Flo im Open-Air-Kino
Geschrieben von brain2206
Es ist Frühherbst. In Mühlacker verlieren die Laubbäume im Wind nach und nach ihre Blätter. Flo blickt auf die Uhr, die bereits 17 Uhr anzeigt. Heute wird „Dragonheart“ im Open-Air-Kino gezeigt. Obwohl Flo das traurige Ende bereits kennt, will er den Film erneut sehen. Es ist einer seiner Lieblingsfilme. Drachen faszinieren ihn schon immer. Zur Verpflegung packt er sich zwei Flaschen Cola, eine Packung Chips und seine kuschelige Decke ein. Für das traurige Ende des Films legt er noch einige Taschentücher in seine Tasche. Flo denkt sich: Diesen Film könnte man keinem Drachen zeigen. Entweder würde er ausrasten oder die Wiese mit Salzwasser überfluten. Da sein Auto in der Werkstatt ist, begibt er sich zur Bushaltestelle. Während der Busfahrt nimmt er sein Smartphone, steckt die Kopfhörer ein und lässt sich mit der schönen Musik vom Schwarzwaldradio berieseln. Nach 20 Minuten ist der Bus an der Haltestelle neben dem Kino angekommen. Flo steigt mit guter Laune aus und ist erleichtert, nicht mit dem Auto gefahren zu sein. Die Parkplätze sind überfüllt und jeder Fahrer kämpft verbal um jeden noch verfügbaren Parkplatz. Schmunzelnd geht er an eine der Kassen, bezahlt sein Ticket und setzt sich etwas abgelegen auf die große Wiese. Flo will nicht, dass jeder sieht, wie er bei dem Film weint. Das wäre ihm peinlich. Er breitet seine Decke aus und wartet, bis der Film beginnt.
Plötzlich fällt ihm auf, wie ein kleiner, grüner Drache am Rand der Wiese zur Landung ansetzt. In ihren grünschimmernden Augen und den bezaubernden Wimpern kann er feststellen, dass es ein weiblicher Drache, eine Drachin sein muss. Er findet sie sehr hübsch und überlegt, ob er aufstehen und sie ansprechen soll. Er kann belustigt feststellen, dass ihr die ganzen Zuschauer ringsherum auf die Nerven geht. Sie wird mit unzähligen Fragen regelrecht bombardiert. Ihr Gesichtszug wird von neutral auf bösartig, wie manche mit ihren Smartphones auf sie zustürzen. Er schüttelt den Kopf. Sie ist so eine Schönheit. Lasst sie doch in Ruhe den Film schauen. Natürlich würde ich auch gerne ein Bild von ihr machen und mich zu ihrer Seite stellen und sagen, dass ich ihr …
Überrascht hört er ein lautes Fauchen vom Drachen und sieht, wie alle weglaufen. Auf einmal dreht sich die Drachin mit einem nachdenklichen Blick in seine Richtung. Flo lächelt sie an und winkt ihr zu. Ihr grantiges Gesicht verschwindet und geht in seine Richtung. Als sie vor ihm steht, stottert er, ob sie es nicht mag, wenn man sie fotografiert. Die Drachin schaut Flo mit einem neutralen Gesichtszug an. Er kann nicht erkennen, ob sie ihn verstanden hat oder nicht. Er überlegt: Wegen einem Bild frage ich sie lieber nicht. Vielleicht ist sie durch das Fauchen durstig geworden. Höflichkeitshalber holt er eine Colaflasche heraus, öffnet und zeigt sie ihr. Die Drachin zeigt einen dankbaren Eindruck, greift zur Flasche und trinkt diese in einem Zug aus. Als sie merkt, dass sie alles ausgetrunken hat, blickt sie traurig zu Flo und senkt den Kopf. Er stupst sie vorsichtig an und hebt die zweite Flasche hoch.
Er denkt kurz nach und zeigt auf sich.
„Ich heiße Flo.“
Das scheint die Drachin verstanden zu haben! Sie zeigt auf sich und in einem sanften und süßen Fiepsen kommt das Wort Jade heraus. Flo lächelt sie an.
„Liebe Jade. Willst du mit mir den Film anschauen? Ich habe auch eine Tüte Chips, die wir zusammen …“
Flo bricht ab und murmelt, dass sie ihn wahrscheinlich nicht verstehen kann.
Jade kniet sich direkt neben Flo und sieht sich um; damit kein weiterer in ihrer Nähe sie hören kann.
