Krebskinder

Geschrieben von Toivo Franzki

Prolog

Endlich spüre ich wieder Wasser auf meinem ganzen Körper. Endlich kann ich meine Seele baumeln lassen. Ich schwebe lautlos durch das klare Wasser des Sees. Ich schaue den Fischen zu, und gewöhne mich langsam wieder an den Druck, den  das Wasser auf mich ausübt. Endlich bin Ich wieder Ich.

Ich lasse mich in die Tiefe sinken; tiefer als je zuvor. Trotz der Tiefe ist das Wasser von einem Licht erfüllt, das es mir erlaubt, alles klar zu sehen. Nach Metern des Sinkens gähnt unter mir völlige Schwärze. Doch aus der Mitte der Schwärze pulsiert es bläulich. Eine unterirdische Höhle. Von  Abenteuerlust gepackt, tauche ich um die Biegung. Und plötzlich ist alles voller Luft. Meine Lungen  füllen sich mit Sauerstoff. Ich schwebe in meinem Lebenselixier.

Das bläuliche Schimmern geht von der Statue aus, die inmitten dieser riesigen Grotte steht. Der Arm ist stolz erhoben und zeigt durch eine Öffnung in Richtung Sonnenuntergang. Ein paar  letzte Strahlen fallen herein.

Doch der Schein trügt: Der Kopf der Statue liegt zertrümmert auf dem Boden. Irgend jemand hatte diesen Ort des Ruhmes entweiht.  Mehr als einmal war auf den Kopf eingeschlagen worden. Die Trümmer sind in alle Richtungen verstreut.

Von der Lust gepackt, klettere ich über die einzelnen Trümmerteile des Kopfes.

Später setzt er sich hin, erschöpft von der Kletterei und niedergeschlagen von der Aura, die von der Statue ausgeht. Aus Langeweile schmeißt er ein paar Steine weg. Er will gerade nach dem nächsten Stein greifen, als ihn etwas einhalten lässt. Er schaut sich den Stein genauer an. Er dreht ihn und entdeckt auf der Rückseite ein Band. Eine Kette, bestehend aus den Teilen verschiedener Meerestiere. Und als er sie sich überzieht, wird er von einer höheren Macht gepackt und weggezogen. Weit weg, an einen Ort, der uns unbekannt ist.

Kapitel 1: Ankunft

„Auf, auf, auf! Schneller! Und 1, und 2, und 3, hopp, hopp, hopp!“ Die klaren Befehle des „Generals“ hallten gespenstisch  durch die lehre Grotte. Mein Trainingsort. Keiner benimmt sich schlimmer zu mir, als der „ General“, der mir eindeutig zeigt, dass es ihm missfällt, dass ich, ein 14 Jähriger, schon die Ausbildung  „genieße“. Doch meine Kette, bestehend aus Teilen verschiedener Meerestiere, hatte mich mittels eines gigantischen Strudels vor die Treppe des Königpalastes befördert. Mitten in die Totenzeremonie der Soldaten, die den Tod eines Generals betrauerten. Und wie es die Regel wollte, war das nächst älteste der „Krebskinder“ zu ihnen gekommen: Ich! Direkt nach der Zeremonie hatte der „General“ mich am Arm gepackt und in das Grottensystem gezerrt. Stundenlang hatte er mich Übungen „zur Stärkung von Geist und Körper“ machen lassen, danach in die Nachbargrotte geschickt, wo ich noch Übungen zur Beschwörung und Beherrschung von Magie machen musste. Auch wenn mein dortiger Lehrer freundlicher war, war das Training genauso anstrengend. Todmüde schleppte ich mich danach in die dritte Grotte, in der mein „Zimmer“ war: Ein Bett, ein Tisch mit Hocker und ein Klo.

Dieser Tagesablauf hatte sich noch nie geändert. Obwohl ich alle Fettreserven verbraucht hatte und vor lauter Muskeln ungelenkig wurde, quälte der „General“ mich weiter. Auch in der Kunst der Magie machte ich große Fortschritte, sodass  eines Tages folgendes geschah: Ich war gerade in die Grotte des „Generals“ getreten und hatte mit dem Aufwärmprogramm begonnen, als der „General“ in heftiger Diskussion mit meinem zweiten Lehrer eintrat. Er verstummte kurz, fing sich aber schnell wieder und begrüßte mich mit barscher Stimme. Dagegen klang die Begrüßung meines Meisters wie Honig. Er forderte mich auf, ein paar Übungen zu machen und zog sich dann mit meinem Meister in eine Ecke zurück. Dort diskutierten sie mit gedämpften Stimmen weiter, bis der „General“ wutentbrannt durch eine schwere Tür hinaustrat. Mein Meister bat mich gelassen wie immer in seine Grotte, die übrigens weitaus gemütlicher eingerichtet war.

Dort setzte er eine Kanne Tee auf, forderte mich auf, mich hinzusetzen, und beschwor mittels Magie kurzerhand einen Windstoß herauf, der zwei Tassen aus einer Wandnische nahm, Zucker und Milch einfüllte, mit Tee aufgoss und servierte. Dies geschah in der gewohnten Ruhe meines Meisters. Er trank schweigend die erste Tasse, goss sich nach und begann zu sprechen: „Vor genau einem Jahr bist du in unsere Zeremonie geplatzt. In der vergangenen Zeit hast du an dir und deinem Körper gearbeitet. In dieser Zeit hast du wissenstandliche Lücken geschlossen, die du im Gegensatz zu den älteren Lehrlingen hattest. Im zweitem Jahr deiner Ausbildung wirst du mit den anderen Lehrlingen lernen. Du wirst diese Grotten verlassen, was dich bestimmt nicht stört (schmunzeln), und als vollwertiges Mitglied in Öffentlichkeit zurechtkommen müssen. Damit du nichts falsch machst, wirst du gewisse Regeln beachten müssen.

Die Regeln lauten:
• An Anweisungen des Lehrpersonals und Ranghöheren ist sich zu halten; egal, wie der Befehl lautet.
• Oben benannte Personen sowie Aristokraten und Greise sind zu grüßen.
• Vor militärischen Rängen ist zu salutieren.
Und wenn ich Dir einen Tipp geben darf: Wenn du dem „General“ begegnest, salutiere und warte auf Anweisungen o.Ä. und bleibe stehen, bis er dir den Rücken zukehrt oder dir sagt, aufhören zu dürfen. Zudem wirst du gewisse Merkmale erhalten, die dich in deinem Rang erkennbar machen. Diese wirst du von deinen kommenden Lehrern erhalten. Ich werde von Nun an ein Greis für dich sein, doch kann ich dir noch ein par Dinge mit auf dem Weg geben: Einmal diesen Beutel, in dem du die Zangen von Krebsen finden wirst, die du zur Magie brauchst. Und zweitens meine besten Wünsche.

