Das Dunkle hat auch gute Seiten

Geschrieben von Ella

Kapitel 1

Ich weiß gar nicht mehr wie lang ich auf diesem Baum gesessen habe.
Mindestens zwei Stunden.
Unter mir liefen Männer herum, suchten nach Spuren oder stellten Fallen auf. Und das alles nur weil irgendein kleiner Junge angeblich einen Dämon im Wald gesehen hatte.
Völliger Blödsinn!

Glaubt mir. Ich kann keiner Fliege was zuleide tun. Ich stieß einen Seufzer aus, sodass ein Mann zu meinem Baum blickte. Doch ich zog mir nur die Kapuze tiefer ins Gesicht und drückte mich an den dunklen Stamm. So konnte mich keiner entdecken. Das ist das einzig gute an unserem Körper. Wir können, wann immer wir wollen, mit der Dunkelheit verschmelzen. Aber vielleicht sollte ich euch einmal aufklären.

Ich bin ein Dunkelelf. Ich weiß, der Name klingt nicht sehr freundlich. Aber ich bin nicht böse. Die Menschen verstehen das nur leider nicht. Sie denken wir sind Teufel, Ausgeburten der Unterwelt. Vielleicht liegt das an unserer Haut. Sie ist so schwarz wie die Nacht. Alles an uns ist schwarz. Wir haben meistens lange Haare damit wir unsere Ohren abdecken können. Sie sind lang und laufen oben spitz zu. Die Menschen haben die Dunkelelfen deswegen schon fast ausgerottet. Ich bin einer der Letzten. Mein Name ist übrigens Larvonso. Das bedeutet in unserer Sprache so viel wie Schnee. Und das ist das Besondere an mir. Ich habe schneeweiße Haare.
Als ob ich nicht schon genug auffallen würde. Deswegen trage ich nur Kleidung die eine Kapuze hat. Ich bin auch für mein Alter schon ziemlich groß. Aber das tun viele Dunkelelfen.
Ich bin dreizehn und sehe aus wie sechzehn.

Kapitel 2

Es fing an zu regnen. Besser gesagt zu schütten!
Dicke Tropfen fielen vom Himmel und durchnässten die Männer in Sekundenschnelle.
Diese machten sich sofort aus dem Staub und ich hatte meine Ruhe. Ich kletterte von dem Baum und blickte mich um. Keine Spur von den Menschen. Alle waren sie nach Hause gelaufen.
Mir macht Regen nichts aus. Im Gegenteil! Sobald es regnet kann ich ungestört machen was ich will. Es gibt nur drei Zeiten an denen man sicher sein kann, dass niemand einem über den Weg läuft. In der Nacht, in einem kalten Winter oder eben wenn es wie aus Eimern schüttet.

Ich lief pfeifend durch den Wald und suchte nach einem Unterschlupf zum Schlafen.
Dabei blickte ich immer wieder auf den Boden. Menschen haben nämlich die unangenehme Angewohnheit überall Fallen zu hinterlassen. Am beliebtesten ist das Fangeisen. Ich bin schon einmal in so etwas reingetreten. Die Narben habe ich immer noch obwohl das jetzt schon mindestens zwei Jahre her ist.

Plötzlich hörte ich Schritte. Ich trat schnell zur Seite und lehnte mich gegen einen Baum.
Schon hatte mich die Dunkelheit verschluckt.

Kapitel 3

Das Mädchen kam schnell näher. Der Saum seines Kleides war feucht und schmutzig. Sie passte eigentlich gar nicht in den Wald. Wahrscheinlich war sie beim spazieren gehen von dem Regen überrascht worden. Sie beeilte sich und schaute nicht auf den Boden. Gar nicht gut!
Ungefähr zehn Meter vor ihr lag ein Fangeisen im Gras. Es war mit Laub verdeckt, trotzdem hatte ich es sofort entdeckt. Darin war ich schon geübt. Das Mädchen aber anscheinend nicht.
Sie war viel zu sehr damit beschäftigt aufzupassen um nicht über ihr Kleid zu stolpern, um auf den Boden zu sehen. Sie hätte nur noch fünf Schritte machen müssen, dann wäre sie reingetreten.
Ich konnte nicht einfach zusehen also rief ich:“ Vorsicht! “
Sie blieb abrupt stehen und blickte sich um.
„Wer ist da? “ , fragte sie und versuchte ihre Stimme mutig klingen zu lassen.
Ich trat aus dem Schatten. Sie wich erschrocken zurück.
„Wer sind sie?“
Ich antwortete nicht sondern hob einen großen Ast vom feuchten Boden auf. Ich stieß genau dort in das Laub wo die Falle lag. Sie schnappte zu und grub ihre metallenen Zähne in das Holz.
So hob ich sie hoch und zeigte sie dem Mädchen.
„Da wärst du fast rein getreten.“ Sie rümpfte die Nase.
„Wer hat ihnen erlaubt mich zu duzen?“
Ich lächelte, doch sie sah es wahrscheinlich nicht, da ich die Kapuze immer noch tief ins Gesicht gezogen hatte.
„Dreizehnjährige kann man doch noch duzen, oder?“
Sie wurde rot. „Kann schon sein.“ Sie blickte mich interessiert an.
„Wusstest du...„ Sie lächelte „Wusstest du, dass hier im Wald ein echter Dämon gesichtet wurde?“
„Echt?“ Ich tat erstaunt.
„Ja. Angeblich hat ihn ein kleiner Junge beim Spielen entdeckt.“
Es hörte langsam auf zu regnen und die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich durch die Wolken. Erleichtert ließ sie ihr Kleid los, das sie die ganze Zeit gehalten hatte, damit es nicht  schlammig wurde. „Im ersten Moment dachte ich tatsächlich, dass du dieser Dämon bist.“ Sie lachte hörte aber auf, als sie sah, dass ich nicht mit lachte. „Was ist denn?“
„Bitte erschrick jetzt nicht.“, sagte ich nur.
Sie schaute mich irritiert an. Ich nahm die Kapuze ab und blickte sie an. Sie ließ einen leisen Schrei hören. Ich hatte diese Reaktion erwartet. Jeder Mensch erschrickt bei dem Anblick unserer gelben Augen. Aber wir brauchen Katzenaugen, um im Dunkeln sehen zu können.

