Lena Winkel Illustratorin aus dem Westerwald

Website

Warum bist du Illustratorin geworden?

Meine Lieblingsfächer in der Schule waren Kunst, Bio und Deutsch. In allen drei Bereichen habe ich Ermutigung erfahren: Von Lehrer*innen, meinen Eltern, Künstler*innen, die ich online kennen gelernt hatte. Also habe ich mit mir abgemacht: Entweder werde ich "freier Illustrator" (diesen Begriff hatte ich in einem Forum aufgeschnappt und fand ihn sehr romantisch, einfach maximal autonom), wenn das nicht klappt, werde ich Literaturwissenschaftlerin, und wenn das nicht klappt, werde ich ein ungehaltener Genetiker, so wie Erwin Chargaff. Ich wurde dann aber (zum Glück?) direkt in Hamburg an der HAW zum Studiengang Illustration zugelassen.

Illustration aus "Siegfried, der Drachentöter" (Anna Kindermann)
© Kindermann 2023

Illustration aus "Siegfried, der Drachentöter" (Anna Kindermann) © Kindermann 2023

Gibt es Gibt es Illustrator*innen, die dich beeinflusst haben/beeinflussen?

Ich habe zu diesem Zwecke einen alten Ordner angeschaut mit Bildern, die ich gezeichnet habe, als ich in der ersten oder zweiten Klasse war. Als frühen Einfluss konnte ich identifizieren: Pokémonkarten, Diddl, Ilon Wiklands Katla aus „Die Brüder Löwenherz“, Jurassic Park III (den ich nicht sehen durfte, aber ich hatte ein paar Sammelsticker) und den weinenden Vogel aus Jim Knopfs Traum in „Jim Knopf und die Wilde 13“. Damit ist vielleicht auch erstmal das Wichtigste gesagt.

Was war deine allererste Illustration?

"Drache, der seine Mutter zum Abendessen ruft" (1996, Titel von besagter Mutter)

Illustration für "Luftpiraten" (Markus Orths); Überreuter Verlag, 2020

Illustration für "Luftpiraten" (Markus Orths); Überreuter Verlag, 2020

Was inspiriert dich? Woher kommen die Ideen?

Lesen, vor allem das Lesen von kulturtheoretischen oder ökofeministischen Texten, erzeugt in mir eine zuverlässige Basis für schönere Gedanken. Eine weitere Inspirationsquelle sind pen&paper-Rollenspiele. Ich mag es, bestimmte Ideen und Motive auf Charaktere zu "mappen" und dann gemeinsam am Tisch durchzuspielen, und zum Glück habe ich geduldige Mitspieler*innen, die das zulassen. Beim gemeinsamen Improvisieren passiert immer etwas Unerwartetes, und es ist für mich der schnellste Weg, Figuren lebendig werden zu lassen.

Illustration aus "Die gute Gutenachtgeschichte" (Andreas Greve); © Atlantis, 2021

Illustration aus "Die gute Gutenachtgeschichte" (Andreas Greve); © Atlantis, 2021

Hast du einen persönlichen Lieblingsillustrator, eine Lieblingsillustratorin?

Neulich in Bologna war ich sehr verliebt in die Arbeiten von Anne Brouillard. Und ich glaube, auf der Ausstellung lief auch Catherine Meurisse rum. Aber ich bin nicht sicher, weil ich vielleicht etwas gesichtsblind bin. Nunja, auf jeden Fall mag ich Catherine Meurisse auch sehr gerne. Wen noch? Janne Dauer, Sam Hensley, Michel Galvin, Helen Stefanie, und last but not least die Hamburger, bei denen ich teilweise auch studieren durfte, zu meinem großen Glück: Kathrin Klingner, Anke Feuchtenberger, Sascha Hommer, Noëlle Kröger und Wiebke Bolduan.

Plakatdesign für das 20. Lübecker Bücherpiraten-Festival, 2023

Plakatdesign für das 20. Lübecker Bücherpiraten-Festival, 2023

Hörst du beim Illustrieren Musik oder Hörbücher oder soll es lieber still sein?

Es sollte eigentlich besser still sein. Aber ich liebe es, Playlists für alles und jeden zu erstellen und lasse mich sehr gerne ablenken. In dieser Sekunde übrigens von Nichtseattle, falls jemand eine konkrete Empfehlung möchte.

Hast du einen Lieblingsplatz zum Illustrieren?

Im Bett mit meinem iPad Pro.

Gibt es eine Wunschgeschichte, die du gerne mal illustrieren würdest?

Nein, denn die letzten Jahre waren sehr auftragslastig. Ich möchte am liebsten nur noch eigene Geschichten schreiben und Comics machen.

