Torben Kuhlmann Illustrator und Kinderbuchautor aus Hamburg
WebsiteWarum bist du Illustrator geworden?
Ich würde fast sagen, dass ich mich zum Illustrieren berufen fühlte. Seit frühester Kindheit habe ich leidenschaftlich gemalt und gezeichnet. Die Wahl der Motive war häufig durch meine kindliche Neugierde bestimmt. Ich wolle mit dem Zeichenstift Dinge geradezu untersuchen und erklären oder kleine Geschichten drumherum erzählen. Ohne es zu wissen, war ich also schon als Kind Illustrator. Dieses Interesse blieb über viele Jahre unverändert, vielleicht noch weiter angeheizt von einem wachsenden Ehrgeiz in Sachen Storytelling und einer Begeisterung für das Medium Film. Das alles führte dann zu der etwas waghalsigen Entscheidung, diese Leidenschaft zum Beruf zu machen und Illustration in Hamburg zu studieren. Bis heute würde ich sagen, dass ich am allerliebsten Geschichten erzähle – ob mit Pinsel, Zeichenstift, Tastatur oder Filmkamera.
Wie sieht so ein Arbeitstag bei dir aus?
Der ideale Arbeitstag startet mit einer kleinen Fahrrad-Runde in und um Hamburg, allerdings muss hier das Wetter mitspielen. Ich versuche, im Laufe des Vormittags am Zeichentisch oder am PC zu sitzen. Gerne nutze ich den Morgen für Dinge, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Dafür arbeite ich dann mit einiger Regelmäßigkeit open-end in den Abend hinein. Ganz feste Atelierzeiten habe ich nicht. Wenn ich in Buchprojekten oder Auftragsarbeiten stecke, kann ein typischer Ateliertag aber schon mal zehn oder mehr Stunden dauern. Ich habe großes Glück, dass ich mich an meinem Zeichentisch pudelwohl fühle und ich das Verstreichen der Stunden oft gar nicht wahrnehme. Die meiste Zeit sitze ich gebeugt über dem Aquarellpapier, umgeben von Pinseln, Farbnäpfchen, Aquarellkästen und Zeichenstiften.
Gibt es Illustratoren, die dich beeinflusst haben/beeinflussen?
Hier gibt es tatsächlich eine lange Liste von Einflüssen, hauptsächlich aus der Kunst, von Claude Monet über William Turner bis Caspar David Friedrich. Hinzu kommen ein paar amerikanische Künstler wie John Singer Sargent, Andrew Wyeth oder Edward Hopper. Hier spannt sich dann auch der Bogen zu ein paar Illustratoren, insbesondere Norman Rockwell und einige seiner Zeitgenossen.
Was war deine allererste Illustration?
Als meinen Startschuss betrachte ich meine erste, große Auftragsarbeit und Veröffentlichung. Noch im Studium hatte ich die Gelegenheit für die Zeitschrift Stern eine Infografik zu erstellen, obwohl der Begriff hier nicht ganz passend ist. Vielmehr handelte es sich um eine historische Rekonstruktion der Schiffsflotte von Christoph Columbus, angefertigt mit Zeichenstift, Aquarellfarben und dem Computer. Alles davor fiel eher in die Kategorien Auftragsmalerei oder Hobby. Wie weiter oben schon gesagt: Illustriert habe ich in irgendeiner Form schon immer – nur bei dieser Veröffentlichung gab es erstmals den entsprechenden Credit "Illustration: Torben Kuhlmann".
Was inspiriert dich? Woher kommen die Ideen?
Dies ist schwer zu beantworten. In den meisten Fällen taucht eine Inspiration wie aus dem Nichts auf, allerdings passiert dies häufig genau dann, wenn ich mit den Gedanken ganz woanders bin. Die größte Chance auf Inspirationen oder Ideen habe ich bei langen Spaziergängen am Meer oder bei ausgedehnten Fahrradtouren durch Natur- oder Industrielandschaften. Eine recht heruntergekommene Autowerkstatt führte beispielsweise zu den ersten Bildideen für mein Mäuseabenteuer "Edison" und die teils etwas absurd erscheinende Kulisse aus Schornsteinen, Rohrleitungen, Bahnschienen und Kränen des Hamburger Hafens hatte sicherlich Einfluss auf die Bildsprache meiner "Maulwurfstadt". Inspiration finde ich zudem in Museen und Kunstausstellungen, alleine schon, weil es die Lust aufs Malen befeuert.
Hast du einen persönlichen Lieblingsillustrator, eine Lieblingsillustratorin?
Auch hier könnte ich höchstens eine lange Liste an Namen aufzählen. Ein paar Namen, die ich herausheben könnte, wären Norman Rockwell, Rebecca Dautremer, Sonja Danowski und Shaun Tan.
Hörst du beim Illustrieren Musik oder Hörbücher oder soll es lieber still sein?
Das hängt von der jeweiligen Arbeitsphase ab. Beim Schreiben der Texte brauche ich tatsächlich Ruhe, ein undefinierbares Geräusche-Wirrwarr im Hintergrund stört aber nicht. Ich habe schon in Cafés, an Flughäfen oder im Zug geschrieben. Bei der Konzeption der Geschichte und der Arbeit am Storyboard brauche ich auch ebenfalls volle Konzentration. Da wird manchmal nur eine zur Stimmung der Geschichte passende Musik unterlegt. Beim Illustrieren, also dem Ausarbeiten der Bilder, lasse ich mich dann aber gerne berieseln, entweder von Podcasts, Hörbüchern oder Dokumentationen. Manchmal läuft auch einfach YouTube im Hintergrund, mit irgendwelchen Videos über Filme, Comics, Kunst oder Geschichte.