Kapitel 4

Ich machte einen Schritt auf sie zu. Sie wich nicht zurück sondern starrte mich nur an.
„Du bist dieser Dämon.“, flüsterte sie.
Ich sagte nichts.
„Wieso hast du mich gerettet?“, forschte sie weiter
„Ich bin kein richtiger Dämon. Ich sehe nur so aus .“, sagte ich.
„Aber was bist du dann?“
„Ich bin ein Dunkelelf“, antwortete ich. Erstaunt musterte sie mich. Sie musste von weit her kommen, wenn sie keine Dunkelelfen kannte.
„Wie heißt du?“, fragte sie neugierig.
„Larvonso. Und du?“
„Katharina.“ Die untergehende Abendsonne färbte den Wald rosarot und unter dem Laub war rascheln zu hören.
Plötzlich näherten sich Schritte. Ich versteckte mich hinter einem Baum und Katharina blickte sich ängstlich um.
„Wo bist du?“, flüsterte sie. Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Natürlich. Sie konnte mich nicht sehen.
„Keine Angst das ist nur ein Mensch“, sagte ich.
„Wieso bist du dir da so sicher?“ In ihrer Stimme schwang Angst mit.
„So etwas höre ich. Tiere bewegen  sich viel schwerfälliger.“
Genau in diesem Moment wurde, wie eine Bestätigung, Katharinas Name gerufen.
Erleichtert seufzte sie auf. „Ich komme Mutter!“
„Bis später, Katta“, flüsterte ich. Ich weiß nicht mehr wie ich auf diesen Spitznamen gekommen bin. Wahrscheinlich lag es an ihrem langen Zopf der ihr, wie ein Affenschwanz, im Nacken hing.
Ich hatte mich gefragt wieso sie nicht wie alle Frauen das Haar hochgesteckt trug.
Katta lächelte. „Bis später.“
Dann lief sie ihrer Mutter entgegen.

Ich folgte den beiden. Dort wo der Wald sich lichtete stand schon eine Kutsche für sie bereit. Als sie einstigen, kletterte ich auf einen Baum und ließ mich von einem Ast auf das Kutschendach plumpsen. Ich hatte Glück, dass der Kutscher nichts gehört hatte und so machte ich mich möglichst klein und versuchte keinen Lärm zu erzeugen.
Nach einer halben Stunde waren wir am Ziel. In der Stadt hatte ich wieder den Fußweg genommen und die beiden auf den Dächern der Häuser verfolgt.
Die Kutsche hielt vor einer großen, noblen Villa. Katta musste sehr reiche Eltern haben.
Ich kletterte die Fassade hinunter bis zu dem Raum aus dem Stimmen drangen. Neben dem Fenster presste ich mich an die Wand und lauschte. Katharina stritt sich gerade mit ihrer Mutter.
„Musst du immer weglaufen? Und dann noch in den Wald.
Schau wie schmutzig du bist.“ Das war ihre Mutter.
„Mir gefällt es dort eben. Außerdem musste das Kleid  sowieso schon längst gewaschen werden.“ Ihre Mutter seufzte „Wie sollen wir später denn einen Mann für dich finden, wenn du dich nicht benehmen kannst?“
„Den suche ich mir selbst. Und ich werde ihn sicher viel lieber haben als den, den ihr mir aussuchen würdet. Ich schaue nämlich nicht nur auf das Geld.“
„Das reicht!“, rief ihre Mutter. „Nicht genug dass du dich nicht an Regeln hältst, jetzt willst du dir auch noch deinen Mann selbst aussuchen. Dieses Benehmen ist einfach unerhört. Den Rest der Woche wirst du dein Zimmer nicht verlassen.“ Sie knallte die Türe hinter sich zu und Katta ließ sich mit einem Seufzer auf ihr Bett sinken.

Kapitel 5

Ich klopfte gegen die Scheibe. Dazu musste ich mich ziemlich verrenken was meinem Rücken nicht gerade gut tat. Katta öffnete erst nachdem ich zum Dritten mal geklopft hatte. Erleichtert kletterte ich in ihr Zimmer. Sie schaute mich irritiert an. „Was machst du denn hier?“
„Ich bin dir gefolgt um zu sehen wo du wohnst. Weißt du, du hast eine wirklich reizende Mutter.“ Sie verzog den Mund. „Das ist mir neu.“
Ich lachte und sie lachte mit. „Ich glaube jede Mutter ist so. Herrisch und immer in Sorge. Wie ist denn deine?“ Ich zuckte die Achseln. „Weiß nicht mehr. Sie ist schon seit über fünf Jahren tot.“ Katta schaute betroffen. „Das tut mir leid.“
„Mir auch. Aber was soll man machen? Sobald ein Jäger kommt sind wir sowieso schon so gut wie tot. Mein Vater wurde auch von einem Jäger erschossen. Ich glaube jeder kommt früher oder später durch Jäger um.“ Katta schaute erschrocken. Ich lächelte. „Du sicher nicht.  Ich meinte uns Dunkelelfen.“
„Es ist trotzdem schrecklich.“ Ich zuckte nur die Schultern. „So spielt das Leben. Du hattest das Glück als Mensch geboren zu werden, ich das Pech ein Dunkelelf zu sein.“
Schritte näherten sich und jemand klopfte gegen die Türe. „Schnell, versteck dich!“, zischte mir Katta zu. Ich zwängte mich in einen Spalt zwischen Wand und Kasten und hoffte, dass es finster genug war um mich zu übersehen. Ein Dienstmädchen betrat den Raum „Ich soll Ihnen mitteilen, dass Sie zum Abendessen erscheinen sollen“, sagte  sie mit dünner Stimme. „Ist gut. Ich komme gleich.“ Das Mädchen machte einen unbeholfenen Knicks und verließ das Zimmer.
„Es ist wohl besser wenn ich jetzt gehe“, meinte ich.
„Aber komm morgen wieder. Sonst sterbe ich vor Langeweile.“
„Klar!“ Dann schwang ich mich aus dem Fenster und machte mich auf den Heimweg.