Ich verließ mit einem mulmigen Gefühl im Bauch die Grotte. Draußen schlug mir kalter Regen ins Gesicht: Na super! Endlich wieder frische Luft, und dann solches Wetter.
Trotz des schlechten Wetters suchte ich mir meinen Weg durch die verwinkelten Gassen. Mein Ziel war das Haus des Quartiermeisters, bei dem ich erstens eine Schlafstelle zugeteilt bekam, und zweitens meine Rüstung. Diese bestand aus nagelbeschlagenen Sandalen, lederne Beinschienen, einer kurzen, ledernen Hose, einem Oberteil aus Leinen und einem ledernen Waffenrock. Nachdem ich für alles eine passende Größe gefunden hatte, schickte mich der Quartiermeister weiter an den Strand. Dort erwartete mich schon ein Greis, der mich in ein muffiges und nach Brackwasser riechendes Tunnelsystem führte. Am Ende angekommen, öffnete er eine Tür und eine Wolke von Wasserdampf nebelte uns ein. Grelle Schreie und spritzendes Wasser erfüllte die Luft. Hin und wieder schnappte eine riesige Schere aus dem Wasser und durchdrang das Gewirr von Geräuschen.
„Dies ist das Herzstück unserer Stadt. Hier ziehen wir unsere Reittiere auf.“
Aus einem unterirdischem Tunnel stieg mit lautem Geblubber ein Krebs auf. Auf seinem Rücken saß in einem Sattel ein Soldat. Dieser begrüßte den Greis. Danach stieg er ab, um seinem Tier den Sattel abzunehmen und es zu versorgen.

Fasziniert von dem Tier blieb ich stehen und bemerkte nicht,
wie der Greis in eine kleine Nebengrotte gegangen war. Ich folgte ihm eilig, um nicht unhöflich zu erscheinen. Das Wasser in diesem  Raum war nur etwa knöcheltief und voller kleiner Krebskinder. Durch unser Eintreten verschreckt, flohen die Krebse in die tiefer gelengenden Bereiche. Lediglich ein einzelner Krebs blieb, wo er war.
Hypnotisiert von seinem Anblick ging ich in die Hocke, lief in das Wasser und legte meine flache Hand hinein. Ebenso von einer unbeschreiblichen Macht gefangen, kam der Krebs auf mich zu. Und als das erste Bein mich berührte, ging ein warmes, wohliges Gefühl durch mich. Er kletterte vollends auf meine Hand, und alle dunklen Gedanken waren weg. Ich spürte nur noch ein Gefühl: Glück!
Ein  unbeschreibliches Glück durchfuhr mich und ich hatte das Gefühl, dass kein Hindernis zu groß sein könne.
„Sehr schön. Und noch zwei, die sich gefunden haben. Komme ab jetzt jeden Tag hier her, und helfe! Es werden zwar Knechte sich um ihn kümmern, aber dafür musst du ihnen helfen. In ein paar Monaten kannst du ihn dann schon reiten. Und denk dran: Wenn du dich nicht entwickelst, kann er sich auch nicht entwickeln. Ihr seid jetzt ein Paar, und wenn Einer stirbt, stirbt auch der Andere.“

Er gab mir einen väterlichen Schlag auf die Schulter und ließ mich mit meinem Krebs zurück. Ich stand total verdattert vor dem Becken, mit dem kleinen Krebs auf der Hand.
Tatendurstig klappte er mit den Scheren.
In der Zeit meiner Ausbildung hatte ich schon so viel über die Paare gelesen, hatte aber nie daran gedacht, selbst eines zu seien. Und dann war da noch der Kampf: Ich verstehe doch nichts vom Kämpfen!
Mit solchem betrübtem Gemüt setzte ich den Krebs wieder ins Wasser und ging raus. Dort herrschte immer noch das gleiche, schäbige Wetter, und ich ging nach hause und schlief ein.
Mein Schlaf wurde von glücklichen Gefühlen geprägt, sodass ich am nächsten Morgen frisch und ausgeschlafen war.

Meine Erwartungen an den weiteren Verlauf meiner Ausbildung waren nicht wirklich hoch gewesen, sodass es sehr erstaunlich war, als ich nach zwei Monaten aus dem Unterricht gerufen wurde. Das „Böse“ hatte zwei Botschafter geschickt, und ich sollte bei den Unterhandlungen dabei sein.
Also ging ich zu den Ställen, sattelte meinen Krebs und ritt zu den beiden abkommandierten Soldaten. Es waren wettergegerbte, etwas plump aussehende Soldaten. Doch das Erstaunlichste war, dass einer der Soldaten eine Sie war. Ihr Pferdeschwanz goldenen Haares schaute unter ihrem Helm durch. „Komm, die Botschafter warten am ersten Wachposten.“  In einem scharfen Tempo ritten wir durch die Korallenbänke, vorbei an den letzten Zeichen der Zivilisation hinaus in die Weite des Ozeans. Wir durchquerten Felder von Unterwasserpflanzen, die im Sonnenlicht in allen Farben des Regenbogens schillerten. Darin tummelten sich Schwärme von Fischen, Schulen von Delphinen und Rudel Haie.  Bald waren die ersten Ringe der Verteidigung am Horizont verschwunden. Nur noch wenige Haie interessierten sich für uns.  An immer unwahrscheinlicheren Orten mussten meine beiden Begleiter Passwörter sagen, um weiter zu kommen.  
Schließlich rückte der äußerste Posten heran. Bemerkbar nur durch die gülden schimmernden Fenster in der Finsternis.

Vor dem Turm warteten zwei vermummte Männer, die regungslos auf schwarzen Hummern saßen. Fast waren sie eins geworden mit den Schatten, doch meine Begleiter hatten sie scheinbar schon früher bemerkt.  Als wir angekommen waren, warfen sie in einer ruckartigen Bewegung ihre Mäntel ab, zwei Messer flogen durch die Luft… - und blieben zitternd vor den Köpfen der Soldaten in der Luft stehen. Diese griffen nach den Dolchen warfen sie in den Dreck und griffen ihrerseits an.

Doch kaum dass sie in Schlagweite waren, geschah etwas Unerwartetes. Eine Welle schwarzer Masse rollte auf sie zu und schien alles zu verschlucken. Als prompte Reaktion darauf explodierte ein greller Blitz, der die vier Kontrahenten auseinander warf.  Einige Sekunden vergingen, bis der größere der Gegner wankend zum Stehen kam. Trevo nahm seinen Stab und drang auf den Überlebenden ein. Er blockte geschickt die Schläge seines Gegners ab. Doch einer der Schwerthiebe glitt an seinem Stab entlang, und mit einem lauten Klirren schlug die flache Seite der Schneide auf die linke Seite seines Waffenrocks. Trevo verlor fast den Halt im Sattel, konnte sich aber mit der Rechten auf dem Boden abfangen. Einer Intuition folgend griff er in den Sand, hob die Hand und schmiss seinem Gegner die Hand voll Sand ins Gesicht. Das war zwar nicht ehrenvoll, doch angesichts der Situation gerecht. Dieser riss die Arme vor das Gesicht, gab aber somit seine Deckung auf. Mir gelang es mit einem gezielten Schlag seine Waffenhand zu brechen und ihn somit zu entwaffnen. Mit einem Stoß vor die Brust beförderte ich ihn aus dem Sattel. Er versuchte sich noch aufzuraffen, doch eine spitzte Klinge hielt ihn davon ab. Die Soldatin hatte sich aufgerafft und hatte ihn mit ihrem Dolch festgenagelt. Ich nahm ein Seil aus der Satteltasche und fesselte den Gefangenen.  
Der zweite Gegner sowie der zweite Soldat lagen in ihrem Blut.
Die magische Explosion hatte ihnen die Haut zerfetzt. Der Sand um die Leichen färbte sich rot; doch plötzlich zerfiel der vermummte Reiter in Staub.