Sie senkt ihren Kopf und flüstert: „Ich kann dich verstehen, mein Lieber. Das bleibt aber unser kleines Geheimnis.“
Sie zeigt auf seine große Decke.
„Darf ich mich zu dir setzen? Hier hat es ja genug Platz, oder soll ich mich auf das kühle Gras setzen?“
Flo sieht zu Jade, die ihn mit einem femininen Lächeln ansieht. Er nickt und bietet ihr den Platz auf seiner Decke an. Sie macht es sich direkt bei ihm bequem und sieht mit einem Augenwinkel zu Flo. Jade merkt, dass es Flo gefällt und greift zu seiner Tasche.
„Willst du deine Chips haben, Flo?“
„Danke, aber die Taschentücher kannst du mir auch geben. Du wirst noch sehen, wieso.“
Als der Film beginnt, fragt Jade, ob er diesen bereits kennt. Er dreht sich mit glasigen Augen zu ihr.
„Ja. Ich hoffe, du auch.“
Sie schmiegt sich langsam an Flo.
„Noch nicht, aber mit dir an meiner Seite habe ich keine Angst.“
Er überlegt, ob er ihr etwas über den Film sagen soll, aber schweigt lieber …
Als das traurige Ende kommt, versucht Flo die Tränen so gut es geht zu unterdrücken. Er zuckt zusammen, als Jade lauthals in Tränen ausbricht und sich an Flo festhält. Errötet drückt er Jade und streichelt sie am Vorderbein. Er nimmt ein Taschentuch und wischt die vielen Tränen aus ihrem schönen warmen Gesicht. Er flüstert ihr ins Ohr, dass es nur ein Film ist und sowas nie in Wirklichkeit passieren wird. Sie wischt sich die restlichen Tränen weg, gibt Flo ein kleines Bussi und vertraut seinen Worten. Sie sieht in den Himmel, wo der Vollmond alles erhellt.
„Danke, dass ich mit dir diesen Film sehen durfte, mein süßer Flo. Möchtest du den restlichen Abend mit mir verbringen?“
Jade sieht, wie Flo augenscheinlich die Worte fehlen. Sie stuppst ihn an und flüstert: „Noch nie ein Date mit einer Drachin gehabt? Keine Angst, ich werde dich nicht fressen“, versichert sie ihm kichernd.
„N… Nein, ich hatte noch nie ein Date mit so einer Schönhei… mit einer Drachin. Was hast du denn vor?“
Jade zeigt Richtung Senderhang.
„Bei diesem schönen Vollmond können wir es uns am Senderhang bequem machen. Da können wir uns unterhalten und gemeinsam die Sterne betrachten.“
Sie blickt zu Flo, der erleichtert ein- und ausatmet. Jade kichert erneut.
„Was hast du denn schon wieder gedacht, was ich will. Ich will dich nicht heiraten … noch nicht …“
Flo schmunzelt und streichelt Jade am Vorderbein.
„Dass es eine schöne Freundschaft wird, merke ich bereits jetzt. Lass uns erst mal ein bisschen besser kennenlernen.“
Sie nickt und hilft Flo auf ihren grünschimmernden Rücken.
„Du kannst dich an meinen Schuppen festhalten und keine Angst. Sie brechen nicht ab.“
Sie kichert erneut.
„Wenn du dich zu sehr festklammerst, bekommst du noch einen Krampf. Bist du bereit?“
Jade hebt langsam aber sicher ab und der Flug Richtung Senderhang beginnt.
Während des Fluges hält sich Flo, wie von Jade gesagt, an ihren warmen Schuppen fest. Trotz des kühlen Windes friert er so nicht. Jade fühlt, wie er sich ganz fest an sie hält, um nicht herunterzufallen. Die Drachin spürt keine Kälte von ihm und fliegt dicht über dem Boden. Da ihr es so gefällt, dass sich Flo berührend an ihr festhält, dreht sie noch ein paar zusätzliche Runden über dem Senderhang. Als Flo fragt, ob sie sich verflogen hat, grummelt sie innerlich. Ich will aber noch mit dir eine Runde fliegen. Es ist so schön. Mit einer Träne im Auge ruft sie: „Wir sind gleich da.“
Sie landet am Senderhang. Flo rutscht mit ihrer Hilfe vom Rücken. Er streichelt sie am Hals und bedankt sich für den Flug.