Um diese Jahreszeit war es im Wald wenn es dunkel wurde schon empfindlich kalt. Ich hielt Ausschau nach einer Höhle oder ähnlichem. Ich fand aber keine, also kletterte ich auf einen Baum. Ich lehnte mich gegen den harten Stamm und beobachtete den Waldboden. Am Abend kommen alle Lebewesen heraus die man am Tag nicht zu Gesicht bekommt. Feuerkäfer und Waldfeen bahnen sich einen Weg durch das Gestrüpp und wenn es stockdunkel ist kann man auch Schatten sehen. Es sind körperlose Wesen die jede beliebige Gestalt annehmen können. Meist tauchen in der Form eines Bären oder Wolfes auf. Man erkennt sie nur daran, dass sie pechschwarz und ein wenig lichtdurchlässig sind. Schatten verstecken sich nicht wie ich in der Dunkelheit. Sie sind die Dunkelheit!

Kapitel 6

Ich wachte mit einem komischen Geruch in der Nase auf. Ich stand auf und hielt mich an einem Ast fest. Als ich um mich blickte merkte ich wieso es  so komisch roch. In ungefähr hundert Metern Entfernung stiegen dicke Rauchschwaden in die Luft. Feuer! Der Wald brannte und die Flammen loderten, in den dunklen Himmel.

Ich kletterte so hektisch vom Baum dass ich mir die Hände aufschürfte. Schnell lief ich zu einem nahe gelegenen Fluss. Auf dem Weg dorthin fiel ich fast über ein gehörntes Kaninchen. Es bleckte angriffslustig die gelben Zähne doch ich warf nur einen Stein nach ihm und das feige Vieh verschwand wieder in seinem Loch. Am Fluss steckte ich meine Hand ins Wasser und versuchte zu Schnipsen. Es gelang mir erst nach dem dritten Versuch. Dafür wirkte es. Zwei Wassergeister kamen geschwommen und blickten mich fragend an. Ich verstand mich recht gut mit ihnen und erklärte sofort worum es ging. Sie tauchten unter und riefen mit schrillen Geräuschen ihre Brüder. Ich ließ sie machen und verzog mich auf einen Baum denn wie ich es mir gedacht hatte, trat der Fluss aus seinem Bett und überschwemmte den halben Wald. Ich mochte Wasser nicht besonders aber es verfehlte nicht seinen Zweck. Das Feuer war nach zwei Minuten gelöscht und es waren ihm nur ein paar Pflanzen zum Opfer gefallen. Es kamen auch schon Waldfeen um um sie zu trauern.

Ich beeilte mich in die Stadt zu kommen. Ich musste unbedingt Katta von dem Vorfall erzählen. Sie öffnete mir nach dem ersten Klopfen. Nachdem ich fertig berichtet hatte viel sie mir um den Hals und weinte mir in die Schulter. Dann ließ sie mich los und blickte mich voller Sorge an.
„Du kannst hier nicht bleiben“, sagte sie.
„Wo soll ich denn hin?“
„Ich weiß nicht. Nur möglichst weit fort von allen die dir etwas antun könnten.“
„Wo soll das denn bitte sein? Außerdem kann ich dich doch nicht mit deinen Eltern allein lassen. Er weiß mit wem sie dich verheiraten wollen.“
Katta lachte leise „Ich habe es früher auch mit ihnen ausgehalten. Dein Leben ist wichtiger als meins.“
„Nein ist es nicht!“ Ich griff nach ihren Händen.
Weiß und Schwarz.
„Komm mit, mit mir. Ohne dich würde ich doch vor Einsamkeit sterben.“ Sie lächelte, doch dann wurde sie wieder ernst. „Ich kann nicht weg. Man würde nach mir suchen.“
„Meinst du?“ Ich blickte in ihre grünen Augen. „Wahrscheinlich bemerken die erst Morgen dass du weg bist. Hier achtet doch sowieso niemand auf dich.“

Sei schaute mich an und seufzte. „Na gut. Ich komme mit.“
Ich drückte sie. „Danke“, flüsterte ich ihr ins Ohr. Als ich im Fenster stand drehte ich mich noch mal um. „Es ist besser wenn du dir Hosen anziehst. Mit denen ist es leichter zu reiten.“ Sie lachte. Weiß und Schwarz. Vereint.

Kapitel 7

Ich erwartete Katta an einer Lichtung. Sie hatte Reiterhosen an. Auf dem Weg in den Wald fragte sie mich auf was ich reiten wolle. Ich antwortete nicht. Nach einiger Zeit blieb ich stehen, legte die Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Katta nahm die Hände von den Ohren.
„Was sollte das denn jetzt?“, fragte sie gereizt.
„Erfährst du gleich“, sagte ich nur.
Hufgetrappel kam schnell näher. Katta blickte sich ängstlich um. „Sollten wir uns nicht lieber verstecken?“ Ich schüttelte den Kopf. In diesem Moment kam ein Pferd angeprescht. Katta schrie auf, doch ich hob die Hände und das Tier blieb stehen. Es hatte ein langes, gedrehtes Horn auf der Stirn. Das pechschwarze Fell glänzte wie Seide. Katta blieb der Mund offen stehen.

Das Einhorn drückte mir seine Schnauze gegen den Hals und ich kraulte es. „Katta darf ich vorstellen: Das ist Phantom. Mein Einhorn. Phantom das ist Katharina.“ Phantom schnaubte freundlich. Katta wich einen Schritt zurück. „Keine Angst. Er ist ein ganz Lieber“, sagte ich.
Phantom betrachtete Katta aus großen, schwarzen Augen. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und kraulte ihm die Nüstern. Er schnaubte genüsslich. Katta lächelte.
„Weißt du ich kenne nicht sehr viel Zauberwesen. In der Stadt läuft einem höchstens einmal eine vierschwänzige Ratte über den Weg.“
„Naja jetzt kennst du schon Zwei. Warte ich helfe dir beim Aufsteigen.“ Ich schwang mich vor Katta auf Phantoms Rücken du gab ihm einen Klaps. „Los geht’ s, mein Junge!“

