Die kleine, gestreifte Giraffe

Geschrieben von Recklessfan

In Afrika lebte eine Horde Giraffen; in der alle viele Flecken auf ihrem Fell hatten. Auch Kinder waren in dieser Horde, aber eines der Giraffenkinder hatte nicht wie die anderen Kinder Flecken auf dem Fell, sondern dünne, senkrechte Streifen; Seeka. Während die anderen Kinder zusammen spielten, stand Seeka alleine im Schatten eines Baumes und schaute ihnen traurig dabei zu. Die Erwachsenen hatten zwar Mitleid mit ihr, aber auch nicht die Zeit und Lust, um mit ihr etwas zu unternehmen. Ihre Mutter wurde von Wildtierjägern gefangen und ihr Vater beachtete sie kaum. Aber sie hatte sich bereits daran gewöhnt, die Außenseiterin zu sein.

„Du sollst ne Giraffe sein? War deine Mutter etwa ein Tiger?“ sagte eines Tages Mira zu ihr,
als sie gerade an Seeka vorbei ging.
„Sag nichts gegen meine Mutter!“ sagte sie zornig und ging weg. Auf diese Zicke hatte sie jetzt echt keine Lust. Aber Seeka achtete nicht so darauf, wohin sie ging, doch als ihr das auffiel, war es aber schon zu spät. Sie konnte ihre Horde nicht mehr sehen und wusste nicht woher sie kam, aber da es eh niemanden gab, der sie vermissen würde, nicht mal ihr eigener Vater, ging sie einfach weiter.

In ihrer Horde hatten die anderen Kinder und Mira aufgehört zu spielen, weil sie so erschöpft waren und da bemerkten sie, dass Seeka nicht mehr unter ihrem Stammbaum stand und ihnen beim Spielen zusah. Sie dachten erst, sie sei bei den Erwachsenen und heulte sich die Augen aus. Aber als sie am Abend bei den restlichen Giraffen aus der Horde waren, konnten sie Seeka unter ihnen nicht entdecken.
„Ich fang mir irgendwie an Sorgen zu machen. Ich meine, wir haben sie immer wegen ihrem Fell ausgeschlossen und jetzt....“ sagte Sammy zu den anderen „jetzt ist sie weg.“
Spöttisch guckte Mira ihn an: „Ach, die kommt schon zurück.“
Aber Mira hatte so ein Gefühl, dass sie Schuld daran war, dass Seeka abgehauen ist.

Seeka hatte sich für die Nacht unter einen Baum gelegt, doch konnte nicht schlafen. Sie dachte die ganze Zeit darüber nach, ob ihr Verschwinden den anderen schon aufgefallen war. Später war Seeka so müde, dass sie doch noch einschlief. Am nächsten Morgen weckte Seeka die Sonne und müde stand sie auf. Sie beschloss, wieder zurück zu gehen, da es keinen Zweck hatte sich von den anderen zu entfernen. Aber sie wusste nicht von wo sie kam, also nahm sie eine Richtung und hoffte, dass es die richtige Richtung war. Sie ging, aber sie sah keinen aus der Horde und die Landschaft wurde immer flacher, bis sie keinen einzigen Baum mehr sah. Doch als sie schon die Hoffnung aufgab, hörte sie Hufe. Sie folgte den Geräuschen, doch als sie bei der Quelle des Geräusches war, fand sie dort keine Giraffen vor, sondern eine Zebraherde.

Sie versuchte die Zebras anzusprechen und nach dem Weg zu fragen, doch alle schienen sie zu ignorieren. Alle außer ein kleines Zebra, das von allen anderen Abstand hielt. Es kam direkt auf Seeka zu und sie verstand auch warum. Es hatte nicht wie die anderen Zebras auf dem Fell Streifen, sondern große Flecken auf dem Körper verteilt.
„Wie heißt du?“
Seeka wollte vor dem Zebra nicht schüchtern wirken, also sagte sie nur: „Seeka, und du?“
Das Zebra zuckte nur mit den Schultern. „Ich bin Tander. Wieso bist du hier und nicht bei deiner Horde? Vermissen sie dich nicht?“
Als ob die sie vermissen. „Naja, da niemand mich ausstehen kann, bin ich abgehauen und wollte aber auch wieder zurückgehen. Doch ich wusste nicht aus welcher Richtung ich kam.
Also nahm ich irgendeinen Weg und kam hier hin, aber wie es scheint beachtet mich niemand. Außer dir.“