Illustration aus  
"Es flüstert und rauscht - Naturgedichte für Kinder. Ins Bild gesetzt von 11 Illustrator*innen" (Josef Guggenmos); © Beltz & Gelberg, 2022

Illustration aus "Es flüstert und rauscht - Naturgedichte für Kinder. Ins Bild gesetzt von 11 Illustrator*innen" (Josef Guggenmos); © Beltz & Gelberg, 2022

Gibt es eine Illustration, auf die du besonders stolz bist?

Die Gewitter-Illu aus "Es flüstert und rauscht" (Beltz&Gelberg, 2022), auch wenn die beiden Pfeiler der Brücke in der Mitte der Fahrbahn stehen. Mit den Illustrationen für die beiden "Luftpiraten"-Bände von Markus Orths bin ich ebenfalls sehr froh. Die wurden im Duplex gedruckt, Schwarz und ein Pantone-Blau, das sieht gut aus und sollte öfter so gemacht werden.

Illustration aus "Mach's gut, Eichhörnchen" (Cornelia Neudert); © Thienemann, 2021

Illustration aus "Mach's gut, Eichhörnchen" (Cornelia Neudert); © Thienemann, 2021

Wenn du gerade nicht illustrierst, was tust du dann gerne?

Lesen, Schwimmen und Filme aus den Siebzigern schauen. In letzter Zeit spiele ich allerdings entweder Baldur's Gate III oder Ukulele. Ob ich wohl auch mal ein trauriges Volkslied mit A-Moll, D-Moll und E-Dur schreiben können werde?

Buchcover für "Siegfried, der Drachentöter" (Anna Kindermann); © Kindermann 2023

Buchcover für "Siegfried, der Drachentöter" (Anna Kindermann); © Kindermann 2023

Was macht für dich den Beruf des Illustrators aus?

Ich hatte hierauf, glaube ich, eine durchschnittlich solide Antwort, doch dann las ich, was Oksana Bula dazu geschrieben hatte; ihre Antwort war: "Der Respekt anderen Künstlern gegenüber."

Es ist hoffentlich in Oksanas Sinne, wenn ich ihren Gedanken hier zitiere und weiterspinne. Denn ich stimme ihr absolut zu. Und ich würde hinzufügen, dass es darüber hinaus beim Illustrieren auch immer um Respekt vor dem Dargestellten selbst geht, darum, eine Haltung zu dem einzunehmen, das man zu repräsentieren versucht, und im Idealfall auch zur Geschichte seiner Repräsentation. (Aber was repräsentiert man eigentlich, wenn man einen Drachen zeichnet?) Und eben weil ich nicht glaube, dass diese Wertschätzung irgendwie auszusehen hat, sondern im Gegenteil in jedem Bild neu erfunden werden muss, oft auch in sorgsamer Kommunikation mit dem Text (der auch noch irgendwas will), halte ich Illustrieren für keine so leicht oder schnell zu bewältigende Aufgabe, wie einem die Garantiehonorare suggerieren möchten. Vielmehr handelt es sich um eine Sonderform vermittelnder Kommunikation, bei der man sich an bestehenden Bildtraditionen bedient oder abarbeitet, und daher, meiner Meinung nach, auch einen einzigartigen Zugang zur Herstellung und Wirkungsweise von Bildern hat. Das hat mich jüngstens vor allem bei meiner Arbeit an der Siegfried-Sage für den Kindermann-Verlag beschäftigt. Es ist eine sehr alte Geschichte, die bekanntermaßen von den Nazis propagandistisch genutzt wurde. Und auch, wenn das Ergebnis vielleicht locker und lebendig wirkt, fand ich es keine einfache Aufgabe, mit der faschistisch durchtränkten Rezeptionsgeschichte dieses Stoffes in den direkten zeichnerischen Austausch zu treten.

Was macht deiner Meinung nach eine gute Illustration aus?

Sie soll mich rühren wie ein klein wild Vögelein (oder eine Kellerassel).

Illustration aus "Siegfried, der Drachentöter" (Anna Kindermann)
©Kindermann 2023

Illustration aus "Siegfried, der Drachentöter" (Anna Kindermann) ©Kindermann 2023

Hast du manchmal auch einfach keine Lust zu zeichnen/zu malen? Musst du dich dann motivieren? Und wenn ja, wie machst du das? Gibt es so etwas wie eine Schreibblockade auch bei Illustratoren? Also so eine Kreativblockade?

Um Lynda Barry zu zitieren: "When you are lost, there draw monsters." Drachen gehen immer. Tatsächlich kenne ich die "Angst vor dem weißen Blatt" nicht so wirklich, oft skribble ich schon während der ersten Telefonate mit den Auftraggebern und fange einfach an. Aber es gibt im Prozess immer wieder blinde Momente, Punkte, an denen ich nicht aufhören kann, mich an unwichtigen Details aufzuhalten und entscheidungsunfähig werde. Dann braucht es — spätestens — den anderen Blick.