Hast du einen Lieblingsplatz zum Illustrieren?
Meine kleine Zeichenecke in meinem Atelier. Tatsächlich kann ich dort am konzentriertesten arbeiten, da nicht allzu viel Ablenkung drumherum zu finden ist: nur eine Tischplatte, eine Tageslichtlampe, verschiedene Farben, Gläser, Stifte und Pinsel.
Gibt es eine Wunschgeschichte, die du gerne mal illustrieren würdest?
Natürlich gibt es eine Reihe von fantastischen Geschichten, mit denen ich aufgewachsen bin. Ein latenter Reiz, eine von diesen zu illustrieren, ist nicht zu leugnen. Allerdings gibt es da mehrere Hürden. Von vielen Titeln gibt es schon hervorragend illustrierte Ausgaben oder filmische Adaptionen, so dass ich die Notwendigkeit einer weiteren visuellen Interpretation nicht sehe. Und dann wären da noch Geschichten, die schon auf geradezu magische Weise nur mit filigran gewählten Wörtern eine Welt vor dem geistigen Auge entstehen lassen. Eine klassische, realistische Illustration der gleichen Welt braucht es dann gar nicht, beispielsweise bei einigen meiner Lieblingsbücher wie Bram Stokers "Dracula" oder Neil Gaimans "Coraline". Insofern bin ich sehr zufrieden, eigene Geschichten zu erzählen und selber entscheiden zu können, was der Text erzählt und welche Inhalte und Stimmungen die Illustrationen vermitteln sollen.
Gibt es eine Illustration, auf die du besonders stolz bist?
Einige meiner Coverillustrationen, ob nun für Bilderbücher oder Jugendromane, mag ich in der Tat ganz gerne, zum Beispiel die Arbeiten für die im Gerstenberg-Verlag erscheinenden Frida Nilsson Titel. Aber wenn ich einen konkreten Favoriten nennen müsste? Auf die Idee und die Umsetzung der Titelillustration für das Mäuseabenteuer "Lindbergh" war und bin ich recht stolz. Es freut mich, dass diese recht ungewöhnliche Komposition mit einem nur teilweise zu sehenden Flugzeug, einer winzigen Maus und einem Spotlight doch irgendwie funktioniert. Und eine kurze Ergänzung: Allgemein mag ich meine schnellen, ersten Skizzen recht gerne. Etwas, was auch für die Arbeit vieler meiner Kolleginnen und Kollegen gilt. Eine gewisse Vorliebe für die Skizzenphase habe ich auch bei diesen.
Was macht für dich den Beruf des Illustrators aus?
Die Leidenschaft, etwas zu erzählen. Ich verstehe mich in der Funktion des Illustrators vor allem als eine Art Storyteller, immerhin inszeniere ich Geschichten mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Leidenschaft ist hier zudem ein gut gewählter Begriff, da der Beruf auch immer wieder Leiden schafft. Ich jedenfalls finde mich von Zeit zu Zeit in einem gewissen Kampf mit mir selber wieder. Mal gelingt eine Illustration nicht wie gewünscht, mal fehlt eine Idee, mal hinterfragt man viel zu kritisch seine Arbeit. Es ist immer wieder ein Tanz zwischen hemmendem Frust und großer Euphorie.
Was macht deiner Meinung nach eine gute Illustration aus?
Eine gute Illustration sollte nicht nur eine hübsche Dreingabe, ein Schmuckstück, zu einer Geschichte sein, sondern sich am besten als essentielle Komponente einer Erzählung etablieren. Eine gute Illustration kann eine Stimmung oder eine gewisse Atmosphäre auf den Punkt bringen oder durch Komposition, Lichtstimmung und Blickwinkel einem kurzen Satz oder einer knappen Aussage enormen Mehrwert verleihen. Illustrationen sind bestenfalls nicht nur dekorativ, sondern ein untrennbarer Teil des Storytellings. Und mit etwas Glück funktionieren sie darüber hinaus, losgelöst vom Text und ihrer eigentlichen Funktion, ebenfalls als Bild an der Wand.
Hast du manchmal auch einfach keine Lust zu zeichnen/zu malen? Musst du dich dann motivieren? Und wenn ja, wie machst du das? Gibt es so etwas wie eine Schreibblockade auch bei Illustratoren? Also so eine Kreativblockade?
Diese Blockaden gibt es sowohl beim Zeichnen und Malen, wie auch beim Schreiben. Es erscheint wie eine Inspiration im Rückwärtsgang. Wenn der kreative Funke da ist, kommt es einem so vor, als müsse man nur die ganze Fülle an Worten oder Strichen und Farben anordnen. Alles ist aber schon da und muss nur in Form gebracht werden. Dieses Arrangieren kann dann gar nicht schnell genug stattfinden und man gelangt in einen geradezu meditativen Arbeitsprozess. Bei einer Blockade fehlt dieses Sammelsurium an Worten, Farbflecken, Strichen und Linien. Man versucht sich aus einer Leere zu bedienen und natürlich füllt sich so kein Blatt Papier, weder mit Buchstaben noch mit Strichen. Aus dieser Situation komme ich auch nicht heraus, indem ich den Leistungsdruck immer weiter erhöhe. Dann wächst nur die Frustration. Abstand ist das beste Rezept – insbesondere ein körperlicher Abstand zum Zeichenbrett oder Schreibblock. Frustration und Druck müssen verschwinden. Manchmal reicht es, eine Nacht drüber zu schlafen oder mal einen Tag etwas völlig anderes zu machen. Bisher konnte ich so zum Glück alle Blockaden einreißen.