sie nickte. Dann schwiegen sie beide. Es war nicht diese unangenehme Stille, die manchmal entstand wenn man sich kaum kannte und nicht so recht weiß, was man sagen soll, es war eher eine Stille, bei der sie beide wussten, dass sie einander hatten und das reichen würde, egal was noch passieren sollte. Irgendwann brach Meggie diese Stille.
„Was willst du eigentlich später mal machen?“
Verwirrt blickte Doria sie an. „Ich werde wohl bei den Spielleuten bleiben oder hast du andere Pläne?“
„Nein, ich dachte nur das wir vielleicht irgendwann einen eigenen Hof haben können und davor erkunden wir die Welt am anderen Ende des weglosen Waldes oder reisen in den Norden zu der Burg von Violantes Mutter oder so.“
„Weißt du, eigentlich fühle ich mich ganz wohl bei den Spielleuten. Ich will keinen eigenen Hof. Ich will frei bleiben. Du etwa nicht?“
„Doch, doch natürlich. Daran hatte ich nicht gedacht.“
Und ob sie daran gedacht hatte. Sie hatte nur mal seine Meinung dazu hören wollen. Sie wollte einen eigenen Hof haben, eine Familie gründen, vorher noch die Tintenwelt erkunden, wenn sie schon nicht nach Hause konnte. Das war immer noch ihr größter Wunsch, wenn er auch nicht erfüllbar war. Vielleicht probierte sie nachher noch ein bisschen herum. Sie war wohl wirklich die einzige, die sich nicht wohl fühlte. Sie war allein. Ganz allein.

Kapitel 1: Heimweh

Das Rauschen des Windes, wenn er hoch über ihrem Kopf durch die Blätter fuhr, das
Zwitschern der Vögel, die in den Baumkronen ihre Lieder sangen, das Rascheln im Unterholz, wenn eine der blattgrünen Schlangen wieder einmal eine Maus jagte.
Meggie liebte all das, es war für sie ein Zufluchtsort vor ihrem Leben. Darum kam sie auch
immer öfter in den weglosen Wald. Sie suchte neue, verborgene Wege, zeichnete oder
unterhielt sich mit den Moosweibchen, falls sie denn mal einem begegnete.
Doch meist saß sie einfach nur da, genoss die Ruhe und sehnte sich nach ihrem alten Leben. Als sie Resa nur aus erfunden Geschichten kannte und Mo einfach nur ihr Mo, der
Bücherarzt, gewesen war. Nicht Zauberzunge, nicht Eichelhäher.
Oh ja, Meggie vermisste das alles. Ihren bunten Bus, ihre Bücherkiste, das Gefühl, in einem
richtigen Bett zu schlafen. Zuerst hatte sie die Tintenwelt geliebt, doch mit der Zeit...
Auch Rico machte es nicht besser. Am Anfang als er noch klein gewesen war, war es schön
gewesen, doch jetzt? Immer wieder stritt sie sich mit ihm, mit Resa und manchmal auch mit
Mo. Sie wollte das alles nicht mehr. Wie schön es doch gewesen war als es nur Mo und sie
gegeben hatte.

Heute war so ein Tag, an dem sie diesem Leben entfliehen wollte. Sie hatte sich mit Resa
gestritten, worüber wusste sie nicht mehr. Und dann war Meggie in den Wald geflohen, zu
einem kleinen Tümpel, in dem die Nixen schwammen und Drachenfliegen über das Wasser
schwirrten. Nun saß sie da also, ließ die Beine über das Wasser baumeln, eines von Mos
Notizbüchern auf dem Schoß. Sie wollte zurück in die andere Welt, wenigstens für eine
Weile. Natürlich hätte sie auch zu Fenoglio gehen können, damit er ihr die Worte schrieb,
doch sie wusste, dass Mo es dann irgendwann erfahren würde. Und er wollte nicht weg, ebenso wenig wie Resa oder Elinor oder Darius. Sie alle waren hier glücklich. Nur Meggie nicht. Darum wollte sie die Worte schreiben. Die Worte, die sie zurück zu Elinors Haus bringen sollten. Doch die Worte wollten nicht kommen, egal wie oft sie den Stift auch auf das Papier setzte, und wollte sie doch mal etwas laut vorlesen, klangen die Worte hölzern und immer wieder verhaspelte sie sich. Meggie wusste, dass sie es niemals schaffen würde, so gut wie Fenoglio oder Orpheus zu schreiben. Von Orpheus hatte man seit dem Tod des Natternkopfes nichts mehr gehört. Niemand wusste, wo er war, doch Meggie hoffte, dass er in den Bergen im Norden erfroren war. Seine Geschöpfe hatten nicht mehr lange gelebt. Die meisten waren einfach über Nacht tot umgefallen oder hatten sich in Luft aufgelöst. Meggie hatte den Verdacht das Fenoglio etwas damit zu tun hatte, doch der hatte nichts geantwortet, als Meggie ihn mal darauf angesprochen hatte.