Wir ritten fast den ganzen Tag durch und machten nur Rast wenn wir Hunger bekamen oder Phantom verdächtig laut schnaufte. Als der Mond schon hoch am Himmel stand stieg ich ab und führte das Einhorn und Katharina in eine Höhle.
„Wieso reiten wir nicht weiter?“
„Es ist besser den Lebewesen die, die Nacht beleben aus dem Weg zu gehen.“
Katta grinste „Dann müsste ich dir doch auch aus dem Weg gehen.“  Ich grinste zurück  “Vielleicht.“ In der Höhle setzte ich mich auf den Boden und lehnte den Kopf gegen Phantoms warmen Körper, der sich hinter mich gelegt hatte. Katta gesellte sich zu mir. „Der scheint dir sehr zu vertrauen.“
„Wer?“
„Na dein Einhorn.“
„Ach so. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich ihn vor einem Händler gerettet habe der ihn ausstopfen wollte. Seitdem liebt er mich wie eine Mutter.“
Katta lachte. „Bei dem was ich über Mütter weiß, musst du aber eine sehr nette sein.“
Ich lächelte “Das nehme ich einmal als Kompliment“ Katta zog aus der Tasche die sie sich mitgenommen hatte eine Decke. Sie kuschelte sich an meine Seite und schlief ein.
Ich versuchte wach zu bleiben um Wache halten zu können, doch nach einiger Zeit übermannte auch mich der Schlaf.

Kapitel 8

Ich wurde von einem unangenehmen Geräusch geweckt. Es klang als würde jemand mit einem Stein über eine Metallplatte kratzen. Sofort begann ich flach zu atmen. Ich berührte Katta an der Schulter.

„Was ...“ doch bevor sie weitersprechen konnte legte ich ihr die Hand auf den Mund.

Ich beugte mich zu ihr hinunter und flüsterte ihr mit erstickter Stimme  ins Ohr: „Ssssssch. Da ist ein Schatten. Mach ja keine Geräusche.“

Ich griff Phantom ins Fell und zog ihn daran. Er kannte dieses Zeichen und würde sich nicht mehr bewegen bis ich Entwarnung geben würde.

Ich zog Katta weiter in die Höhle hinein. Nur weg von dem Eingang durch den blasses Mondlicht schien.

Ich blicke mich um. Wenn man von Schatten verfolgt wird sollte man auf irgendetwas klettern. Das Geräusch kam näher.

Hektisch suchte ich nach einem Felsvorsprung oder ähnlichem. Dann entdeckte ich einen. Ungefähr drei Meter über dem Boden. Ich lief darauf zu und half Katta hinauf zu klettern. Gerade als ich ihr nachkommen wollte bog ein Schatten um die Ecke. Er entdeckte mich und fing sofort an zu knurren. Weißer Schaum rann aus seinem Maul und tropfte auf den Boden. Ich beeilte mich aber ich schnitt auf dem rauen Stein die Hände auf. Der Schatten rief mit einem Bellen seine Brüder und rannte los.

Ich zog mich gerade hoch als er seine Zähne in mein Bein schlug. Ich unterdrückte einen Schrei und kletterte auf den Vorsprung. Mit meinem freien Fuß trat ich nach der Schnauze des Schattens. Mit einem Heulen ließ er los.

Ich drückte mich neben Katta an die Wand. Sie keuchte genauso heftig wie ich.

Immer mehr Schatten versammelten sich. Sie brüllten vor Wut und sprangen hoch aber sie erwischten uns nicht. Sie waren so dumm gewesen und hatten die Form von Wölfen angenommen. Schatten können, egal in welcher Gestalt nicht klettern und Wölfe sind relativ kleine Tiere.

Katta blickte mich ängstlich und fragend zugleich an. Für sie musste dieser Moment sehr schlimm gewesen sein. Vor allem weil sie aus der Stadt kam und nichts über Schatten wusste. „Mach dir keine Sorgen. Wenn die Sonne kommt sind die Schatten sicher schon weg.“

„Was ist mit deinem Bein? Das sieht schlimm aus.“ Sie hatte Recht. Meine Hose war schon ganz durchnässt von meinem schwarzen Blut. Aber ich zwang mir ein Lächeln ab. Ich wollte nicht, dass Katta sich um mich sorgte. „Das geht schon “,sagte ich. „Bei Dunkelelfen heilen Wunden sowieso schneller und besser als bei Menschen.“

Katta ließ einen beruhigten Seufzer hören und lehnte sich gegen mich. Ich lauschte ihrem gleichmäßigen Atem und schloss die Augen. Richtig Einschlafen konnte ich nicht und selbst in meinen Träumen lauerten die Schatten auf mich.

Kapitel 9

Als ich am nächsten Morgen aufwachte stand die Sonne schon hoch am Himmel.

Ich blickte auf den Boden. Keine Schatten. Ich kletterte erleichtert von dem Felsvorsprung und fing an mich zu dehnen. Ich schlief zwar oft im sitzen aber es tat meinem Rücken nie sehr gut. Ein stechender Schmerz fuhr mir durch den Körper und erinnerte mich an mein verletztes Bein.

Ich krempelte die Hose hoch und schaute es mir an. Die Wunde war schon verkrustet  und wenn ich Glück hatte würde nicht einmal eine Narbe bleiben.

Ich lief zu Phantom und weckte ihn. Er schnaubte etwas widerwillig und müde, stand dann aber doch auf. Freundlich stupste er mir in die Seite.

„Na, gut geschlafen mein Junge?“

Er wieherte zustimmend und schüttelte seine Mähne.

Plötzlich hörte ich hinter mir Schritte. Ich drehte mich ruckartig um, die Hand schon auf dem Messer, doch es war nur Katta die mir entgegengeschlurft kam.

Bei dem Anblick meines Messers zuckte sie kurz zusammen.

„Wo hast du das denn her?“

„Gefunden“, antwortete ich nur knapp. Ihr hätte es wahrscheinlich sowieso nichts ausgemacht, trotzdem behielt ich es liebe für mich, dass ich die Waffe einem Metzger gestohlen hatte.

„Reiten wir weiter?“, lenkte ich vom Thema ab. Glücklicher eise ging Katta darauf ein.