Notdürftig beerdigten wir die Wachmannschaft des Turmes für ihre Überfahrt ins Jenseits;  in der Hoffnung, dass es Bragi genüge. Mit dem Gefangenen über dem Sattel ritten wir in die Stadt. Dort war heilloses Durcheinander ausgebrochen, denn einer der Wachtürme hatte die Explosion gesehen und Botschaft in die Stadt geschickt. Es hatten sich Bürgerwehren gebildet und es dauerte sehr lange, bis wir endlich in das Rathaus kamen.
Dieses Gebäude war einzigartig. Als Fundament diente normaler Korallenstein. Über die glatt getretene Oberfläche, auf der schon vor Jahrhunderten Rat gehalten wurde, war ein Dach gesetzt worden. Dieses war aus den Panzern der Krebse gebaut, die sich überlappten und ruhte auf den typischen Kampfwaffen: den Stäben. Dadurch konnte man von dort oben überall hin blicken.
Dort erzählte der Soldat unser unfreiwilliges Abenteuer und zog sich dann in sein Haus zurück. Mich aber bat man zu meinem Meister.

„Weist du, was du gemacht hast?“- „Magie gewirkt.“- „Ha, Ha! Magie gewirkt?! Du hast Magie höheren Grades gewirkt! Und dass in Sekundenschnelle! In einer Notsituation! Das Ganze hätte schief gehen können! Dann würdest du jetzt nicht mehr leben!“
In einer Atempause unterbrach ich ihn: „Falsch! Ich habe schon auf dem Weg angefangen, die Magie zu sammeln, und habe zuerst einen Versteckzauber gewirkt, und dann erst die Magie gewirkt!“-„Aber das bedeutet, dass du zwei Zauber auf gleichzeitig mit Magie genährt hast!“-„Ja, so kann man Das sagen.“ –„Du bist verrückt! So etwas habe ich erst nach dem fünften Jahr meiner Ausbildung machen dürfen. Und dabei wurde ich von meinem Meister und Mitschülern unterstützt!“- „Tja, dann haben Sie zumteil eigens geschriebene Lehrbücher der Bibliothek nicht gelesen. Einen Großteil meines Wissens nehme ich aus Büchern… Lesen bildet!“ –„ Ich bin sprachlos! ich werde wieder Einzelunterricht für dich beantragen! Zumindest auf dem Feld der Magie! Du hast noch viel zu lernen! Komm also übermorgen Nachmittag zu mir; wir haben zu reden!“

Am folgenden   Nachmittag fand die Beerdigung der gefallenen Soldaten statt. Tags darauf fand ich mich wie befohlen bei meinem Meister ein. Dieser begrüßte mich und erhellte dann mittels Magie den hinteren Teil der Grotte. Dort saß auf Stroh der Gefangene, immer noch verhüllt. „Dank Dir ist uns ein ungeheuerlicher Fang gelungen. Dies ist Ritter Bor-za, eine führende Kraft der Gegner. Er hatte bei uns seine Ausbildung genossen, und wir alle schätzten ihn als guten Kämpfer und riefen ihn um Rat an. Dach als das „Zwie-Land“, wie wir die andere Welt nennen, einen neuen Herrscher bekam, der die Macht dort bündelte, lief Bor-za über. In einer Leermondnacht vor fünf Jahren verschwand er aus unseren Reihen. Wir wussten nichts von ihm; bis auf heute!
Er schritt bedächtig auf den Gefangenen zu und sagte zu diesem in einer fremden Sprache: „Az ragh du hin?“ (Du kennst mich noch?)-„Zsah!“ (Ja!)- „Az ragh mim no-o?“ (Du kennst noch meine Sprache?) –„ Zsah!“ (Ja)- „DANN SPRICH SIE!“-„Hasz!“-„Nein?! Das lässt sich ändern!“

Mit einer leichten Bewegung aus dem Handgelenk öffnete mein Meister Nischen in der Wand,  in denen die Krebsscheren standen. Leicht silbrig glitzernde Fäden zogen durch die Grotte und bündelten sich in der Mitte zu einer gleißenden Kugel.
Diese Kugel schwebte langsam auf den Gefangenen zu, sodass er davon geblendet wurde. Auch ich schirmte meine Augen mit dem Arm vor dem Licht ab. Schlagartig wurde es dunkel. Die Kugel war verschwunden. Stattdessen schimmerte es leicht aus dem Gefangenen. „Hasz! Az ragh nim nerm!“ (Nein! Du kennst meine Schwachstellen!)- „Ja! Und ich kenne noch mehr solcher „schöner Stellen“! Also sprich: Sag uns, was du über deinen „Herr“ weißt; wie groß seine Armee ist; wie seine Taktik ist!“- „Mein Herr ist der mächtigste Mensch, den es gibt. Niemand wird ihn stoppen können, wenn er sich dazu entscheidet, uns auf dem Schlachtfeld  den Sieg zu bringen. Schon bald wird er dieses Land mit Dunkelheit überziehen und die Menschen der Schwarzland-Heide werden herrschen!“
Er unterbrach sich, um in ein gurgelndes Gelächter zu fallen.
„Menschen?! Dass ich nicht lache! Hast du nicht gesehen, was aus deinem Kollegen passiert ist? Er hat sich gänzlich aufgelöst!“- „Ja! Und in eben diesem Moment wächst ihm ein neuer Arm, um ein paar eurer Köpfe zu spalten!“- „Das ist es also! Danach hat er so lange gesucht! Die Möglichkeit, einer Seele einen neuen Körper zu geben!“
Bestürzt verließ mein Meister seine Grotte, nur um wenige Augenblicke später mit dem gesamten Rat zurückzukehren.
Ich hatte natürlich nur die letzten Sätze des Verhörs verstanden. Deshalb hatte ich keine Ahnung, was abging. Ein heftiges Stimmengewirr erfüllte die sonst so ruhige Grotte.
„Sofort angreifen!“
-„Nein! Nur nicht überstürzen!“
- „Stärkt die Grenzen…“

Es war so laut, dass man keine zusammenhängende Sätze hat verstehen können. Und dann, in den Tumult, schwoll ein heller Ton, der langsam die ganze Grotte ausfüllte. Bis zum Verstummen des Tones herrschte Totenstille, doch als dieser dann verklungen war, brach ein noch größer Tumult aus.
Dieser Ton war seit Jahrzenten nicht mehr gehört worden: denn er bedeutete, dass ein ganzes Herr am Kommen war.
Jeder brüllte Befehle; doch am lautesten brüllte „der General“. Der Gefangene saß in seiner Ecke und lachte. Er lachte in einem markdurchdringendem Ton. Er lachte, bis er nach Luft lechzend liegen blieb. Die Soldaten rannten raus, und auch ich schloss mich dem Zug an! Wir rannten zu den Ställen. Dort warteten schon die Krebse auf uns, und jeder stieg auf sein Tier und schloss sich dem General an, der voranritt, um die Schlacht zu führen.