Tander hatte ihr bis zum Schluss aufmerksam zugehört und als Seeka zu Ende geredet hatte nickte er verständnisvoll. „Ja, geht mir genauso. Nur dass ich nicht abhaue.“ sagte er und sie mussten beide anfangen zu lachen. Während Seeka sich mit Tander angefreundet hatte, war den anderen Giraffen der Horde ihr Verschwinden aufgefallen. Sie suchten alle in der Umgebung, doch am Abend saßen sie erschöpft beisammen, ohne Seeka. Seeka und Tander hatten sich zusammen in das hohe Gras gelegt, abseits von den anderen, und beobachten die Sterne.
„Schön, oder?“ sagte Tander, als er eine Sternschnuppe beobachtete, die vorbei zog.
„Ich wäre gern so ein Stern. Die sehen alle gleich aus und man wird nicht ausgeschlossen.“
Seeka nickte zustimmend und schloss die Augen. Bald schlief auch Tander ein und als sie wieder aufwachten stand die Sonne schon hoch am Himmel. Sie standen auf und gingen einen Baum suchen, damit Seeka was essen konnte. Tanders Herde war schon wach und graste gerade, als sie sich auf den Weg machten.
„Hilfst du mir, zurück zu finden?“ fragte Seeka, mit dem Gedanken daran, Tander zu verlassen. Er wurde genauso ausgeschlossen wie sie, aus demselben Grund: Ihr Fell sieht anders aus als das ihrer Artgenossen. Dadurch verstanden sie sich auch so gut.
„Klar! Leider muss ich danach wieder zu meiner Herde. Wir halten zusammen, weißt du, und ihr solltet das auch!“
Seeka schmunzelte und Tander fügte noch hinzu: „Und wir natürlich auch!“

Sie gingen schweigend weiter, bis zu einem schönen grünen Baum. Dort graste Tander ein wenig, auch wenn er keinen großen Hunger hatte und Seeka aß etwas von dem Baum. Als sie sich gestärkt hatten gingen sie weiter, aber tauschten wieder kein einziges Wort miteinander aus. Den anderen Giraffen ging es genauso. Sie hatten alle Schuldgefühle wegen Seeka, da sie Seeka nie wirklich groß beachtet hatten. Und jetzt war sie weg. Aber sie hatten alle abgemacht, dass sie Seeka nicht mehr ignorieren würden und die anderen Kinder hatten abgemacht, dass sie immer mitspielen dürfte, wenn sie will. Doch da hörten sie Schritte. Alle sahen auf und sie starrten auf Seeka und Tander, die gerade kamen. Sie dachten sie träumten, denn sie sahen in dem Moment eine Giraffe mit Streifen und ein Zebra mit Flecken, die zusammen gehen. Sie sprangen alle auf und liefen den beiden entgegen.
 
„Sag ich ja, dass sie dich vermissen!“ rief Tander und grinste sie an. Sie nickte und grinste zurück. Die anderen Giraffen begrüßten die beiden herzlich und Tander stellte sich allen vor. Sie bedrängten Seeka mit Fragen und als sie allen geantwortet hatte setzten sich alle zusammen. Doch Tander blieb stehen. „Ich muss auch zurück zu meiner Herde. Die machen sich vielleicht auch schon wegen mir Sorgen.“ Doch er klang ein wenig so, als ob er seinen eigenen Worten nicht glauben wollte. Seeka nickte zustimmend und er verließ sie. Doch er hatte sich geirrt.
Den anderen war gar nicht aufgefallen, dass er weg war. Da niemand seine Abwesenheit bemerkt hatte, ging er wieder und machte sich auf den Weg zu Seeka.

„Hey! Seeka, willst du mit spielen?“ fragte Mira hoffnungsvoll. Sie wollten gerade fangen spielen. „Klar, aber nur wenn du bist!“ Sie tickte Mira mit der Schnauze und sie fingen alle an zu spielen. So war es nun jeden Tag. Und ein paar Tage später kam Tander wieder.
„Tander!“ rief Seeka und rannte zu ihrem Freund, „Was machst du denn hier? Ich dachte du wärst wieder bei deiner Herde?!“ Er guckte traurig zu Boden. „Als ich ein paar Tage nachdem ich gegangen war wieder bei ihnen war, merkte ich, dass sie meine Abwesenheit gar nicht bemerkt hatten. Also kehrte ich wieder um und ging zu euch.“
Sie guckte ihn mitfühlend an und murmelte ihm zu: „Du kannst sehr gerne bei uns leben.“
Die anderen starrten auf die beiden ohne ein Wort zu sagen.
„Hey! Kann Tander vielleicht mitspielen?“ Die anderen nickten und sie spielten weiter mit Tander. Denn es kommt nicht auf das Äußere an.

Zu dieser Geschichte gibt es 6 Kommentare

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Brianna – 30. Januar 2021

Wirklich schön geschrieben ☺️

Bücherfee – 23. März 2018

Total rührend!

Mr.knacki – 2. Oktober 2016

Eine sehr tolle Geschichte.

Plimaus – 26. November 2014

Wow, deine Geschichte ist einfach nur wundervoll! Wenn ich eine Punktzahl zwischen 1 und 10 wählen müsste, würde ich 100 nehmen. Einfach nur wundervoll!

Elinor – 11. November 2014

Awww toll!

Lollypop – 7. November 2014

Awh, dass ist so eine schöne, nette Geschichte. Da wird einem warm ums Herz wundervoll! LG Lollypop