„Sicher. Wie geht`s deinem Bein?“

„Ist schon fast verheilt. Morgen wird man sicher nichts mehr davon sehen.“

Katta lächelte beruhigt und stieg auf Phantoms Rücken. Sie konnte das schon so gut, dass sie nicht einmal meine Hilfe brauchte. Ich nahm Phantom bei der Mähne und führte ihn über den steinigen Weg wieder in den Wald. Mit einem Klaps an den Hals und einer kurzen Streicheleinheit setzte er sich  in Bewegung nachdem ich mich auf seinen Rücken geschwungen hatte.

 

„Wo reiten wir überhaupt hin?“, fragte Katta mich.

Ich krabbelte aus dem Gebüsch, das ich nach Beeren abgesucht hatte und schaute sie kurz an. Sie blickte erwartungsvoll zurück. Mir machte es nichts aus, dass sie es wissen wollte. An ihrer Stelle hätte ich auch gefragt. Immerhin ritten wir nun schon seit zwei Tagen durch die Wildnis und waren an noch keinem Haus vorbeigekommen. Geschweige denn einer Stadt. Trotzdem antwortete ich nicht gleich. „Wir besuchen einen alten Freund von mir“, sagte ich dann schließlich.

Katta wirkte beruhigt und stellte keine weiteren Fragen, wofür ich ihr sehr dankbar war. Denn sonst hätte ich ihr erzählen müssen, dass ich mich mit Phönix zerstritten hatte, dass ich ihn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte und mir nicht einmal sicher war, ob er noch immer in der alten Höhle am Wolfsgipfel lebte.

Kapitel 10

"Und die Nacht verschluckte ihn, wie einen räuberischen Fuchs."

                                                                     Cornelia Funke - Tintenherz

 

Am Abend kamen wir in einer Stadt an. Es war vielmehr ein Dorf trug aber den würdevollen Namen: Tristone. Wie liefen durch die engen Gassen und suchten nach einem geeigneten Platz zum Schlafen. Ich hatte mir die Mühe erspart mir die Kapuze über zu ziehen. Es war stockdunkel und die Menschen hatten sich vor Angst in den Häusern verkrochen. Ich hätte es ihnen am liebsten nachgetan, denn aus vielen dunklen Ecken drangen unheimliche Geräusche, die mit Sicherheit nicht menschlicher Natur waren.

Bis auf Katta war ich alleine, denn wir hatten Phantom vor dem Dorf stehen gelassen. Ein Einhorn würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Er lief den Umweg durch den Wald. Katta wurde unruhig und tastete nach meiner Hand. Ich ergriff ihre und drückte sie fest als plötzlich neben uns ein Rascheln ertönte.

Ich fuhr herum, doch aus dem dunklen Eck kam nur ein Rabe gehüpft. Der weiße Fleck auf seinem Hinterkopf leuchtete gespenstisch. Als das Tier mich entdeckte ließ es ein kehliges Krächzen hören, dass wie ein heiseres Lachen klang. Beunruhigt zog ich Katta weiter in eine Gasse. Ich kramte ein Streichholz aus meiner Tasche und zündete eine Laterne an, die an der Wand hing. Ihr matter Schein tauchte die Gasse in spärliches Licht. Ich lehnte mich gegen eine Hauswand und ließ mich auf den Boden plumpsen. Katta setzte sich zögernd neben mich.

„Ich habe Angst“, flüsterte sie und zuckte bei einem Geräusch, das aus einem nah gelegenen Baum kam zusammen. Es klang wie ein Röcheln. „Was war das?“

„Nur ein Teufelskauz. Die sind nicht gefährlich.“

„Aha.“ Katta klang nicht wirklich beruhigt. Sie legte ihren Kopf an meine Schulter.

„Du kannst schlafen. Ich werde Wache halten“, versuchte ich sie zu beruhigen.

„Ganz bestimmt?“

„So sicher wie ich hier sitze.“

Katta schlang die Arme um die Beine und legte ihren Kopf auf ihre Knie. „Danke“, flüsterte sie.

 

Ich weckte Katta schon, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke schienen. Gähnend stand sie auf.

„Komm. Wenn es heller wird trauen sich auch die Menschen wieder auf die Straße“ Ich nahm sie am Arm und zog sie hinter mir her. Als wir auf der Straße standen blickte ich mich etwas unschlüssig um. Ich kannte mich in diesem Dorf nicht aus und wusste daher nicht in welche Richtung der Wald lag. Ich starrte erst auf die Straße, dann in den Himmel und dann wieder auf die Straße. Katta schien meine Unsicherheit zu bemerken.
„Stimmt etwas nicht?“

„Nein, nein. Alles klar. Es ist nur ...“

„Ja?“

„Ich glaube ich kenne den Weg nicht“

Katta stöhnte.

„Tut mir leid“, entschuldigte ich mich.

Katta schaute mich ernst an. „Du bleibst hier stehen. Ich werde nachfragen.“

Ich hatte es mir abgewöhnt Katta von Irgendetwas abhalten zu wollen. Also nickte ich nur. „Pass auf dich auf.“

 

Kapitel 11

Katta lief zu dem nächstbesten Haus und klopfte an die morsche Holztür. Es dauerte eine Weile bis geöffnet wurde. Der kleine Junge trug abgewetzte Kleidung und schaute Katta groß an. Sie lächelte. “Kannst du mir vielleicht sagen wie ich am schnellsten wieder in den Wald komme?“ Der Kleine nickte. Doch dann zog er die Stirn in Falten. „Ich kenne dich“ Katta war überrascht. „Woher denn?“

„Von den Suchplakaten. Mein Papa hat einmal eines mitgebracht. Zum heizen.“

Ein Stöhnen von Katta. “Wusst´s ich doch“, grummelte sie. Dann setzte sie wieder ihr freundliches Gesicht auf “Verrätst du mir trotzdem den Weg?“

Der Junge nickte. „Von hier musst du um die Ecke, dann Links, noch mal Links, Rechts, Gerade aus, über den Zaun und dann bist du da“

„Ah gut. Dankeschön“ Katta lief wieder zu mir. „Hast du dir alles gemerkt?“

„Ja“, sagte ich unsicher.