Kapitel 2: Schlacht

“So fearlessly we charge ahead, there is no time to hesitate! Dont despair, show no fear! Live your life without regrets! Dont despair and show no fear in the face of certain death!“
(Amon Amarth: Surtur rising; Live without regrets)

Und als wir auf die „Ebene des Sandes“ kamen, verdunkelte ein Herr von Soldaten den Horizont. Kriegshörner und der Schall von tausenden Krebsen erfüllte die Luft, als die beiden Heere aufeinander zuliefen. Das Geschrei von sterbenden durchdrang Mark und Bein. Und dann löste sich mein Bataillon von der Armee und preschte voraus. Ab jetzt zählte nur noch Geschwindigkeit. Sonst konnte man nur hoffen! Hoffen und kämpfen. So schwang ich die Klingen meines Kampfstabes und sah trotz des Blutrausches das Zuschnappen der Krebsscheren. Mit tödlicher Präzision kämpften die Paare aus Mensch und Tier. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es keine Differenzierung zwischen beiden gab. Jeder schützte den Anderen. Ich war abgestiegen, und stand neben meinem Krebs. Schulter an Schulter schritten wir voran. Um uns herum fielen Feinde wie Freunde, doch auf mich nahm das alles keinen Einfluss. Für mich zählte nur das Töten. Die Regel des Lebens: Töten oder getötet werden. Sonst gab es keine Wahl.
Schon bald sah man, dass es keinesfalls die angekündigte Riesenstreitmacht war, sondern nur ein kleines Gemetzel, das bald gewonnen war. Als man nun aber in die Stadt zurückkam, war der Boden von Blut getränkt. Die Leichen der Bewohner  hingen von den Dachfirsten herunter, dass es ein grausiger Anblick war: denn die Menschen waren gehäutet worden, und man hatte auch nicht vor Kindern Halt gemacht. Nirgends fand man ein Zeichen des Rates noch irgendeine Lösegeldforderung. Auch gab es keine Überlebenden, die man hätte fragen können.

Als man auch die hintersten Grottensysteme durchsucht hatte, fand man den Leichnam meines Meisters auf dem höchsten Turm der Stadt. Mit seinem eigenen Blut hatte er eine Botschaft auf den Boden geschrieben. Er sprach davon, dass dringend ein Bote zu den  Königen in der Hauptstadt entsandt werden musste. Denn nach Aussage des Meisters waren die Könige in Lebensgefahr. Doch wurde die Botschaft unterbewertet und man wollte erst nach den Aufräumarbeiten darüber beratschlagen. 

 

Kapitel 3: Reise

Trevo ging langsam den langen, mit Marmor ausgeschmückten Gang entlang. Seine Schritte hallten gespenstisch lang nach.
Die Türsteher hatten ihn nur fragend angeschaut, doch er hatte nur ein trockenes „Alea iacta est“ geantwortet. Er schritt die große Freitreppe hinab, die auf den Volksplatz vor der Halle führte.
Er schritt durch die leeren Straßen und Gassen. Überall hing der Gestank von Blut. In jeder Ritze; jeder Spalte. Eine grausige Kälte ergriff sein Herz. Die Kälte des Todes. Überbleibsel des Gemetzels. Schließlich erreichte er die Ställe. Wortlos sattelte ein Stallbursche seinen Krebs und fragte auch nicht, als er Proviant für mehrere Tage einpacken sollte. Währenddessen legte sich Trevo  seine Rüstung an. Er war noch nicht dazu gekommen, sie zu reinigen. Das Blut der Gegner hatte sich mit seinem eigenem auf dem Schlachtfeld vermischt und hatte die Rüstung in eine neue Farbe getaucht. An dieser Farbe hing der Geruch von Tod. Ein Geruch, der ihm auf seiner Reise begleiten sollte. Er nahm ihn an als Ansporn. Er wollte all jene rächen, die derartig unschön gestorben waren. Das nahm er sich vor: RACHE!

Der Krebs klackerte unternehmenslustig mit den Scheren ob der Aussicht, sich mal wieder zu bewegen. Doch vermutlich würde diese Unternehmungslust nach ein par Tagen abebben.
Trevo bestieg ihn und gab ihm mit einem leichten Fersentritt die Laufrichtung an. Der Krebs hinterließ eine feine Sandwolke bei jedem Schritt, als er die hellen Lichter der Stadt verließ.
Von ihm unbemerkt lösten sich drei Schatten von den Korallen.  
Die Reise zur Hauptstadt hatte weniger Zeit in Anspruch genommen, als er vermutet hatte. Deswegen hatte er mit dem Proviant gespart. Jetzt, in der Stadt hatte er erst einmal seinem Krebs den Trog gefüllt und er hatte auf dem Weg zum Palast gegessen. Eher Zuviel. Aber man weiß nie, wofür es gut ist. Deswegen bereute er es nicht.

Kapitel 4: Unter Königen

Trevo stand vor dem hohen Doppelportal. Er sah sein Spiegelbild in den blanken Fliesen an. So anders.
Vor seiner Reise war er ein gut genährter Junge mit leichten Fettreserven gewesen. Heute waren seine Züge hager, die Muskeln stählten seinen Körper, und in seinen Augen brannte ein Zorn.
Ein Zorn auf all die Toten.
Und er kam mit einer Botschaft, die noch mehr Tote fordern würde. Etliche würden fallen. Auch er. Dessen war er sich sicher.  Auch sein Ende würde kommen. Doch bis dahin dauert es hoffentlich noch ein bisschen.

Die Torflügel schwangen nach innen auf und boten einen Blick auf eine lange Reihe Ahnenstatuen. Alle waren in irgendeiner Art von kriegerischen Haltung abgebildet.  Sie kämpften gegen alles Mögliche und erschlugen es mit zuteil furchterregenden Waffen. Am Ende des Ganges standen vier Throne Rücken an Rücken zueinander. Auf jedem saß ein König in würdevollem Ornament, doch die Gesichter waren von der Zeit gezeichnet.
„Der Bote!“ In einem ruhigen, aber entschlossenen Gang kam er auf die Könige zu. Er trug die gesamte Rüstung und stützte sich auf seine Lanze. Er hatte während der Reise kaum gerastet und war stark davon gezeichnet. Schließlich kniete er sich vor den hohen Herren nieder..

„Ich bringe Botschaft von meinem  Meister.“- „Sprecht! Was gibt es!“ Doch anstatt zu antworten, öffnete er die linke Hand, in der ein Amulett mit zerbrochener Kette lag. Auch zog sich durch den Edelstein in der Mitte ein Schnitt von oben bis in die Mitte.
Von den Königen waren Rufe der Bestürzung zu hören.
„Das kann nicht sein! Nein! Das geht nicht!“ Erst auf ein Räuspern von Trevo verstummten die Könige. Sie wirkten gealtert.
„Nun Bote. Anscheinend müssen wir Dir einiges erklären.
Steh auf!“ Aus einer Ecke wurde ein Stuhl herangetragen.
Auch wurde ihm, als er sich gesetzt hatte, Wasser angeboten.
Dann fingen die Könige an zu sprechen, und ihre Stimmen verschmolzen zu etwas Anderen, zu einer fast allwissenden Stimme:

„Vor vier Jahrzehnten traten vier Soldaten und vier Magier aus dem Schatten dieser Welt in das Licht der Aufmerksamkeit.
Sie kämpften für Frieden und Gerechtigkeit. Sie befreiten das Land von den herrschenden Fürsten und brachten Wohlstand. Doch der Feind überlebte. Er nistete sich im Kopf einer der Befreier ein und versklavte seinen Körper. Er baute sich ein Imperium in seinem Herrschaftsgebiet auf. Denn so entstand jene Gegend, die wir „Schwarzland- Heide“ nennen.“

„Das heißt also, dass der Herr der der Schwarzland- Heide einst euer Freund war?“ –„ Nein! Der Herr der Schwarzland- Heide ist ein Geist im Körper meines Freundes. Dieser ist schon lange tot.“ – „Oh.“ –„ Nun ja, ich habe lernen  müssen, mich damit abzufinden.“
„Doch nun müssen wir uns für den Krieg rüsten. Die Heerschau hat schon begonnen. In wenigen Wochen, wenn nicht sogar Tagen, wird hier ein gewaltiger Stellungskrieg stattfinden. Zwei Heere unvorstellbarer Größe werden sich gegenseitig vernichten.
Doch Dir blüht ein anderes Schicksal. Du wirst alleine in die Schwarzland-Heide reisen, um dort auf dem „Sonnenschwert“ längst vergangene Relikte der treuesten Kämpfer suchen. Nur mit diesen Gegenständen ist ein Sieg denkbar!“ –„Wie bitte? Da könnte ich mich gleich dem Feind ausliefern! Was soll das bringen?!“ –„ Nur mit diesen Gegenständen ist ein Sieg denkbar! Und dich kennen Sie noch nicht. Du bist unsere einzige Chance.“