Als er sich entschuldigend ein paar Schritte entfernt, sieht sie ihm entsetzt nach und wispert: „Was ist los? Was habe ich getan?“
Er dreht sich um und sieht an ihr einzelne Tränen im Mondlicht. Darauf rennt Flo zu Jade, flüstert ihr etwas zu und sprintet noch schneller hinter den nächsten Busch. Jade bleibt beruhigt und grinsend sitzen und wartet.
Als Flo erleichtert zurückkommt, kann er nicht glauben, was er sieht: Jade schläft. Er kratzt sich am Kopf. So lange habe ich jetzt auch nicht zum Pinkeln gebraucht. Als er neben ihr steht, hört er sie leise im Schlaf summen und hadert mit sich, ob er sie wecken soll oder nicht. Als er die Decke aus seiner Tasche nehmen will, lauscht er nochmals. Er kann sie Wörter murmeln hören und geht ganz nahe zu ihr, damit er sie versteht:
„Flo … Freund … kuscheln … nicht allein … ich mag dich.“
Er kann nicht glauben, was er gehört hat, und denkt kurz darüber nach. Sie scheint mich wirklich so viel zu mögen … wie ich.
Er steht auf und überlegt, ein schönes Selfie mit der wunderhübschen schlafenden Jade zu machen. Als er es für ein passendes Bild einstellen will, rutscht er auf einem Stein aus und fällt direkt auf Jades Seite. Sie schreckt schreiend hoch und schiebt Flo weg.
Jade ist hellwach und sieht zu Flo, der sich schmerzerfüllt das Bein und den Hintern reibt. Voller Sorge fragt sie, was passiert sei.
„Es tut mir leid“, stöhnt Flo vor Schmerz. „Ich habe dich schlafen gesehen und da du im Schlaf so hübsch ausgesehen hast, wollte ich ein Bild machen, um diesen Moment zu verewigen. Dummerweise bin ich ausgerutscht und …“
„Ich habe im Schlaf geredet? Hast du gehört, was ich gesagt habe?“
Jade ist ziemlich aufgebracht und fragt Flo immer und immer wieder: „Was habe ich gesagt?“.
Er hält seine Hand hoch und versucht, den Schmerz vor ihr zu unterdrücken.
„Liebe Jade, ich habe nicht sehr viel verstanden, aber das, was ich gehört habe, ist sehr schön gewesen.“
Nachdem er ihr fast alles erzählt hat, wird Jade von einem Berg Empfindungen überschüttet. Zuerst bleibt sie voller Freude starr wie ein Felsen; ihren Mund bekommt sie auch nicht geöffnet. Die nächste Reaktion ist: Sie drückt Flo ganz fest und bedankt sich dafür. Sie merkt, wie sich Flo am Bein hält und lässt ihn los. Sie entschuldigt sich, dass sie ihn zu Boden geschupst und verletzt hat.
Anschließend breitet sie ihre gewaltigen grünen Flügel aus.
„Soll ich dich nach Hause fliegen? Schließlich hast du jetzt durch mich starke Schmerzen und …“
„Jetzt hör auf, Jade. Du brauchst dich nicht entschuldigen. Mir geht´s besser.“
Er berührt sie vorsichtig am Ohr und flüstert, ob ihr das gefällt. Sie nickt und schließt die Augen. Als Flo ihren Rücken zärtlich streichelt, schnurrt sie wie ein Kätzchen.
Nachdem Jade durch das Kraulen an den Ohren und dem Rücken verwöhnt worden ist, öffnet Jade die Augen und flüstert.
„Ich habe gehofft, dass es nie zu Ende geht.“
Als er von ihrem Rücken abgestiegen ist, dreht sie sich verwöhnt zu ihm.
„Das war wunderschön, aber jetzt bin ich dran. Wie kann ich dir etwas Gutes tun?“
Er sieht sie leicht zitternd an und meint: „Mir ist etwas kalt geworden. Kannst du mich etwas wärmen?“
Sie sieht, wie Flo immer mehr zittert.
„Willst du deine Decke oder soll ich dir ein kleines Feuerchen machen?“
Er lehnt sich an Jade.
„Nein. Deine natürliche Wärme ist schöner als jedes Feuer.“
Dieses Kompliment rührt Jade sehr und legt sich halb eingerollt auf den Boden, damit er genügend Platz hat. Flo krabbelt zu ihr und macht es sich bei ihr bequem. Aneinander gekuschelt sehen sie nach oben und zeigen sich gegenseitig die Sternbilder. Langsam werden Flos Augen schwer und er schläft ein. Jade nimmt die Decke aus seiner Tasche und legt sie sanft über ihn. Sie neigt ihren Kopf zu seinen und schließt mit einem Lächeln die Augen.