„Na dann, auf geht´s!“

 

Die Beschreibung des Jungen erwies sich als richtig. Nachdem wir uns zwei Mal verlaufen hatten, einem bissigen Hund ausweichen mussten und uns an dem Stacheldrahtzaun die Hände aufgerissen hatten standen wir endlich an der Waldlichtung. Ich pfiff nach Phantom. Er kam langsam angetrabt und musterte uns kritisch. „Du brauchst gar nicht so blöd zu gucken“, giftete ich in an. Mit den Nerven war ich zu diesem Zeitpunkt ziemlich am Ende. Ich schwang mich auf seinen Rücken. Katta konnte das inzwischen schon selbst. Nach einem Klaps lief Phantom los.

Kapitel 12

Es war schon fast eine Woche her, dass Katta und ich geflüchtet waren. Ich konnte mich kaum noch auf Phantom halten, doch dann, endlich, entdeckte ich den Wolfsgipfel. „Wir sind da!“, rief ich begeistert. Katta schreckte aus ihrem Halbschlaf hoch. „Was?“, fragte sie verwirrt. Ich ließ mich von Phantoms Rücken gleiten und half Katta hinunter. „Bereit für eine kleine Wandertour?“ Katta nickte.

Ich lief vornweg. Der Anstieg war relativ leicht, doch mit der Zeit wurden die Steine rutschiger und die Pflanzen rarer. Zum Zeitvertreib erzählte ich Katta die Geschichte wie der Wolfsgipfel zu seinem Namen kam. Früher lebten hier noch sehr viele Eiswölfe. Es waren schöne Tiere, mit blauen Fell und schwarzen Pfoten. Ihnen erging es wie den Dunkelelfen. Sie wurden gnadenlos gejagt, da die Menschen sie verdächtigten ihre Babys zu töten. Die Eiswölfe wurden ausgerottet. Erst sehr viel später fand man heraus, dass nicht die Wölfe sondern Elben die Kinder ermordet hatten. Katta schluckte. „Wie lang ist das denn her?“

„Über fünfzig Jahre.“

„Die armen Tiere.“

Ich nickte und lief weiter. Katta trat neben mich. „Dann habe ich ja Glück, dass man dich noch nicht ausgerottet hat. Ohne dich, wäre dieses Leben so langweilig wie ein Geigenkonzert“ Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich wurde rot. Katta hatte in letzter Zeit angefangen mich zu küssen, wann immer sie konnte. Ich wusste nicht wieso. Wahrscheinlich brauchen Menschen mehr Liebe als Dunkelelfen. Also hinderte ich sie nicht daran. Eigentlich gefiel es mir sogar. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den Höhleneingang fast übersah. Abrupt blieb ich stehen. Phantom blies mir seinen warmen Atem in den Nacken. Er hatte sich auch von dem steilen Hang nicht abhalten lassen, uns zu folgen. Katta steckte meine Unsicherheit an. „Was ist denn?“

„Nichts“, sagte ich, schluckte und betrat die Höhle.

 

Es war ziemlich dunkel. Nicht, dass es mich gestört hätte, aber ich bekam ein mulmiges Gefühl im Bauch. Es knackte und ich zuckte zusammen. Doch es war nur Katta, die auf einen Knochen getreten war. Hier lagen sehr viele herum und sie waren der einzige Beweis, dass diese Höhle bewohnt war. Mir drehte es den Magen um, bei dem Anblick eines Vogelkadavers. Und das war auch der Unterschied zwischen meinem Freund Phönix und mir. Phönix hatte es nie etwas ausgemacht Tiere zu töten. Er hatte Schlingen gelegt, Fallgruben gegraben und Fangeisen versteckt wo immer sich die Gelegenheit bot. Er war schon immer ein harter, brutaler Kerl gewesen. Phönix hatte sich mit anderen Straßenkindern geprügelt und immer den Sieg davon getragen. Aber er war auch schon sechzehn. Ein erstickter Schrei von Katta ließ mich herumfahren.

Kapitel 13

Phönix war hinter Katta getreten und hatte ihr seinen Arm wie ein Schraubstock um den Hals gelegt. Katta wehrte sich nach Leibeskräften, konnte aber nichts ausrichten.

„Phönix, lass sie!“, rief ich.

Phönix hörte wirklich auf und schaute mich mit schief gelegtem Kopf an.

Katta lief zu mir. „Das ist dein Freund?“, flüsterte sie mir zu.

Ich nickte.

„Nicht sehr Vertrauen erweckend.“

Jetzt grinste Phönix “Ich weiß.“

Katta zuckte merklich zusammen. Phönix kam jetzt näher und musterte mich von Kopf bis Fuß „Du hast dich überhaupt nicht verändert, Larvonso.“

„Du dich auch nicht.“

Phönix strich sich die Rastalocken aus dem Gesicht, sodass man ihn endlich erkennen konnte.

Katta quiekte erschrocken.

„Was ist? Noch nie einen Steinmenschen gesehen?“, blaffte Phönix sie an.

Ich konnte Katta verstehen. Der Stein, den Phönix statt einer Haut trug war spröde und grau und die Schrammen und Katzer, wiesen auf viele Kämpfe hin.

„Phönix, wir brauchen deine Hilfe“, sagte ich plötzlich unvermittelt.

Er sah mich wieder an. „Wir?“

„Ich vielleicht ein bisschen mehr, als Katta “, gab ich kleinlaut zu.

Phönix lachte. „Hast du nicht gesagt du brachst meine Hilfe nicht? Nie mehr?“

Ich knirschte mit den Zähnen. „Möglicherweise habe ich mich damals geirrt.“

Phönix trat ganz nah an mich heran und starrte mich mit seinen eisblauen Augen an. Dann seufzte er. „Na gut. Was liegt an?“

Kapitel 14

„Wieso hat er zugestimmt?“

Katta und ich saßen am Höhleneingang und beobachteten die Sterne. „Was meist du?“, fragte ich.

„Na, so wie der dich angesehen hat, würde er dir doch am liebsten den Hals umdrehen.“

Ich musste lächeln. „Phönix behauptet herausfinden zu können ob  sein Gegenüber lügt oder nicht, wenn er ihm in die Augen schaut.“

„Glaubst du das?“

„Ich bin mir nicht sicher. Furchteinflößend ist es allemal.“

Katta lachte, wurde aber wieder ernst. „Wieso habt ihr euch damals gestritten?“

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte ich und hoffte, dass sie das Zittern in meiner Stimme nicht merkte.