Kapitel 5: Flucht

Mit neuem Tatendrang suchte er eine Möglichkeit, seine Fesseln zu zerschneiden. Bald schon hatte er einen geeigneten Stein gefunden und die Fesseln zerschnitten. Als nächstes brauchte er einen Fluchtweg.
Doch seine Gedanken wurden von Schritten vor der Zelle unterbrochen. Eine in weite Gewänder gehüllte Gestallt bog um die Ecke. „Ich will zu dem neuen Gefangenen!“
Eine eindeutig weibliche Stimme forderte, ihn zu sehen.
Der Wärter grunzte zustimmend und stand auf.
„Wenn Ihr mir folgen wollt!“ Das Geräusch von zwei Paar Schuhen bewegte sich auf seine Zelle zu. „Achtung! Der Gefangene hat seine Fesseln losbekommen!“  Ein Messer blitzte im Schein der Fackeln auf und der Wärter fiel tot um. Der Schlüssel wurde vom Haken genommen und drehte sich im Schloss. „Der Feind ist da!“
Das war alles, was er hörte. Dann wurde er von seinem in weiten Gewändern gehüllten Retter an der Hand gepackt und aus der Zelle gezogen. Eilig klaubte er die wenigen Waffen des Wärters auf und nahm auch sein Essen. Dann folgte er dem Retter.
Dieser schien sich deutlich besser auszukennen und war bald nur noch ein Schatten an den Wänden, bald nur noch das Geräusch seiner Schritte. Trevo geisterte durch die Gänge und nahm jeden möglichen Aufstieg, um auf dem Dach einen Überblick zu bekommen. Schließlich gelang er in eine Waffenkammer.
Dort nahm er ein Schwert, drei Wurfmesser, Pfeil und Bogen mit und folgte den leeren Gängen. Der Blick durch die hohen Fenster war beängstigend. Überall waren Feinde.
Wie sollte er da rauskommen?

Die Antwort war einfacher als erwartet. Er stand gerade vor einem der Fenster, als er einen derben Tritt in den Hintern bekam.
Er flog mitten durch die Scheibe und sah den Boden schnell näher kommen.  Doch sein Sturz wurde unerwartet gestoppt. Ein Seil hatte sich um seine Hüfte geschlungen, und vom Schwung gepackt flog er eine Etage tiefer ebenfalls durchs Fenster.
Weitaus eleganter folgte ihm der Unbekannte, der ihn schon aus dem Gefängnis befreit hatte. „Wer bist du?“ Keine Antwort.
Der Unbekannte nahm ihn an der Hand und zog ihn durch ein schier unendliches Labyrinth von Gängen und Fluren.
Schließlich gelangten sie durch eine Hintertür nach draußen.

„Lauf!“- war alles, was er hörte. Er folgte dem Aufruf und rannte durch die Gassen. Überall waren Feinde, sodass es ihm schwerfiel, unentdeckt zu bleiben. Er hatte sich gerade ich den Rahmen einer Tür zurückgezogen, als ein ohrenbetäubender Knall seine Gedanken zerriss. Auch in  seiner Nähe ging ein solcher Sprengsatz in die Luft, und er musste sich vor den Splittern schützen.
Seiner Sicherheit beraubt, rannte er wieder los. Völlig außer Atem blieb er vor einer Säule stehen. Der Säulenkranz bestand aus einer Herzmuschel. Von den Explosionen war die Oberfläche der Säule so stark zerfurcht, dass er einen Aufstieg wagen konnte.

Langsam auf der sonnenabgewandten Seite wagte er den Aufstieg. Jeden Halt prüfend schob und zog er sich Meter um Meter höher. Auf halber Höhe hielt er kurz inne, um zu Luft zu kommen.
Der Ausblick war gewaltig, aber das Ausmaß der Explosionen war gewaltiger. Es raubte ihm den Atem und beinahe wäre er abgestürzt. An manchen Stellen der Stadt schlugen riesige Flammenwände über den Boden. es gab nur wenige Stellen, wo noch keine Flammen waren. Dort erhöhte sich jedoch die Dichte der Angreifer als auch die Menge der flüchtenden Bewohner.
Doch trotz der Flammen und der Zerstörung kam er nicht umhin, die Schönheit der Stadt zu bestaunen. Durch die Flammen gegen den schwarzen Himmel wirkte sie noch majestätischer.
Er schwor sich, alles Mögliche zu machen, um die weitere Zerstörung des Landes zu verhindern.

Kapitel 6: Das Blut der Wissenden

„The fate of Norns awaits us all, there is no way to escape, the day to answer Oden's call, or walk through hell's gate.“ (Amon Amarth; Fate of Norns; Fate of Norns)

Vom Zorn bestätigt nahm er die restliche Strecke  auf sich. Kurz vor dem Ende meinte er, beim Aufblicken einen schnell wieder weggezogenen Kopf zu sehen. Dann aber sagte er sich, dass es nur eine Täuschung gewesen sei, und kletterte weiter.Doch kaum, dass er sich über den Rand gezogen hatte, bereute er seine Leichtgläubigkeit. An seiner Kehle spürte er die Kälte des Todes und vor ihm kniete die vermummte Gestalt mit einer gespannten Armbrust in der Hand. Vorsichtig hob er die Hände über den Kopf, nur um einen derben Tritt in die Kniekehlen zu bekommen. Er schlug der Länge nach hin auf den Boden, etwa einen Arm weit von der vermummten Gestalt entfernt. Doch ehe er sich rühren konnte, hatte er ein Knie zwischen den Schulterblättern und einen Dolch an der Kehle.

„Bist du verrückt, dich hier Aufzurichten? Von hier aus sind wir mehrere tausend Meter weit zu sehen!“- „Was?“ – „Was wollten die Könige von Dir? Ich weiß, dass Du sie nicht umgebracht hast!“ –„Woher?“ –„Ich stell hier die Fragen! Verstanden?!“ –„Ja!“-„Also…?“ –„Ich hatte eine Botschaft. Von meinem Meister. Anscheinend war sie zu wertvoll, als dass die Könige sie wissen durften. Denn mein Meister starb wegen der Botschaft, und nun auch die Könige. Eine Botschaft, deren Tinte das Blut ist. Das Blut der wissenden.“- „Also über kurz oder lang auch dein Blut!“-„Nein! ich kenn das Geheimnis nicht. Und ich will es auch nicht kennen. Denn ich habe einen Auftrag. Eine wichtigen; also nimm den Dolch weg! Und die Armbrust wirst du auch nicht brauchen!“- „Nicht so eilig! Erzähl mir erst von dem Auftrag. Denn ich bin die einzige, die dir helfen kann. Sprich!“-„Nun ja: Mein Meister befahl mir, zu den Königen zu gehen. Also nachdem er tot war. Es war der Wunsch eines Toten. Die Könige waren bestürzt und erzählten mir von Reliquien, die auf dem „Sonnenschwert“ zu finden sein sollen. Und da sie jetzt tot sind, ist auch dies der Wunsch eines Toten. Nur leider weiß ich nicht, wo dieses „Sonnenschwert“ zu finden ist.“

„Erster Punkt, bei dem ich dir helfen kann: Das „Sonnenschwert“ ist eine Klippe, die weit über einen Abgrund hinausreicht. Der Name kommt vom Helden Saukri, der dort einen legendären Kampf ausfocht. Er starb als einziger der sieben Erbauern dieses Landes im Angriff; nicht wie die anderen, in der Verteidigung. Auch die Kette, die dich so unsanft in unsere Welt gebracht hat, ist von ihm. Vielleicht wurdest du deswegen auserwählt. Als er geschlagen ward, hinterließ er außer seinen persönlichen Sachen auch ein Land in  voller Blüte; aber ohne Kopf. Zwar nahm er den letzten Feind mit in den Tod, doch nun waren keine Zügel mehr da, um die Fürsten zu lenken:  Am Anfang folgte man noch seinen Regeln, doch mit der Zeit wuchsen die Verbrechen. Es begannen Kriege zwischen den Fürsten. Sie zwangen ihre Untertanen zu den Waffen, und jede Ordnung zerfiel.