Am nächsten Morgen wird Flo von Jade mit einem kleinen Stups geweckt. Er streckt sich und sieht in die Morgenröte.
„Guten Morgen“, flüstert Jade in einem sanften Ton. „Ich hoffe, du konntest gut schlafen.“
Flo bleibt eingekuschelt in der Decke liegen und sieht zu ihr.
„Guten Morgen, Jade. So gut habe ich schon ewig nicht mehr geschlafen. Darf ich noch etwas liegenbleiben?“
Jade hat nichts dagegen und erzählt ihm, dass sie ihn die halbe Nacht im Schlaf beobachtet hat. Jetzt seufzt sie und fragt, ob sie ihn nach Hause fliegen soll.
Jetzt wundert sich Flo, warum sie das JETZT gefragt hat. Gefällt es ihr nicht? Ich dachte, sie mag mich … sehr.
Verwundert denkt er über die Worte nach, die sie im Schlaf gesprochen und die er ihr noch nicht erzählt hat. Er fasst seinen Mut zusammen und seufzt.
„Ich habe dir gestern nicht alles erzählt, was du gesagt hattest.“
Jades Ohren spitzen sich und ihre Augen funkeln. Sie zieht die Decke weg und ihr Ton wird streng: „WAS hast du mir nicht erzählt?!“
Flo springt auf und geht einen Schritt zurück. Als er ihr einen weiteren Teil erzählt hat, dreht sich Jade weg. Verdutzt geht er auf sie zu und fragt, was er falsch gemacht hat. Aber sie dreht sich immer so, dass er nur ihren Rücken vor sich hat. Nun wird es Flo zu blöd und wird lauter: „WAS IST LOS?!“
Jetzt dreht sich Jade um und Flo sieht ihre weinenden Augen. Erschrocken fragt er, ob er ihr helfen kann.
Jade sieht zu den Wolken, die einen Teil des Himmels bedecken. Sie senkt den Kopf; dreht sich aber nicht zu Flo.
„Ich habe wirklich gedacht, dass wir ehrlich zueinander sind. Warum hast du mir nur einen Teil erzählt!?“
Flo sieht in Jades feucht glitzernden Augen. Als er ihren Arm streicheln will, zieht sie ihn wortlos weg. Flo senkt den Kopf.
„Es tut mir leid. Ich weiß nicht, warum ich dir nicht alles erzählt habe. Ich habe dich nicht verdient, obwohl ich glaube, dass ich mich …“
Jetzt wird Jade wieder hellhörig.
„Was denn? Sag es mir!“
Sie streckt ihren Arm aus, den Flo ganz zärtlich streichelt. Er sieht sie an.
„Gestern ist so ein schöner Tag gewesen. Wir haben gelacht und geweint. Haben zusammen die Sterne betrachtet, uns gegenseitig verwöhnt … Es war so bezaubernd.“
„Ja“, unterbricht sie ihn. „Diesen Tag und den bezaubernden Abend werde ich nie vergessen. Ich dachte wirklich … dass … du … mich …“
Flo geht zu ihr und bevor sie ein weiteres Wort über ihre Lippen bekommt, gibt er ihr einen zärtlichen Kuss.
Jade schließt die Augen und denkt nochmals über die ganze Zeit mit Flo nach und hofft, dass dieser Kuss nie endet.
Als Flo seine Lippen von ihren nimmt, flüstert er ihr zu.
„Du hattest noch etwas gesagt und das sage ich dir jetzt aus meinem Herzen: Ich liebe Dich auch.“
Zu dieser Geschichte gibt es 2 Kommentare
Einen Kommentar hinterlassenDiese Geschichte ist wirklich sehr süß, romantisch und fresh und vor allem mal was ganz anderes, wie man es normalerweise kennt.. Aber trotzdem alles schön natürlich! Find diese iwie niedlich
Deine treue Leserin MiaSanMia
Dies war auf ihrer Art, eine witzige, dennoch zugleich eine süße romantische Geschichte zwischen Flo & Jade... Macht immer Spaß, deine Geschichten zu lesen, da es sich in jeder Geschichte um etwas ganz anderes geht... Sie sind nie vorhersehbar... alles Dies macht die Geschichten einzigartig und spannend zugleich! Danke dir dafür! Macht immer Spaß zu lesen! Deine treue Leserin MiaSanMia