„Na, hör mal! Das sieht doch ein blinder mit Krückstock, dass bei eurer Freundschaft etwas nicht stimmt.“

Ich seufzte. Vor Katta konnte man wirklich nichts verbergen. „Ich lernte Phönix kennen, da war ich noch richtig klein. So um die neun Jahre. Phönix war drei Jahre älter als ich. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe ihm voll und ganz vertraut. Er war schon immer so grob. Er hat geprügelt und getötet und ich stand daneben und versuchte meinen Magen unter Kontrolle zu halten. Er wollte mir immer beibringen zu Jagen aber ich konnte das nicht. Ich habe in Tieren immer Lebewesen gesehen. Keine Beute. Als ich ihm das einmal gesagt habe, ist er vollkommen ausgezuckt. Phönix ist ziemlich leicht reizbar. Er hat mich angeschrien, dass ich mit dieser Einstellung verhungern werde. ´Ich verhungere lieber als so ein brutaler, gefühlsloser Kerl, wie du zu werden´, habe ich gemeint. Da hat er mir eine gescheuert und gesagt, wenn ich so von ihm denke, soll ich lieber gleich abhauen. Ich würde ohne ihn höchstens ein Jahr überleben, hat er gemeint. Ich habe geschrien, dass ich ihn nicht brauche und bin davongelaufen.“

Kata legte mir den Arm um die Schulter. „Bei euch hat´s ja wirklich gebrodelt, was?“ Ich nickte. „Irgendwie vermisse ich Phönix. Den alten Phönix, der mich vor allem und jedem beschützt hat. Ich hätte damals nicht weglaufen sollen. Das war das dümmste, was ich jemals getan habe.“ Katta knuffte mich in die Seite. „Na hör mal! Ohne diese Aktion hättest du mich nicht kennengelernt und würde jetzt in meinem Zimmer verschimmeln.“

„Und das wäre doch ein wirklich großer Verlust.“ Phönix war unbemerkt hinter uns getreten. Ich stand auf. „Es tut mir so leid.“ Phönix wuschelte mir mit der Hand durch die Haare. „Mir auch, Kleiner.“ Er grinste „Freunde?“

„Für immer!“ Ich viel ihm um den Hals.

Katta stand neben uns und sah uns gerührt an. Ich nahm ihre Hand und zog sie zu mir. Und Katta lachte.

Epilog

Wir wohnten schon fast ein ganzes Monat bei Phönix. Und wir würden auch nie wieder weg gehen! Damit uns nicht langweilig wurde, brachte ich Katta alle Tricks um in der Wildnis überleben zu können, bei. Nach einiger Zeit kletterte sie so schnell und behände auf Bäume wie ein Äffchen und konnte jede noch so undeutliche Tierspur identifizieren. Es machte ihr sichtlich Spaß, aber sie stand trotzdem fast jede Nacht auf und ging zum Höhleneingang um die Sterne zu beobachten. Einmal folgte ich ihr. Sie zuckte zusammen als ich ihr meine Hand auf die Schulter legte. Doch ich lächelte nur und ließ mich neben ihr auf den kalten Steinboden sinken.
Wir saßen eine Weile nur schweigend da und starrten in den Nachthimmel.

„Woran denkst du gerade?“, wollte ich nach einiger Zeit von Katta wissen.

Sie schwieg kurz. „An meine Eltern. Ich glaube sie machen sich Sorgen um mich.“

„warum?“

„Ich bin ihr einziges Kind. Aber sie wissen nicht einmal ob ich noch lebe.“ Katta wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Ich strich ihr sanft über die Wange. „Warte einen Moment, ich hole schnell etwas.“

Ich stand auf, lief zu meiner Tasche und fing an darin zu wühlen. Ganz am Boden fand ich was ich suchte. Das Papier war schon etwas zerknittert, aber besser als gar Nichts. Ich klaubte noch eine Gänsefeder vom Boden auf, dann lief ich mit meinen Fundstücken zu Katta. Sie erwartete mich schon gespannt. „Hattest du eine Idee?“

Ich grinste. „Und ob! Schreib deinen Eltern doch einfach einen Brief.“

Katta musste lächeln. „Das ist lieb von dir, aber wir haben hier doch keine Tinte. Womit soll ich denn schreiben?“ Ich zückte mein Messer. „Mit Blut!“

 

Es ist wirklich Glück, dass das Blut der Dunkelelfen so schwarz ist. Auf dem Papier merkte man fast keinen unterschied zu Tinte. Katta machte zuvor noch ein paar Rohentwürfe mit Kreide auf den Stein.

 

Liebe Eltern,

„Nein, das klingt seltsam“

Neuer Versuch.

Liebe Mutter, lieber Vater.

Macht euch bitte keine Sorgen um mich. Ich habe mich sehr gut mit einem Dunkelelf angefreundet.

 

„Das musst du ihnen nun wirklich nicht auf die Nase binden.“

Also strich Katta es.

 

Ich habe einen Freund gefunden, dem ich vertraue. Er ist nett, hübsch, . . .

 

„Hinreißend, fantastisch, wundervoll“, gab ich Katta sarkastisch noch ein paar Ideen. Sie schnaubte. „Darf ich dich nicht einmal loben?“

„Natürlich. Aber ich konnte doch nicht zulassen, dass du so maßlos untertreibst.“

Katta grinste und löschte den Satzt.

 

Er würde euch sicherlich gefallen.

 

„Ja, vor allem deinem Vater“, grummelte ich.

 

Er passt wirklich toll zu mir.

 

Ich gab ihr einen Kuss in den Nacken. „Wann findet noch gleich unsere Hochzeit statt?“ Jetzt musste Katta lachen. Trotz unserer Blödeleien, war der fertige Brief recht akzeptabel.

 

Liebe Mutter, lieber Vater.

Macht euch keine Sorgen um mich. Ich habe einen Freund gefunden dem ich vertraue und den ich liebe.

Ich werde nicht mehr nach Hause kommen und bitte euch auch, nicht weiter nach mir zu suchen.

Ich will mit meinem Freund ein neues Leben anfangen.