Dann aber geschah es, dass sich je ein Fürstensohn und ein Magier der vier größten Fürsten sich auf dem  „Sonnenschwert“ begegneten.  Sie erinnerten sich der alten Idealen und begannen einen Zug der Bekehrung. Schnell hatten sich im Verborgenen lebende Anhänger der alten Ordnung um sich geschart. Bald führten sie den Krieg mit Worten, bald mit Waffen. Viele ließen ihr Leben. Doch noch mehr ließen sich von den alten und nunmehr  neuen Idealen anstecken. Nach drei Jahren Kampf war auch der letzte Fürst gefallen oder hatte sich der neuen Ordnung versprochen. Es kam eine Epoche des Friedens. Doch der Kampf hatte Spuren hinterlassen. Das Land lag in Trümmern und die Helden der Bekehrung waren gealtert. Auch hatten zahlreiche kleine und große Verletzungen den Körper geschwächt. So zogen sie sich zurück, und forschten. Und die Fürsten wurden vom Geist der Helden angesteckt und wurden ebenso unberührbar vom Alter wie sie. So hatten sie ihre Nachfolger bestimmt.

Doch ihr erbittertster Gegner nutzte die Zweifel eines der Fürsten, um seinen Körper zu brechen. Dann nistete er sich im Geist des alleinstehenden Magiers ein. Er lehrte ihn eine bis dahin unbekannte Art der Magie; eine schwarze, dunkle Art. Mit dieser Magie tötete er auf seiner Flucht ins Exil zwei der drei verbliebenen Magier und scharrte Unmengen von machtbesessenen Leute um sich. Doch sein Angriff misslang. Die Bevölkerung stürzte sich an den alten Regeln festhaltend in den Kampf. Sie schlugen den Gegner zurück. Doch nur zeitweise. Somit endet die alte Geschichte.

„Alles schön und gut, aber warum mussten drei Könige, drei Magier und ungezählte Menschen ihr Leben lassen? Warum dieser Krieg? Wie lautet die Botschaft, die ich bringe?“ –„Letzteres ist die Frage, die ich gern von Dir beantwortet hätte: Wie lautet die Botschaft? Wenn sie verschlüsselt ist; ich kenn mich aus.“ – „Ich hab' keine Ahnung!“- „Aber irgendeinen Anhaltspunkt muss es doch geben! Irgendwas, was uns ahnen lässt!“ –„So direkt kommt mir Nichts. Denn ich bin selber erst seit kurzem hier. Und auch das eher unfreiwillig: durch diese Kette!“ - „Herrin! Keine weitere Zeit! Es ist alles vorbereitet.“

Durch den Bann des Gesprächs unbemerkt hatte der Junge ihn losgelassen und hatte sich an den Ornamenten an der Muschel zu schaffen gemacht. Nun stand er dort. Hinter sich die blutrote Sonne; und von Überall zu sehen! „Es ist alles bereit! Ihr könnt gehen!“ –„ Du kommst mit!“- „Nein, Herrin! Mein Platz war, ist, und wird immer hier sein! So wie es die Ahnen lehren und wie mich der Pakt bindet.“- „Du kommst mit uns. Das ist ein Befehl!“- „Hier folge ich euch überall hin. Dorthin, wo Ihr jetzt hin wollt, jedoch nicht.“- „Aber…!“-„ Flieht! Rettet eure Hoffnung!“ Da fiel sie dem Jungen um den Hals, wie zum Abschied. Die Tränen standen ihr in den Augen. Doch Trevo erkannte ihre Absicht. Einen Schrei ausstoßend, sprang er auf sie zu. Doch zu spät: mit dem linken Fuß hatte war sie einem der Ornamente nachgefahren. Und kurz bevor er sie erreichte, und knapp nachdem sie das Ornament abgeschlossen hatte, wurden sie von einem Ruck gen Himmel geschleudert.

Betäubt öffne ich die Augen. Unter mir die zitternde Muschelschale. Mir gegenüber kauert an der Wand der Junge. Mit aschfahlem Gesicht und stumpfen Augen schaut er in Richtung des Mädchens. Sie erhebt sich schwarz gegen den blutroten Himmel. Ich krieche langsam in Richtung Rand. Der Augenblick der Erkenntnis ist niederschmetternd. Und das wortwörtlich. Getragen von einer Flammensäule steigt die Schale gen Himmel. Irgendwann hat sie ihren Hochpunkt und fällt mit noch beängstigender Geschwindigkeit wieder in die Tiefe. Durch den Flugwind höre ich die Entsetzenschreie der Menschen. Ich will mitschreien. Mein Verstand ist ausgeschalten. Doch der Wind reist mir die Worte von den Lippen; die Luft aus den Lungen. So sterbe ich also: halb erstickt und am Boden zerschmettert. Und als meine letzten Sekunden wie Stunden vergehen, bemerke ich, dass der Wind mich von der Schale abgelöst hat. Ich bin schwerelos. Im freien Fall. Und dann höre ich unter mir das Zerschmettern der Schale. Ich schließe die Augen und entgegne die Umarmung des Todes.

 

Kapitel 7: Bortgängen

„Welcome to my humble home, your soul is mine to keep, there are no walls of rock and stone, yet no one ever leaves.“ (Amon Amarth; Deceiver Of The Gods; Hel)