Meggie stand auf. Der Sommer war zu Ende, es wurde früher dunkel und die Temperaturen waren deutlich gefallen. Zwischen den Bäumen des weglosen Walds zog Nebel auf. Sie musste sich beeilen, wenn sie nach Hause kommen wollte ohne sich zu verirren, denn auch wenn sie viel Zeit im Wald verbracht hatte, hieß der Weglose Wald nicht ohne Grund „Wegloser“ Wald und der Nebel machte die Sache auch nicht leichter. Also kletterte sie von ihrem Aussichtsplatz herunter und machte sich auf den Weg zurück zum verlassenen Hof. Bernsteingold, Rostrot, ein fröhliches Orange, ein frisches, helles Grün.
Der Herbst in der Tintenwelt war bunt und strahlend. Die Blätter am Boden und an den
Bäumen funkelten leuchteten mit den goldenen Sonnenstrahlen um die Wette.
Meggie mochte den Herbst, auch wenn es langsam kälter wurde. Das Wetter war bei weitem nicht jeden Tag so gut wie an diesem, doch sie mochte auch die Gewitter, den Regen und die Stürme. In der anderen Welt, hinter den Buchstaben, hatte ihr der Herbst auch schon gefallen. Die Farben waren dort nicht ganz so strahlend und das Wetter oft schlechter. An diesen endlosen Regentagen hatte sie sich oft mit einem warmen Kakao, einem guten Buch und einem warmen Pulli ans Fenster gesetzt und gelesen oder einfach nur dem regen zugesehen.

Schon tauchte der verlassene Hof vor Meggie auf. Licht brannte noch in Mo's Werkstatt, er
hatte am Vormittag einen neuen Auftrag bekommen. Bevor sie sich mit Resa gestritten hatte. Als sie jetzt die Tür zur Küche öffnete, stand Resa vor dem Ofen, auf dem eine Suppe
köchelte. Lächelnd drehte sie sich zu ihrer Tochter um.
„Hallo Meggie! Wo warst du? Hattest du einen schönen Nachmittag?“
Anscheinend hatte Resa beschlossen den Streit einfach zu vergessen. Aber Meggie konnte nicht einfach so tun als wäre nie etwas gewesen. Der Streit, er hatte einen kleinen Teil in ihr zerbrochen. So war es jedes Mal. Und jedes Mal tat es weh. Aber jetzt schluckte sie den Schmerz hinunter und antwortete lächelnd: „Ich war ein bisschen im Wald spazieren.“
„Im Weglosen Wald?“, fragte eine kleine dunkelhaarige Gestalt, die gerade durch die Tür gesprungen kam. Rico.
„Ja“, antwortete Meggie „Und wo warst du?“
„Ein bisschen bei Mo in der Werkstatt. Ich hab ihm bei der Arbeit zugesehen. Es wird ein
neues Buch für Balbulus“, erzählte ihr Bruder in seinem üblich fröhlichen Tonfall. „Ach ja,
Mo hat gesagt, dass er gleich zum Essen kommt.“
Meggie half mit beim Tisch decken und tatsächlich erschien Mo gerade in der Tür, als Resa
die Suppe auf den Tisch gestellt hatte. Das Abendessen verlief heiter, Mo erzählte von seinem neuen Auftrag, Rico von dem neuen Kunststück, dass Matteo, eines der Spielleutskinder, ihm beigebracht hatte. Meggie lachte mit den anderen, fragte Rico genauer nach seinem neuen Trick, erkundigte sich bei Resa wie es Roxane gehe und machte Scherze, obwohl der Schmerz in ihrem Kopf fast übermächtig war. Der Schmerz über den Streit, das Heimweh und dass sie niemanden von ihrer Sehnsucht nach der richtigen Welt erzählen konnte. Natürlich war da Doria, aber wie sollte er ihre Gefühle
nachvollziehen? Ihre Eltern und Elinor waren hier glücklich, Meggie wollte ihr Glück nicht
zerstören und außerdem war sie nicht sicher, ob sie sie überhaupt verstehen würden, oder
besser gesagt wollen würden.