Eure euch liebende Tochter  Katharina

 

„Sehr schön!“ Ich klatschte in die Hände. „Willst du ihn jetzt abschicken?“

Katta nickte. „Na gut. Bis wir im Dorf sind, hat das Postamt hoffentlich schon geöffnet. Wir hinterließen noch eine Nachricht für Phönix, dann legte ich die Finger in den Mund und pfiff nach Phantom.

 

Wir ritten eine gefühlte Ewigkeit. Wenn nicht sogar zwei. Endlich angekommen rutschte ich mit steifen Beinen von Phantoms Rücken. Wir waren in das nächstgelegene Dorf geritten und hatten trotzdem mehrere Stunden gebraucht. Es war schon fast Mittag. Die Sonne tastete sich hier und da zwischen der dicken Wolkendecke hervor und irgendwo, zwitscherte ein Kuhnschabel. Katta hüpfte neben mir her, wie ein junges Fohlen. Ich zog mir die Kapuze ins Gesicht, nahm Kattas hand und betrat das Postamt.

 

Der etwas säuerliche Geruch nach altem Papier und toten Mäusen schlug uns entgegen. Ich blieb in einer Ecke stehen und überließ Katta das Wort. Sie trippelte zum Tresen. „Ich würde gerne einen Brief verschicken.“ Der junge Angestellte nahm den Zettel, den Katta ihm hinhielt. „Steht die Adresse darauf?“, wollte der Mann wissen. Katta nickte. Er drehte den Brief um. „Das Siegel fehlt.“

„Oh, nein!“ Katta schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Wie konnte ich das nur vergessen?“ Genaugenommen hatte sie es nicht vergessen. Es war nur das Problem aufgetreten, dass es in der Höhle weder Wachs, noch einen Siegelring gab. Also verließ sich Katta voll und ganz auf ihre Schauspielkunst. Ihr rollten die Tränen die Wange hinunter. „Was soll ich jetzt machen? Mein Dorf liegt fast zwanzig Kilometer entfernt.“ Der Angestellte lächelte ihr auf munternd zu. „Keine Sorge, Miss. Ich erledige das für sie.“ Aus einer lade fischte er einen Siegelring. Dann tropfte er Wachs auf den Brief und drückte den Ring hinein. „Vielen Dank, Mister!“ Katta klang richtig erleichtert. „Das werde ich ihnen nie vergessen.“ Dann verließ sie das Postamt und ich folgte ihr wie ein Hund seinem Herrchen.

 

Phantom, der brav am Waldrand gewartet hatte hob den kopf als er uns hörte und schnaubte erleichtert. „Reg dich nicht auf, Junge. Wir haben uns extra für dich beeilt.“ Ich tätschelte ihm die Flanke und schwang mich auf seinen Rücken. Nach einem leichten Klaps lief er los. Die ersten paar Minuten sagten wir nichts, doch dann drehte ich mich zu Katta um. „Und du willst wirklich nie mehr nach Hause zurück?“ Sie lachte. „Das hier ist mein Zuhause.“ Sie deutete auf die Bäume, die Büsche, den kleinen Fluss. Dann beugte sie sich zu mir nach vorne. „Du bist mein Zuhause“, flüsterte sie. Und dann küsste sie mich. Zum ersten Mal auf den Mund.

Zu dieser Geschichte gibt es 36 Kommentare

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Fee – 14. Mai 2021

Gut geschrieben!

Mondklaue – 24. Februar 2021

Wow super Geschichte, wirklich toll.

Brianna – 25. Januar 2021

Wirklich schön! Und es stimmt, eine Meinung hängt von einer bestimmten Perspektive an. Bist du mit der Geschichte schon einmal zu einem Verlag gegangen? Sie würde bestimmt gedrückt werden. Schreib weiter!

Lucia – 19. November 2018

du könntest mal eine gruselgeschichte schreiben

wald-mädchen – 2. März 2018

Du (ich darf dich doch duzen?) schreibst lange und ich finde deine Geschichten super!!! Großes Lob! Ich finde toll das du aus der Sicht eines Dunkel Elfen geschrieben hast. LG Waldmädchen

Boockie – 24. Februar 2018

Übrigens: Ich bin auch zwölf und schreibe auch Geschichten!

Boockie – 24. Februar 2018

Du schreibst echt MEGA gut!

Mondpfote – 12. Januar 2018

Das ist ja ein ganzes Buch! Echt gut geschrieben! Schreib unbedingt noch mehr!

GeschichtenReiserin – 6. März 2017

Super geschrieben Dein Schreibstil ist sehr schön, ich kann mir alles prima vorstellen.

Geschichtenknüpferin – 18. Januar 2017

WOW Das ist richtig cool. Schreib weiter!!!

Lela – 2. August 2016

Du schreibst ein bisschen so wie eine gute Freundin von mir.

Aber ich finde deinen Schreibstil eigentlich ganz gut.

mond – 25. August 2014

Das ist die beste Geschichte der Welt, aber schreib bitte eine Fortsetzung!!!

Scipio – 12. Mai 2014

Ich muss/möchte sagen, dass das Buch echt gut ist!

Ella, ein großes Lob an dich!

Scipio – 8. Mai 2014

Wundervoll!

Caro – 24. März 2014

Super Geschichte Ella

Ella – 11. März 2014

Haha, dank dir Cecile! Wenn mich ein Verlag will, werd ich den Beruf der Autorin gern Angriff nehmen

Lg Ella

CECILE – 8. März 2014

Coole Geschichte. Mach weiter so. Du könntest später Autorin werden .

Ella – 10. Februar 2014

Ooh, Dankeschön Johanna Ja, ein Verlag... Dafür ist es dann wohl doch etwas zu kurz, aber danke für die Anregung und das Lob!

Lg Ella

Johanna – 8. Februar 2014

Wow! Ernsthaft Wow! Mega toll geschrieben! Du musst das unbedingt in einen Verlag einsenden, das wird bestimmt veröffentlicht!

Ella – 25. Januar 2014

Haha, oh Danke Sabrina (Übringens bin ich heut 13 geworden ;D) Meine Freundin sagt auch immer, dass ich so gut bin... Ich hoffe dir gefallen auch meine weiteren Geschichten Lg Ella

P.S.: Darf ich dich vllt fragen wie alt du bist? Würd mich interessieren...

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