Meine Augen sind wieder offen. Ich stehe in einer Grotte. Über den Eingang fällt ein Vorhang von Wasser. Ein schwarzer Fluss. Was dahinter ist; ich weiß es nicht. Doch es ist der einzige Ausgang. Neben mir kann ich die mehr oder mindere Retterin erahnen. Sie kauert auf dem Boden, die Arme um die Knie geschlungen, die Augen auf die Knie gepresst. „Oh Seit-de-Mir! Was hab ich getan? Was? Nur was?“ Ich stehe vor ihr, keine Ahnung, was ich machen soll. Wie lange? Keine Ahnung. Zeit hat an diesem Ort keine Bedeutung. Nach einer gefühlten Ewigkeit steht sie auf. Von Weinkrämpfen geplagt schleppt sie sich in Richtung Wasserfall. Ich folge ihr, weil ich selber keine bessere Idee habe. Sie schreitet in den Wasserfall, und sie wird zu einer  Silhouette. Ich folge ihr nach, um sie nicht zu verlieren. Das Wasser ist eisig kalt. Jegliche Wärme weicht aus mir. Ich schaue zu meiner Rechten in ein aschfahles Gesicht  der Retterin mit eisig blauen Lippen. Einziger Farbpunkt in der schwarzen Leere, in der sie nun standen, war eine Frau. Auf einem schweren Stuhl, eher schon einem Thron, saß sie, ganz in Schwarz gekleidet. Doch ihr Gesicht hatte die Farbe von frisch geschlagenem Birkenholz und wurde von honiggelbem Haar eingefasst.  In ihrem Schoß lag ein schweres Buch: in dieses Buch schrieb sie mit blutroter Tinte. Als Stift diente ihr der Nagel des rechten Zeigefingers, welcher zugespitzt aus einer abgestorbenen Hand ragte. Durch die Haut konnte man die Konturen der Knochen ausmachen und jede Sehne war einzeln auszumachen. Ihre Rechte hingegen war von strahlendem Weiß. Die Nagelmonde waren gleichmäßig wie kopiert und ihnen nachgehend waren die Fingernägel ordentlich gefeilt. Ohne ihren Blick zu heben, sprach sie zu ihren neuen Gäste: „Ich bin Hel, Göttin und Wächterin von Hel! Wer in mein Reich kommt, war zu schlecht für's Paradies. Doch am Ende der Tage werdet auch ihr es zu sehen bekommen. Ihr seid Teil seines Untergangs. Und nun tretet näher, auf das Ihr eurer Bestimmung recht werden könnt.“ – „Hel; Gudinna; Drottning; Erinnert euch des Paktes, den Ihr am Anbeginn der Zeit geschlossen habt. Erinnert Euch Eurer Pflichten. Lasst uns passieren!“ Doch auch wenn diese wenigen Worte mit einer Eindringlichkeit gesprochen worden waren, war keine Reaktion von Hel darauf zu bemerken. „Legt Eure Hände auf das Buch!“ Sie folgten, ohne darüber nachzudenken. Hel strich über die Hände der Retterin und alle Kratzer und Narben verschwanden. „Sei makellos bis zum Neubeginn der Zeit, auf dass auch Du Deinen Platz unter den Ruhmreichen findest.“ Und mit einem Wink der Linken verschwand sie. Als zweites strich sie über seine Finger und sie wurden schwarz. „Sei voller Makel, auf dass die Götter ihr unrechtes Handel aufgrund deiner bemerken! Geh, ein Schiff ist fertig zu machen!“ Und mit einem Wink der Rechten verschwand auch er aus der Leere.

Kapitel 8: Alleine: Trevo

Das Rauschen der Brandung. Ein vertrautes Geräusch; und doch klingt es irgendwie anders.
Das Knarzen eines Schiffsrumpfs, der von den Wogen des Meeres in den Schlaf geschaukelt wird. Das Schlagen der Flaggen im Wind. Alles Geräusche eines Hafens. Vermischt mit dem Geruch von Salz, Tang, Moder und Seeluft.

Ich öffne die Augen; ich stehe auf einem mit Algen und Tang bewachsenen Steg.
Salzwasser peitscht mir in das Gesicht. Vor mir liegt eine weite Bucht. Doch es liegt nur ein Schiff darin. Es scheint mit seiner Umgebung zu verschmelzen. Doch es hat gigantische Ausmaße. Und gigantisch sind auch die Materialien, die auf das Schiff gebracht werden.
Ein reger Menschenstrom verbindet die Stadt in meinem Rücken mit den kleinen Ruderbooten, die die Fracht auf das Schiff bringen. Doch in mir erwacht das Gefühl, dass etwas mit den Menschen nicht stimmt. Jedoch kann ich nicht sagen, was merkwürdig ist.

Dann schlägt eine Tür hinter mir auf. Ausgelassenes und angetrunkenes Gelächter dringt nach draußen. Am Schatten auf dem Boden sehe ich, dass jemand in der Tür steht. Er torkelt heraus, schließt die Tür; und die Welt verstummt. Nur noch er ist für mich da.
„Willkommen, Landratte! Schön, dich dabei zu haben. Komm! Ich zeig dir deine neue Heimat!“ Er führt mich durch Gassen voller Unrat, in dem es von Ratten und anderem Getier nur so wimmelt. Wir kommen an Spelunken, Gasthäusern und anderen zwielichten Vergnügungsstätten vorbei. Zum Ende hin nehmen wir wieder Kurs auf den Strand.
„Und nun zu dem Herzstück unserer bescheidener Ansammlung: Naglfar. Komm, steig' ein.“
Mit einer kleinen Barke rudern wir heraus in die Bucht. Die Fahrt verläuft recht ruhig, was auch daran liegt, dass das Schiff die größten Wellen bricht. Schließlich stößt die Barke an der Bordwand an, die schwindelerregend über uns aufragt. Von oben wird eine Strickleiter herabgelassen. Mein Begleiter fordert mich auf, als erster hoch zu steigen. Er meint nur, das sei nicht mehr sein Zuständigkeitsbereich. Ich erfasse die Strickleiter und beginne den wackeligen Aufstieg. Es geht 20 Meter nach oben. Um mich herum tobt nun ein Sturm, der die See aufpeitscht. Mit Aufbietung meiner ganzer Kraft kämpfe ich mich hoch. Meter für Meter. Erschöpft lege ich die Hände auf die Reling. Endlich fester Halt. Doch die Freude ist von kurzer Dauer: ein sengender Schmerz brennt unter meinem Fingernägeln. Ich will die Hände weg reissen, auch wenn ich dann in die See fallen würde. Doch um meine Handgelenke hatten sich zwei starke Hände geschlossen, sodass meine Hände auf der Reling bleiben mussten. Über der Reling erschien das Gesicht des Käpt'n. Min einem zahnlosen Grinsen blickt er mich an: „Willkommen an Bord, Kleiner! Werde Eins mit dem Schiff! Deine Gabe sei gleich dem Schiff! Jeder, der hier anheuert, zahlt seinen Preis. einen Zoll, um das Schiff zu vergrößern!“
Bei diesen Worten explodiert der Schmerz unter den Nägeln in einer Flamme, und mein einzelner Schrei verliert sich in Tosen der Brandung.  

Kapitel 9: Alleine: Seith-de-Mir

Qualen! Nichts als Qualen erfüllen mein Sein! Qualen und der Hass auf ihre Verursacherin!
Ihr war bewusst, dass dies keine Fluchtmöglichkeit für mich ist. Ein Weg durch Hel! Also bitte! In Hel gibt es nur einen Weg, und der ist hinein. Heraus kann man nicht, ob königlichen Blutes oder nicht! Trotzdem hatte sie es versucht. Jetzt hat sie sich selbst umgebracht, und dennoch ist mein Dienst nicht verrichtet. Nach dem Pakt heißt das zwar, dass sie noch lebt, aber dieser Fluchtmechanismus ist viel zu veraltet, um noch zu funktionieren. Und auch wenn Hel eine Göttin ist und somit unsterblich, ist nicht garantiert, dass sie den Pakt nicht vergisst.
Immerhin wurde er zu Anfang dieses Landes geschlossen. Und das Blut derer, die ihn schlossen, hat sich mit anderem vermischt und kaum mehr Gewicht. Somit ist sie und auch er bis zum Ende aller Zeiten dort gefangen. Und sie werden am Untergang mithelfen. Doch was heißt schon Untergang? Der Untergang ist schon längst am Laufen. Das „Böse“ denkt, dass das Paradies entweder ein Vorwand dafür ist, schlechte Handlungen zu ahnden, oder aber auch schon jetzt erreichbar ist. Dann müsste es aber schon im Leben erreichbar sein. Und um diese Frage zu klären, suchen sie alle möglichen Quellen darüber. Eine dieser „Quellen“ war es, alles bekannte Land zu erobern, um den Stamm der Weltenesche zu entdecken, oder aber das Ende der Regenbogenbrücke. Denn der Quelle zufolge führt ein Weg über die Regenbogenbrücke direkt ins Paradies.