So verging das Abendessen und niemand bemerkte dass es Meggie alles andere als gut ging. Früher als gewöhnlich verließ sie den Tisch und ging auf ihr Zimmer. Mo und Resa hatten nur genickt und ihr eine Gute Nacht gewünscht, als sie aufgestanden war und gesagt hatte dass sie sehr müde sei und deshalb schon schlafen gehen wolle. Es stimmte auch, sie war müde, aber nicht körperlich, wie nach einem anstrengendem Tag oder viel Sport, sondern eher eine seelische Müdigkeit. Sie konnte das alles einfach nicht mehr. So zu tun als wäre alles gut, als wäre sie glücklich, dass war anstrengend. Ohne am nächsten Morgen aufstehen zu wollen, legte sie sich hin. Doch einschlafen konnte sie noch lange nicht.

Capítulo 3

Elinor und Darius waren da. Resa unterhielt sich mit ihnen in der Küche, während sie Kuchen aßen. Rico und Mo saßen auch drinnen. Meggie war wie so oft alleine draußen.
Meggie dachte nach. Sie wusste nur eins. Sie musste irgendetwas tun. Den ganzen Tag war sie schon unproduktiv gewesen.
Vielleicht sollte sie Doria besuchen gehen? Aber warum musste sie immer zu ihm kommen? Am Anfang war es anders gewesen. Da hatte er sie oft auf dem Hof besucht, hatte ihr Blumen mitgebracht, manchmal hatte er auch in der Küche gesessen als sie von einem Spaziergang nach Hause kam. Aber jetzt? Selten kam er zum Hof, eigentlich musste sie immer zu ihm kommen. Sie wusste auch nicht was los war. Es passte wohl einfach nicht mehr. Er war immer noch für sie da, natürlich, aber irgendwie war es anders.
Verdammt, warum musste das alles auch so kompliziert sein?
Genervt verscheuchte sie die Gedanken an Doria, probierte sich selbst einzureden, dass es nur eine Phase sei, die bestimmt bald wieder vorbeigehen würde, und stand auf. Ihre Schritte trugen sie nach drinnen, wo alle aufhörten zu sprechen, sobald sie eintrat.             
                                                                                                  
„Ah Meggie, wo warst du denn? Wir haben dich schon vermisst“, sagte Elinor. „Oh, ich war nur draußen im Garten. Ich wollte fragen, ob es ok wäre wenn ich Doria besuchen gehe“ „Natürlich Schatz, mach das“, erwiderte Mo. Meggie ging nur noch schnell in ihr Zimmer, holte sich eine Jacke und ihr Schreibzeug. Als sie durch die Küche nach draußen gehen wollte, hörte sie wie Resa sagte: „Ach irgendwie ist Meggie in letzter Zeit so komisch. Ich weiß auch nicht. Andauernd ist sie spazieren oder bei Doria und kaum noch hier.“ „Vielleicht gefällt es ihr hier nicht mehr“, scherzte Mo. „Schätzchen, mach dir keine Sorgen. Sie wird erwachsen, das ist normal“, sagte Elinor, die merkte, dass es ihrer Nichte ernst war.
'Oder eurer Tochter geht es einfach nicht gut im Moment', dachte Meggie bei sich, als sie durch die Küche ging. Schlagartig hatte das Thema gewechselt. „Viel Spaß dir und grüß Matheo bitte von mir“, verabschiedete sich ihr Bruder von ihr. „Ja und komm bitte nicht so spät zurück“, setzte Mo noch hinzu.
„Mach ich.“

Auf dem Weg fragte sie sich, ob das wirklich eine schlaue Idee war. Die Zweifel kamen wieder hoch.
Warum konnte sie nicht einfach glücklich sein?
War es denn so schwer?
Wie wundervoll einfach es doch wäre alles zu beenden. Langsam ging sie weiter.
Trotz der Zweifel landete sie schlussendlich im Lager der Spielleute. Matheo lief ihr über den Weg, sie richtete ihm Grüße von ihrem Bruder aus und fragte ihn nach Doria. Aber da lief er ihr auch schon über den Weg.
„Hi, weißt du, mir geht es nicht so gut, hast du kurz Zeit?“ „Du Meggie, du weißt, ich hab immer Zeit für dich, aber können wir das später machen? Ich wollt mit Bapista und den anderen nach Ombra, es ist Markt und es sind bestimmt viele Leute da.“
In Meggie machte sich eine alles betäubende Enttäuschung breit. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen. Aber das verbot ihr Stolz ihr. Sie atmete tief durch.
„Ok, dann nachher. Alles gut“. Doria lächelte, küsste sie und verschwand zwischen den bunten Zelten. Allein stand Meggie da. Jetzt wusste sie auch nicht weiter. Es war, als hätte Doria ihr sämtliche Hoffnung geraubt, als er sie auf später vertröstet hatte. Nicht nur die Hoffnung, einfach alles war weg. Da war keine Wut, keine Trauer, keine Freude, gar nichts. Nur diese erdrückende Leere.

Etwas später fand sie sich an dem Tümpel wieder, an dem sie neulich erst mit Doria gesessen hatte. Jetzt saß sie alleine hier, schaute den Drachenfliegen zu und verscheuchte eine der blauen Feen, die auf der Suche war nach warmen Nestmaterial für den Winter. Sie saß da und wartete. Als es anfing zu dämmern, hörte sie, wie Doria ihren Namen rief. Sie stand auf und ging ihm entgegen.
„Ah, da bist du ja Meggie. Tut mir leid, es hat länger gedauert. Aber wir haben gut was verdient. Und morgen ist ein Fest! Hast du nicht Lust, dass wir zusammen hingehen?“ „Doria, eigentlich wollte ich mit dir über was anderes reden...“ „Wir könnten an den Ständen entlang gucken, vielleicht haben sie ja eine schöne Kette oder so was für dich. Und bestimmt ist auch wieder dieser Mann mit den leckeren Honigkuchen da.“ „Ja bestimmt. Das klingt gut, lass uns da doch dann hin gehen. Holst du mich ab?“ „Ja mach ich. Bleibst du noch hier?“ „Ich muss nach Hause, Mo hat gesagt, ich soll nicht so spät wieder kommen.“ „Schade, wir haben uns ja kaum gesehen heute“
Meggie verabschiedete sich nochmal von ihrem Freund. Unwillig ließ er sie gehen. Sie war froh, dass sie diese Aussprache hatte.
Und sie hatte keinesfalls vor, morgen zu diesem Fest zu gehen. Weder mit ihm noch ohne ihn. Während sie auf Doria gewartet hatte, hatte ein Plan in ihrem Kopf Gestalt angenommen. Keine Frage, er war keine Alternative zu dem Plan nach Hause zukommen, aber besser als gar nichts für den Anfang. Sie beeilte sich nach Hause zukommen.

Als sie am Hof ankam, war es bereits dunkel, nur der Vollmond spendete noch fahles Licht. Mo erwartete sie schon in der Küche.
„Du bist spät dran.“ „Ich weiß, aber irgendwie haben wir die Zeit aus den Augen verloren.“ „Ach Meggie, so geht das aber nicht. Das weißt du doch.“ „Nein, das weiß ich nicht. Ich bin alt genug. Früher war es auch kein Problem, als ich ein bisschen länger bei einer Freundin geblieben bin. Wo liegt der Unterschied?“ „Der Unterschied liegt darin, dass wir nicht mehr Zuhause sind. Hier ist das was anderes.“ „Ach ja, und warum?“ Meggie wurde immer wütender, Mo schien es einfach nicht zu verstehen. „Weil es hier Straßenräuber gibt, Wegelagerer, es nachts dunkel auf den Wegen ist und es keine Möglichkeit gibt, dich schnell irgendwie zu erreichen. Wir wüssten nicht, wo du bist, ob dir etwas passiert ist... Du könntest mehr tot als lebendig auf irgendeinem Feldweg liegen, ausgeraubt, und wir würden denken, du wärst einfach ein bisschen länger bei Doria geblieben.“
Genervt drehte Meggie sich um und stürmte aus der Küche. Mo würde es wohl nie verstehen.
„Meggie, bitte versteh mich und Resa doch. Wir machen uns nur Sorgen um dich!“, rief ihr Vater ihr aus der Küche hinterher. Noch immer hasste sie es, mit ihm zu streiten. Aber sie wollte auch, dass er verstand, dass sie nicht mehr das kleine Mädchen war, auf das er immer und überall aufpassen musste.

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