Aber er wusste, warum diese Ausmusterung stattfand. Er hatte in Hel Abschaum aller Art gefunden. Deswegen hatte er auch in den Pakt eingewilligt. Er wollt zurück. Nicht, um seine Fehler wiedergutzumachen. Dafür war es zu spät. Er konnte nur dafür sorgen, dass andere nicht ähnliche Fehler machen wie er. Dies war dann seine Aufgabe geworden. Die Prinzessin zu beschützen und in ihrem Namen gutes zu tun. Oder was man eben „Gut“ nennen will.

Doch er hatte an der Stadtbevölkerung schreckliches tun müssen. Sie hatten ihn gequält. Zusätzlich zu den Qualen, die er aufgrund der Fluchtversuches erleiden musste. Und irgendwann hatten sie seinen Geist gebrochen. Sie hatten ihn an den Willen der Generäle gekettet, sodass er ihren Befehlen Folge leisten musste. Und ihm war keine Möglichkeit gegeben, etwas zu ändern. Sein Körper und sein Geist führten die Befehle ohne sein Zutun aus. Und die Befehle waren grässlich: er musste etliche Male den hilfelosen Flüchtling spielen und um die Gunst derer Buhlen, die überlebt hatten und noch Mittel hatten; nur um sie aufzuspüren. Denn die Bevölkerung nahm die Unterdrückung nicht einfach so hin. Sie organisierten Attentate, sabotierten und sorgten für Unfälle. Um den Besatzern zu schaden. Also brachen die Invasoren die Geister ihrer Gefangenen und schleusten sie bei den Aufständischen ein. Er genoss dabei als Bewacher der Prinzessin großes Ansehen bei den Aufständischen, was seinen Feinden einen noch größeren Vorteil verschaffte.

Und so auch jetzt; Sie hatten ihn wieder auf einen der Adeligen angesetzt. Dieser hatte es geschafft, aus der Stadt zu entkommen und hatte sich in seinem Landwesen verbarrikadiert. Anfangs hatten sie ihn einfach nur aushungern wollen, doch in einem der gebrochenen Geister hatten sie Erinnerungen gesehen, die darauf hinwiesen, dass dieser Adlige etwas über die Flammensäule während des Angriffs wusste. Doch um an diese Infos zu kommen, mussten sie an seinen Körper als Vermittler zum Geist, kommen. Doch er wusste um seine Wichtigkeit und hatte gedroht, sich zu dematerialisieren,   sollten sie einen Frontalangriff wagen, der ihn zu sehr schwächen würde. Auch konnten sie ihn nicht verhungern lassen, sodass sie eine gewisse Menge Nahrung ihm und seinen Männern zukommen lassen mussten. Auch deswegen war ihnen die Idee gekommen, die gebrochenen Gefangenen als Spione zu benutzten. Angeblich hatten sie es geschafft, mehrere Landsknechte ein zu schleusen, doch waren sie zu unwichtig, als dass sie ihn überhaupt zu Gesicht bekommen würden.

Und da kam er ins Spiel: Als Diener für die Prinzessin hatte ich an den Adelshöfen einen gewissen Bekanntheitsgrad und hatte des Öfteren Bote für Liebesbriefe gespielt. Nun hatten sie meinen Körper mit mehreren frischen Schnittwunden übersät und in die leeren Straßen der Stadt geschickt. Dort hatte ich nach und nach Vermittler des Wiederstandes aufgesucht und war schließlich durch alte Teile der Altwasserversorgung zumindest auf die andere Seite der Stadtmauer gekommen. Dort lagerte ein Großteil der Armee. Durch diesen Teil hatte man mich einfach durch gewunken. Man wusste ja um meine Rolle. Nun sah ich in der Ferne die Lichter des Adelsitzes gülden scheinen und darunter das Flackern der Wachfeuer. Ab hier wurde es spannend; auch für mich als außenstehender Betrachter: wie wollten sie mich durchbekommen, ohne Aufsehen zu erregen? Sie konnten mich nicht einfach durch das Lager rennen und am Ende entkommen lassen. Das war noch niemandem geglückt. Und es wäre eine extreme Blöse gewesen. Sie wollten mich ja als hilfsbedürftig und bei nahe ausgehungert geben.

So wie es für mich momentan aussieht, haben sie seit einigen Tagen Lücken in ihren Patrouillen gelassen. Und diese Lücken soll ich ausnutzen. Doch der Plan hat eine Schwachstelle: was, wenn der Adlige einen Boten über die Route schickt? Sie dürfen ihn nicht entkommen lassen, aber sie werden vermutlich seinen Geist abhören. Und somit mich als Spion erkennen. Wenn ich Glück hab, bringt er mich um; mein innigster Wunsch: ein Pfeil im Herz; eine Lanze in der Brust;
eine Axt im Kopf!

Egal wie, zumindest tot.

Solch Gedanken gehen mir ständig durch den Kopf. Und es sind die einzigen Gedanken,
die Irgendetwas positives haben. Doch auch sie gehen zu Grunde.

Den inneren Patrouillenkreis habe ich hinter mir. Doch jetzt nehme ich einen merkwürdigen Kurs. Statt mich gerade durch die Lücken zu führen, warte ich an willkürlichen Stellen.
Auf was? Ich kann nur mutmaßen: der Adlige hat wirklich einen Boten entsandt und ich soll ihn abfangen und wieder auf den Hof führen. Und genau so kommt es auch: Mein Körper kriecht durch ein Gebüsch, als vor mir in zwei Augen der Mondschein wiedergespiegelt wird.
Im Geist verschiedener Gefangener hatten sie ein Geheimsignal der Aufständischen entdeckt. Dieses Signal machend wird der Bote auf mich aufmerksam. Wir verschmelzen unsere Geister, um Informationen auszutauschen und um uns zu besprechen. Ich hatte erhofft, dass er die Präsenz der anderen in meinem Geist bemerkt und mich umbringt. Doch Fehlanzeige.
Im Gegenteil. Er erkennt mich als Diener der Prinzessin und sieht ein, dass es wichtiger wäre, mich zum Adligen zu bringen als seine Botschaft weiter zu leiten. Und so machen wir uns auf den Rückweg. Er kennt den Weg schon und führt uns durch eine Reihe von Patrouillen. Und ich bemerke, dass ich absichtlich Fehler mache. Sie wollen die Patrouillen auf uns aufmerksam machen. Ich versuche, meine verbliebene Selbstbeherrschung dazu zu benutzen, diese Fehler zu belassen. Doch schnell erkenne ich die Zwickmühle darin und kann es spüren, wie der General, der die Kontrolle über mich hat, anfängt zu lachen. Ihr Plan ist ohne Lücken. Und ohne Lücken ist jetzt auch der Ring von Patrouillen. Sie habe hinter und vor uns alles dicht gemacht.
Und mir wird schlussendlich klar, was sie planen.

Zu dieser Geschichte gibt es 1 Kommentar

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Ella – 28. Oktober 2013

OOOh, ich bereue, dass ich deine Story nicht schon früher gelesen habe!!! ;D sie wirklich unfassbar gut!! Dein Schreibstil, die Idee, die Umsetzung... Alles einfach perfekt! ich hoffe auf mehr

Lg Ella